Central Hell Goddess - NEW

"Äh..." Glenn überlegte, ob er ihr sagen sollte, um was für ein Buch es sich handelte. Damals war Lumeia, genauso wie er, sehr an Magie interessiert gewesen, dennoch war die Chance sehr gering, das sie wissen konnte, um was für eine Art Magie es sich hierbei handelte.
"Das ist ein altes Buch über eine ausgestorbene Art der Magie." fuhr er schließlich fort und blickte das Buch mit einer stillen Faszination an. "Es ist nur in der alten Sprache der Götter geschrieben, das macht es so schwierig zu lesen."

"Du stehst wirklich auf so Sachen, was?", fragte sie und versuchte sich ihre Überraschung nicht allzu sehr anmerken zu lassen. Sie selbst verstand kein Wort von dem, was dort stand. Kannte nicht einmal die Sprache, obwohl sie selbst Magierin war.
Sie lachte leise. "Es freut mich aber zu sehen, dass du etwas gefunden hast, woran du Spaß hast." Und dafür bewunderte sie ihn wirklich sehr. Vor allem auch wegen der Schicksalsschläge, die er hatte durchleben müssen. Sie war sich sicher, dass er sie mit seinen magischen Fähigkeiten längst überflügelt hatte, so eifrig wie er am lesen war.

"Tja.. was soll man auch sonst anderes machen?" antwortete er, und sein Blick wurde irgendwie traurig, melancholisch. Bücher waren schon immer seine Welt gewesen, gerade nach dem Tag, an den Liam verstorben war, hatte er tage-, wenn nicht gar nächtelang in der Bibliothek verbracht und war in fremde Welten eingetaucht. Sie hatten ihn abgelenkt, Trost gespendet, abgelenkt. Er hatte die Zeit oft nichts anderes gemacht, als zu lesen - oft hatte er sogar das Essen vergessen, oder musste von Dienern aus der Bibliothek getragen werden.
"Ich... bin übrigens froh zu sehen, das es dir gut geht, Lumeia." sagte der junge Prinz schließlich schüchtern, jedoch mit einem leichten Lächeln auf den Lippen. "Nachdem ich von der Sache im Windreich gehört habe.. Na ja, ich bin jedenfalls froh zu sehen, das du wohl auf bist... oder so."

Für einen kurzen Moment schien sie gefroren zu sein, als er diese Sache ansprach. Dann blickte sie zu ihm und lächelte, wenn auch ein wenig traurig. Es freute sie, dass er sich Sorgen um sie gemacht hatte, keine Frage. Aber langsam war sie es müde, immer daran erinnert zu werden, was geschehen war. Auch wenn sie wusste, dass sie sich dem früher oder später würde stellen müssen, spätestens wenn alles vorbei war. Wahrscheinlich schon vorher.
"Ich hoffe, wir können verhindern, dass hier das gleiche passiert", sagte sie schließlich.

Glenn seufzte. "Ich ... hoffe das ebenfalls." Dann sah er wieder zu ihr, und sein Blick war unsicher, ängstlich. Obwohl er Lumeia so lange nicht mehr gesehen hatte und sie beide sich wahrscheinlich viel zu sehr verändert hatten, so fühlte er sich noch immer wohl bei ihr - sie war damals wie eine große Schwester für ihn gewesen, auf die er damals sogar ein wenig gestanden hatte. Oder vielleicht war es auch einfach nur die Tatsache, dass er all die Jahre keine wirklichen Freunde gehabt hatte. "Weißt du, ich weiß nicht mal was sich meine Mutter dabei gedacht hat... das ich euch begleiten soll. Zudem mir das alles sowieso ziemlich surreal vorkommt. Wie wollt ihr als kleine Gruppe so eine riesige Fraktion wie die Kirche stürzen?" Er schob seine Brille hoch.

Lumeia kicherte leise, als ihr bewusst wurde, dass Glenn die gleichen Bedenken hatte wie Alec. "Ich sehe das mittlerweile anders", gestand sie. "Klar, wir sind eine kleine Gruppe, aber ich denke schon, dass wir eine gewisse Chance hätten. Auch wenn es verrückt klingt." Sie dachte an die vielen Kämpfe, die Caleb und Rhea ausgefochten haben, während sie noch vollkommen down gewesen war. Die vielen Momente, in denen sie sich so unnütz gefühlt hatte, als könne sie nichts tun um sie zu unterstützen. Aber am meisten beeindruckt hatte sie das Chaos, was sie im Feuerreich angezettelt hatten.

Glenn war nicht zufrieden mit dieser Antwort. Er kannte diese Leute nicht und somit traute er Ihnen auch nicht, genauso wenig wie er Alec traute. Zudem er sowieso nicht wirklich einen Platz zwischen all den Kämpfen sah. Er konnte vielleicht mit seinem Wissen helfen, aber sonst? 
"Die anderen Zwei... wer sind die eigentlich? Und wie sind die so?" Er hatte nur mitbekommen, das der Name des Mädchens wohl Rhea gewesen sein musste, und sie wohl die Anführerin dieser Gruppe war. Aber der andere Typ? Er schien älter zu sein als Glenn, so viel stand fest. Aber sonst? Er hatte all die Zeit kein einziges Wort gesagt gehabt, und auch seine Gestik und Mimik hatten nicht viel über ihn verraten.

Für einen Moment zögerte sie. "Nun ja, sagen wir so... Ich hatte sie ursprünglich angeheuert, um mich an einen bekannten Ort zu bringen.", damit begann sie Glenn zu erzählen wie sie Rhea und Caleb kennen gelernt hatte, ohne ihm wirkliche Details über ihr Trauma zu verraten. Sie wusste, dass der Junge sehr sensibel war und sie selbst wollte momentan nicht daran denken. Ansonsten berichtete sie ihm alles, was sie über die beiden wusste, dass sie beide Ausgestoßene waren und aus persönlichem Hass gegen Ethan handelten.
"Ich habe ihnen auch sehr lange misstraut", gestand sie zum Abschluss. "Aber mittlerweile glaube ich, dass man zumindest Rhea durchaus vertrauen kann."

"Achso?" erwiderte Glenn nur, mit einem Hauch von Zweifel in der Stimme. Wenn er so ihre Geschichte hörte... War er sich weitaus unsicherer, ob er wirklich zu so einer Gruppe überhaupt passen würde. Er schluckte diesen Gedanken jedoch schnell herunter. Er sollte dies als Chance sehen, um endlich die Welt zu sehen, die er all die Jahre endlich kennen lernen wollte. Er würde frei von den Pflichten als Thronfolger sein, frei von den Erwartungen des Volkes, seiner Eltern, und er würde etwas Gutes für die Magier dieser Welt tun. Dann würde er auch Alec ertragen können, zumindest hoffte er das, oder zumindest war es das, was er sich einreden wollte.
Schließlich legte er das Lesezeichen zurück in das Buch, und klappte dies zu, ehe er Lumeia ein schüchternes Lächeln schenkte. "Ich.. denke ich werde langsam meine Sachen packen." sagte er schließlich zu Lumeia, und wandte sich ab. "Und danke für das Gespräch.. oder so." murmelte er noch anschließend, ohne sie dabei anzusehen.

Lumeia blickte ihm zunächst schmunzelnd nach. Glenn hatte sich wirklich kaum verändert, ein Umstand der sie durchaus beruhigte. Sie hoffte nur, dass diese Reise ihm nicht zu sehr zusetzen würde. Er war für sie schon immer wie ein kleiner Bruder gewesen, schon damals hatte sie ihn immer beschützt, wenn die anderen Jungs wieder ihre Raufereien hatten. Wahrscheinlich würde es jetzt auch weiterhin so abgehen. Schließlich entschloss sie sich, ebenfalls in ihr Zimmer zurück zu kehren. Wer wusste, wann sie wieder in einem Bett schlafen konnten... Es graute sie schon davor, wieder hinaus in die Kälte treten zu müssen.

---------------

Am nächsten morgen hatte sich die Gruppe, wie besprochen, in der Empfangshalle versammelt um zu beratschlagen, wie sie weiter vorgehen sollte. Caleb war sofort die Anspannung zwischen den beiden Prinzen aufgefallen, die nachwievor bestand. Insgeheim hoffte er, dass sie sich wenigstens zusammenreißen konnten... Na ja, beim Feuerprinzen brauchte er sich was das anging wohl keine Sorgen zu machen. Beim Wasserprinzen jedoch, war er sich nicht sicher. Er wirkte nicht wie ein Krieger und selbst als Magier schien er kaum Kampferfahrung zu haben.
Nun gut, vielleicht täuschte er sich ja auch. Rhea schien kein Problem damit zu haben und bisher waren ihre Entscheidungen nur selten falsch gewesen. Wenn überhaupt. "Also, wie sieht der weitere Plan aus?", fragte er schließlich, eher an Rhea als an den Rest gerichtet.

Rhea wollte gerade etwas erwidern, ehe sie auf einmal das Klackern von hohen Schuhen vernahm, und sich die anmutige Gestalt der Königin zu ihnen gesellte. "Wenn ich einen Vorschlag machen darf?" fragte sie lächelnd, und entschuldigte sich mit ihren Blick, sich in das Gespräch eingemischt zu haben. Rhea war ein wenig verwirrt, stimmte dem aber zögerlich zu. Sie war noch immer nicht wirklich gut im Sozialisieren, und die Königin dieses Reiches hatte etwas an sich, was sie noch unsicherer machte, als das sie bei sowas sowieso war.
"Wie wäre es damit, wenn ihr einen der unzähligen Tempel dieses Reiches aufsucht? In der Nähe ist der wahrscheinlich Größte dieses Landes, und ich bin sicher, er würde garantiert einige hilfreiche Informationen für euch bereit halten."
Rhea nickte, und verstand. Die alten Legenden über die Götter, der Entstehung dieser Welt und der Magie waren im Wasserreich immer am Präsentesten gewesen - in ihren unzähligen Tempeln hatten sie all diese verewigt und in Ehren gehalten. Das wäre vielleicht für Caleb eine gute Möglichkeit, um die andere Seite der Medaille kennen zu lernen - die selbst ihr all die Jahre verwehrt gewesen blieb, bis sie schließlich auf Ares traf.
"Und danach werden wir uns diesen Kirchenturm vornehmen." erwiderte die Kriegerin schließlich, in einem Ton, der keine Widerworte zuließ. Sie wollte Ethan schaden, mit allem, das sie tat - und wenn dieser Turm das Einzige war, womit der Orden im Wasserreich Fuß fassen konnte, so würde das Oberhaupt diesen Verlust garantiert nicht so einfach wegstecken. Das schwor sie sich.
"Aber ziehen wir damit nicht noch mehr die Aufmerksamkeit der Kirche auf unser Reich?" zweifelte schließlich Glenn an.

"Nicht, wenn wir ihnen ein offensichtliches Zeichen hinterlassen, dass wir dafür verantwortlich waren", sagte Caleb nachdenklich. Der junge Prinz des Wasserreiches hatte schon Recht, andererseits galt das Wasserreich zu seiner Zeit als Ordensritter ohnehin schon zu dem gefährlichsten der vier Reiche. Am wenigsten Sorgen hatte man sich tatsächlich um das Feuerreich gemacht, weshalb man dort auch nur selten einen der großen Krieger des Ordens untergebracht hatte. Anders stand dies mit den großen Magiervölkern, wobei das Wasserreich allein schon durch seine Kultur und vor allem auch durch den Umstand, dass es sich hierbei um eine große Insel mit vielen kleineren Inseln handelte.
"Wir sind wahrscheinlich ohnehin bei der Kirche keine unbekannten mehr. Und mit einer solchen Aktion könnten wir ihnen mehr schaden, als es ihnen vielleicht lieb ist."

Die Mutter des Prinzen trat an seine Seite, und legte beruhigend ihre Hand auf seine Schulter. "Mach dir darüber keine Sorgen, Glenn." sagte sie und lächelte ihren Sohn an, welcher sie jedoch nur zweifelnd anblickte. "Wenn ihr meint..." murmelte er schließlich, und zuckte mit den Schultern. Er hatte noch immer keine Ahnung wer diese Leute sind, oder was sie wirklich planten. Verdammt, er hatte nicht einmal mehr die Ahnung, was er bei Ihnen sollte. Also hatte er keine andere Wahl, als sich ihnen anzuschließen und ihren Worten folge zu leisten. Immerhin war das der Wunsch seiner Mutter gewesen.
"Aber zuerst wirst du uns zum besagten Tempel führen." erinnerte ihn die schwarzhaarige Kriegerin, dessen Name wohl Rhea gewesen war. Sie hatte ihre Hand an ihrem Kinn gelegt und schien nachzudenken - trotzdem, dieser selbstverständliche Befehlston gefiel ihm nicht, doch widersprach er nicht.
"Von mir aus..." erwiderte Glenn und sein Gesichtsausdruck ließ ihn den Unmut verraten, den er in diesen Moment gespürt hatte.
Der junge Prinz schielte zu den anderen beiden Monarchen, welche beide ein wenig abseits standen. Seid sie sich hier versammelt hatten, hatte Alec nicht ein Einziges Wort gesagt. Dieser Mann schien abwesend, gleichgültig, ignoranter als sonst - etwas, was Glenn wütend machte und ihn mit Hass erfüllte. Doch sagte er nichts, auch wenn ihn so einige Dinge durch den Kopf rasten, mit dem er den Prinzen zum Reden bringen konnte.

Der Hass in Glenns Augen beunruhigte Lumeia, auch wenn sie es sich nicht anmerken ließ. Da war sie wieder, diese Anspannung, die seit Liams Tod jederzeit geherrscht hatte, wenn diese beiden jungen Männer sich trafen. Sie hasste diese Situationen, wusste dann nie, wie sie reagieren sollte. Von Alecs Seite wollte sie nicht weichen, aus Angst, dass er sich wieder selbst verlieren würde. Auch wenn gerade sein Zustand ihr besonders große Sorgen bereitete. Die ganze Reise über hatte er kaum etwas gesagt, aber jetzt seit sie Glenn getroffen hatten, hatte er sich wieder komplett verschlossen. Selbst ihr gegenüber.
Ihr Blick wanderte schließlich zu Rhea, die immer noch am Grübeln war. Vermutlich über die Dinge, die sie erwarten würden. "Vielleicht sollten wir langsam aufbrechen, bevor wir den ganzen Tag mit Überlegungen verbringen.", schlug sie schließlich vor. Ein wenig unsicher, auch bedingt durch die Anspannung, die in der Luft zwischen den Jungs hing. Aber sie wollte einfach nur weg von hier, hoffte, dass sich alles wieder lösen würde.

"Du hast Recht." erwiderte Rhea, ehe sie sich an den blauhaarigen Prinzen wandte. "Wie kommt man von hier am Schnellsten zu diesem Tempel?" Sie musste sichergehen, welcher Tempel es war - oder ob es gerade dieser Tempel war, den sie befürchtet hatte.
"Nun.." Glenn zögerte kurz, als würde er überlegen müssen. "Der schnellste und sicherste Weg würde wohl durch ein Dorf, ganz in der Nähe von hier, führen.. Der Tempel liegt nicht weit von dort."
Natürlich. Es gab nur einen Tempel, der so massiv und riesig war, wie der der Ceres - der Tempel, welche laut Aussagen ihrer eigenen Mutter von ihren Vorfahren erbaut wurden war und ein heiliges Gut des Wasserreichs darstellte. Der Tempel, in welchen Rhea selbst sich nie gewagt hatte einen Fuß zu setzen, aufgrund ihres Vaters. Der Tempel, der in der Nähe ihres Geburtsortes, ihrer Heimat gelegen hatte - und der Tempel, den sie jetzt aufsuchen sollten.
"Wir werden dort nicht lang gehen." erwiderte sie schließlich finster. Keiner außer Caleb wusste, wie alt sie wirklich war, und keiner von Ihnen sollte es auch je erfahren. Wenn sie einen Fuß in dieses Dorf setzen würde, war die Gefahr groß, erkannt zu werden; wobei das nicht mal das war, wovor Rhea sich wirklich fürchtete. Sie hatte Angst, bekannte Gesichter zu sehen. Vor deren Reaktionen. Vor deren Spott, weil Rhea sich vor so vielen Jahren gegen sie gestellt hatte und nun aus der Hölle zurückgekehrt war.
"Aber alles andere wäre ein gewaltiger Umweg!" protestierte Glenn, und der Blick der Kriegerin verfinsterte sich. An diesen Ort war ihre Mutter begraben gewesen. Sie hatte nicht ein einziges Mal ihr Grab besucht.
"Ich hab gesagt, das wir da nicht lang gehen, okay?!" fuhr sie den Prinzen schließlich an, welcher eingeschüchtert zurückwich. Rhea bemerkte ihre Reaktion sogleich, doch konnte sie Glenn nicht in die Augen gucken.
"Kein Grund mich gleich so anzufahren..." murmelte der Prinz schließlich nur, doch Rhea hatte sich bereits abgewandt.
"Wir brechen auf." sagte sie schließlich, während sie versuchte die aufkommenden Schuldgefühle ihrer Heimat gegenüber zu unterdrücken.

Caleb seufzte kaum merkbar. "Sie meint es nicht so", sagte er an den jungen Wasserprinzen gewandt, ehe ihr folgte. Er vermutete, dass sie dieses Dorf kannte. Jetzt, da er ihre Geschichte kannte, leuchteten ihm solche Gedanken auch ein. Das Wasserreich an sich war für sie schon riskant, schon allein weil sie für sie bekannte Orte aufsuchen könnten. Vermutlich handelte es sich bei diesem Dorf um einen solchen Ort. Also war es besser, wenn sie ihn umgingen.
Als er mit Rhea auf einer Höhe war, senkte er seine Stimme so sehr, dass die anderen ihn nicht hören konnten. "Ich nehme an, du kennst den Ort, von dem er sprach." Es war keine Frage, mehr eine Feststellung. "Aber meinst du es ist eine gute Idee, deshalb einen Umweg einzugehen? Wir wissen nicht, wann Ethan hier auftauchen wird."
Im Hintergrund hörte er, wie die Windprinzessin beruhigend auf den Wasserprinzen einredete, ohne ihre genauen Worte zu vernehmen. Er wünschte sich fast, dass sie doch nur zu zweit wären. Der Prinz wirkte viel zu jung und sensibel. Diese Reise könnte ihn stärken, aber ebenso zerbrechen. Still hoffte er, dass ersteres der Fall sein würde.

Natürlich würde Caleb es wissen. Er kannte ihre Geschichte, und es war nicht schwierig, eins und eins zusammenzuzählen. "Ich bin dort aufgewachsen." sprach sie schließlich ebenso leise, und hoffte, das Caleb verstehen würde, wieso sie unter allen Umständen dieses Dorf meiden wollte. Sie war ohnehin viel zu sensibel und weich geworden, da wollte sie sich das unter keinen Umständen antun. Auch wenn sie den Wasserprinzen wohl verstört hatte - dieser Junge würde eh nicht lange mithalten, da war sie sich schon fast sicher. Er war weich. Weich und unwissend, und so eine Reise konnte solch eine Persönlichkeit brechen, viel schneller, als das man eigentlich vermuten konnte. Wobei das sie sowieso nicht kümmerte.

-------

Alec hatte nichts gesagt. Er hatte geschwiegen, all die Zeit über. Viel zu sehr litt er unter die Anwesenheit Glenns, und darunter, wie ähnlich er ihm doch geworden war. Er konnte nicht anders, als bei allem, was der junge Prinz tat, ihn darin zu erkennen. Wenn er sich unsicher war. Wenn er wütend war. Und vor allem, wenn er lächelte. Sein Lächeln war dem seinem so ähnlich gewesen, das es weh tat, ihn fertig machte. Und doch. Er musste sich zusammenreißen, würde sich daran gewöhnen, ganz gewiss - zumindest war es das, was der Prinz sich sehnlichst wünschte.

Er nickte knapp. "Das habe ich mir gedacht", sagte er knapp. "Und es würde uns vermutlich nur noch mehr Zeit kosten, wenn dich jemand erkennen würde." Ganz zu schweigen davon, dass sie sie vielleicht sogar lynchen würden. Hier sah man Verräter bestimmt nicht gerne. Und das würde ein vorschnelles Ende ihrer Reise bedeuten, noch ehe sie ihrem Ziel überhaupt nahe genug gekommen waren. Nun gut, er würde sowieso Rhea beschützen, sollte es so weit kommen. Egal was passierte. Deshalb konnte, nein wollte er nicht von ihrer Seite weichen.

-----------------

Als sie die weiten Schneelandschaften erreicht hatten, ließ Lumeia sich wieder auf eine Höhe zu Alec zurück fallen. Für einen Moment hob sie zum sprechen an, entschied sich aber doch dagegen. Er würde ihr sowieso nicht antworten, nicht wenn sie ihn fragen würde. Aber die Tatsache, dass er sich so extrem verschlossen hatte, besorgte sie. Ebenso die ganze Situation. Sie wollte nicht von seiner Seite weichen, aber sie wollte auch Glenn nicht allzu sehr ausschließen. Es war einfach zum verrückt werden! Männer! Sie hatte sie noch nie wirklich verstanden. Obwohl sie als Kind mehr mit Jungs als mit Mädchen zu tun hatte, nicht zuletzt weil es neben ihr nur noch eine Prinzessin bei den vier Reichen gab. Und die hatte nie Interesse an großem Kontakt zu ihnen gehabt.
Sie blickte in den Himmel, betrachtete die kleinen Flocken, die auf sie herabrieselten. Es war nur ein leichter Schneefall, nicht erwähnenswert. "Was meinst du, wie der Tempel wohl ist?", fragte sie schließlich. Sie wollte ihn aus der Reserve locken, wenigstens ein paar Worte von ihm hören. Und wenn es nur über irgendwelche sinnlosen Themen war.

Rhea warf Caleb einen kurzen Blick zu, welcher jedoch ungewohnt verzweifelt und unsicher war, ehe sie sich abwandte und ihren Schritt beschleunigte. Sie hatte ihm zuviel Schwäche gezeigt. Viel zu viel. Auch wenn sie ihm vertraut hatte - sie fürchtete sich noch immer davor, was passieren würde, wenn sie den ehemaligen Ordensritter allzu nah an sich ran lassen würde. Auch wenn es irgendwo das gewesen war, wonach sie sich sehnte - seine Nähe und Anwesenheit, doch diese Sehnsucht ängstigte sie. Sie wollte stark sein. Nicht schwach und gebrechlich und so voller Zweifel, wobei es genau das war, was Rhea schon immer gewesen war. Sie wollte sich nicht auf jemanden verlassen. Und sie wollte auch nicht, das sich jemand auf sie verließ. So würde keiner verletzt werden, und sie konnten am Ende wieder getrennte Wege gehen, ohne irgendeine große Bedeutung im Leben des jeweils anderen gespielt zu haben. Und Rhea konnte ihren ursprünglichen Plan verfolgen, ohne Angst zu haben, irgendwas zurück lassen zu müssen.

----------
Alec blickte auf, die fallenden Schneeflocken beobachtend. Er war froh darüber, das Lumeia hier war. Sie hatte die Befürchtung gehabt, nutzlos für diese Reise zu sein, doch war sie die Gnade für ihn - diejenige, die seine Strafe, welche einige Meter vor ihm lief und den Kopf gesenkt hatte, erträglicher machte. Er lächelte sie schließlich an, so gut wie er ein Lächeln eben aufsetzen konnte in diesen Moment. "Wer weiß? Ich hab zwar einige Bücher über die Kultur hierzulande gelesen gehabt, aber wirklich was drunter vorstellen kann ich mir selbst nicht." antwortete er schließlich und war selbst erstaunt darüber, dass er so gelassen und ruhig klang. Wahrscheinlich hatte er diese Rolle viel zu lange und viel zu gut gespielt gehabt.

Caleb blickte Rhea nach und kratzte sich am Kopf. Hatte er etwas Falsches gesagt? Oder war er zu forsch gewesen? Er hatte die Verzweiflung in ihren Augen gesehen, ein Blick, den er von ihr so nicht kannte. Dennoch entschied er sich, sie nicht darauf anzusprechen. Sie wollte lieber alleine sein und das würde er akzeptieren. Irgendwann würde sie sich ihm vielleicht anvertrauen.

-------------

Innerlich fiel ihr ein Stein vom Herzen. Hatte sie sich nur eingebildet, dass es ihm schlecht ging? Er wirkte momentan so normal, als wäre nichts gewesen. Und dennoch sagte ihre innere Stimme, dass sie ihn jetzt besser nicht seinen Gedanken nachhängen lassen sollte. Bevor er sich wieder komplett verschloss. "Da weißt du zumindest mehr als ich", sagte sie und lachte dabei leise. "Aber ich würde lügen, würde ich sagen, dass ich nicht gespannt darauf bin, was uns erwartet." Natürlich, sie war nicht so gebildet wie ihre beiden Kindheitsfreunde, hatte sich auch nie allzu viel aus Büchern gemacht, die sich mit Kultur und dergleichen befassten. Aber Interesse war schon immer da gewesen und sie mochte auch den spirituellen Ort in ihrer Heimat, auch wenn sie diesen nur sehr selten besucht hatte. Er war mit Sicherheit nicht so auffällig und majestätisch wie der des Wasserreiches, ihr Volk hatte sich trotz all der Zugehörigkeit zur Magie nicht viel aus solchem Tand gemacht, aber die Magie war dort immer stark gewesen. Selbst Leuten mit schwachen Kräften waren dort so schwierige Zauber wie Blitze gelungen. Ihr Herz wurde mit einem Mal schwer, als ihr der Gedanke kam, dass sie diesen Ort wohl nicht mehr wiedersehen wird. Wahrscheinlich war er bereits ebenso zerstört, wie all die anderen magischen Orte in ihrer Heimat.

Dank des Umweges, den Rhea eingeschlagen hatte, dauerte es einen Tagesmarsch, ehe sie sich schließlich vor dem besagten Tempel vorfanden.
Glenn war jedes Mal sprachlos, wenn er diesen Ort aufsuchte - es war nicht das Erste mal, doch dieser Ort war so voller Magie, so heilig, das es ihn jedes Mal Gänsehaut bereitet hatte. Er hatte sich den Rest des Weges jedoch eher unabhängig von den anderen gehalten - diese Rhea machte ihm irgendwo Angst, mit Lumeia konnte er nicht reden, weil sie bei dem Mörder gehangen hatte. Zudem Glenn sowieso nicht wirklich wusste, wie er auf einen der anderen beiden hätte zugehen sollen. Also war er für sich gelaufen, und war in seinem Kopf all die Dinge durchgegangen, die er über die alte Geschichte wusste. Was Glenn auch gewundert hatte war, das Rhea die Führung übernahm - dafür, dass sie erst von ihm verlangt hatte, sie hier her zubringen, schien sie sich aber besonders gut hier aus zu kennen.
Die Kriegerin stand vor dem Eingang dieses heiligen Ortes, und nachdem sie eine Weile mit dem Rücken zu Ihnen gestanden und geschwiegen hatte, hatte sie sich zu ihnen umgedreht. "Also dann." sagte sie schließlich, und betrat den Tempel, was ihnen deuten sollte ihr zu folgen.

Der Tempel war ein grandioses Meisterwerk, errichtet aus blau schimmernden Steinen, umhüllt von Eis welches in den vielen Farben des Wassers leuchtete und mehreren Wasserläufen, die trotz all der Kälte nicht zu frieren schienen. Überall waren Reliefs angebracht, verschiedene Muster, teilweise magische Schutzzeichen, teilweise auch einfach nur schöne Symbole. An manchen Stellen plätscherte Wasser sanft aus den Wänden, nur um sich den beiden Wasserströmen zu sammeln, die den Weg einrahmten.
Im ganzen Tempel gab es nicht eine einzige Fackel und dennoch war es nicht dunkel darin, da das Eis so hell leuchtete.
Erneut war Caleb fasziniert von der Machart des Tempels, wenngleich sich in seinem Inneren etwas dagegen sträubte, ihn als "schön" zu empfinden. Vielmehr war er für ihn interessant. All die Magie, die auch hier wieder eingeflossen war. Er wusste nicht, was er davon halten sollte. All die Zeit hatte er geglaubt, Magie sei etwas böses, erschaffen vom Teufel, der in der Hölle ruhte. Doch bereits nach seiner Versetzung ins Windreich war dieses Denken ins Wanken geraten. Und hier, das Wasserreich das noch offener mit seinen magischen Fähigkeiten umging, stellte er erneut Ethans Denken in Frage.
Es war nicht so, dass die Magie nur schlecht war, das hatte er spätestens dann begriffen, als das Prinzesschen zum ersten Mal ihre Heilfähigkeiten offenbart hatte.
Es dauerte nicht lange, bis sie schließlich den Hauptsaal des Tempels erreicht hatten. Ein weiter Raum, ebenso gefüllt von Eis und Wasser, wie der Rest des Tempels - nur leuchtete er scheinbar noch heller. Die Zeichen an den Wänden waren hier noch gewaltiger und auffälliger, als im restlichen Teil des Gebäudes und selbst er, der noch nie auch nur eine Zauberfähigkeit besessen hatte, konnte spüren wie mächtig die Magie an diesem Ort war.

Auch Rhea konnte nicht anders, als sich der stillen Faszination die dieser Ort ausstrahlte, hinzugeben. Die Magie, die dieser Ort ausstrahlte, drang sich durch jede Faser ihres Körpers, ließen sie lebendig fühlen, mächtig.
Sie trat näher an die eisblauen Wände, welche mit verschiedenen Zeichen versehen war, welche Rhea jedoch nicht entziffern konnte. Sie wusste, dass diese wohl zu einer altertümlichen, längst ausgestorbenen Sprache gehörten; die Sprache, welche auch normalerweise von Nöten gewesen war, um die sagenumwobene Blutmagie zu wirken, welche Rhea seltsamerweise nach den Pakt mit Ares erlernt hatte, zumindest einen Teil davon.
Der Wasserprinz schien ihren Blick bemerkt zu hatten, denn er stellte sich sogleich neben sie und lächelte sie schüchtern, wenn nicht gar ein wenig ehrfürchtig, an. "Das ist die alte Sprache der Götter." erklärte er, und Rhea erinnerte sich, so etwas bereits gehört zu haben. "Sie wird heutzutage nur noch den wenigsten gelehrt - dabei wird mit ihr gerade hier die Geschichte dieser Welt erzählt, wenn ich das richtig entziffere..." fuhr der junge Mann fort und schien eher mit sich selbst zu sprechen als mit ihr. "Du kannst das lesen?" fragte sie ihn. Er kratzte sich verlegen am Kopf. "Können ist übertrieben.. aber ich bin dabei, mir das selbst beizubringen, ja."

Die Magie war mächtig an diesem Ort, das hatte Lumeia direkt gespürt. Dies war ohne Zweifel ein Ort, an dem sich die Magie sammelte. Die Magie des Wassers, die sich durch das Meer und die Flüsse auf der ganzen Welt verteilte. Eine Magie, die ihrer so Fremd und doch auf irgendeine Art ähnlich war. Sie schloss die Augen, versuchte im magischen Fluss zu lesen, allerdings blieben ihr jegliche Informationen verwehrt. Zu fremd war die hier vorherrschende Magie des Wassers. Sie gehörte einem anderen Volk, einem Volk, dem Lumeia nicht entstammte. Dennoch berührte es ihr Herz irgendwo. Sie öffnete ihre Augen wieder und betrachtete die Wände, die vielen Zeichen von denen sie nur eine Handvoll erkennen konnte. In dieser Kammer eigentlich gar keine mehr. Auf dem Weg hierher hatte sie ein paar der Schutzzeichen wieder erkannt, da sie diese selbst gelernt hatte, auch wenn sie diese selbst nicht anwenden konnte.
Ihr Blick wanderte über jedes einzelne Zeichen und sie ärgerte sich ein wenig, dass sie ihr Magiestudium eingestaucht hatte, kaum dass die Probleme in ihrer Heimat begonnen hatten. Vielleicht wäre das der Schlüssel dazu gewesen, den Aufstand zu verhindern. Das Verschwinden der Magie zu verhindern. Sie merkte nicht, wie sie in stiller Wut ihre Hand zur Faust bildete.

-------------------

"Und wovon handelt die Geschichte?", fragte Caleb, der sich in der ihrer Nähe aufgehalten hatte. Er versuchte dabei desinteressiert zu klingen, ein Teil seines Stolzes der sich noch immer gegen all das stellte, wogegen die Kirche auch war. Dennoch ließ sich ein Hauch von Faszination bei ihm nicht verbergen.

Alec hielt sich nach wie vor eher abseits der Gruppe, wenngleich er selbst an den alten Legenden interessiert war. In seiner Heimat waren die Geschichten und Sagen um die alten Götter längst vergessen, weshalb es auch ein leichtes für die Kirche gewesen war, diese als Unheil und 'böse' darzustellen. Er selbst hatte sich nur minder dafür interessiert; er hatte nicht einmal wirklich die Zeit gehabt, sich da einzulesen, zudem all diese Lehren in seinem Kopf nur als kindischen Humbug abgestempelt waren. Daher war er um so interessierter, die angebliche 'Wahrheit' kennen zu lernen, oder eben das, was das Volk hier für die Wahrheit gehalten hatte.

------------

Nachdem Caleb die Frage an den jungen Prinzen gestellt hatte, hatte dieser auch sofort mit der Erzählung begonnen, welche er so gut es ging von den Schriften übersetzen konnte. Das die Welt durch einen Pakt der Götter geschlossen wurde, diese der Menschheit die Magie als Geschenk darboten,und sie jedoch immer verzweifelter über dessen Korruption geworden waren, bis sie sich schließlich gänzlich von den Menschen zurückgezogen hatten.
"Das ist aber nicht alles." sagte Glenn schließlich, nachdem er sich von den Schriften abgewandt hatte. "Die Geschichte geht noch weiter. Angeblich soll dort, wo nun die Hölle sein soll, ein weiteres, ein fünftes Reich gewesen sein.. irgendwie unsere frühere Hauptstadt oder so. Nur wurde die durch einen Fluch angeblich in den Abgrund getrieben und existiert nun als das, was wir als Hölle bezeichnen."
Rhea wusste, das diese Geschichte wahr gewesen war. Das die Kirche all die Magie der Welt gehortet hatte, nur um diesen mächtigen, grausamen Fluch zu wirken - welcher das Reich und all seine Bewohner zu Dämonen oder dämonenähnlichen Wesen machen sollte, für alle Ewigkeit der Verdammnis geweiht.
"Und der Tag, an dem sich eine Menge an dämonischer Energie an die Oberfläche sammelt und die Dämonen zu uns bringt, gilt angeblich als Jahrestag dieses Ereignisses." fügte Rhea hinzu und stemmte die Hände in die Hüfte.