Central Hell Goddess - NEW

Glenn sah verwirrt nach oben, als ihn plötzlich eine Stimme angesprochen hatte, die ihm noch nicht wirklich vertraut gewesen war. Ein wenig neben der Spur, weil er so urplötzlich aus den Gedanken gerissen wurde, schwieg er wenige Sekunden, Caleb perplex anstarrend, ehe er schließlich seine Stimme fand.
"Mindestens zwei Tage, wenn wir Glück haben." antwortete Glenn schließlich. Er hatte nicht damit gerechnet, das dieser Typ überhaupt mal mit ihm reden würde - Glenn wusste nicht Recht, was er von ihm halten soll. Er wirkte zwar nicht gruselig oder kalt wie diese Rhea, aber trotzdem...
Erneut schwieg der Prinz für einige Sekunden, da er sich nicht sicher war, ob und was er noch sagen sollte, bis ihm schließlich eine Frage einfiel, die ihn schon auf der Zunge brannte, seid dem er dieses Schiff betreten hatte.
"Habt ihr überhaupt einen Plan wie ihr das machen wollt?" fragte er mit einer gewissen Skepsis. Es gab keinerlei Gespräche, Beratungen oder sonst irgendwas von den Dingen, die man machen würde, bevor man so eine riesige Sache angehen würde. Nichts. Es wirkte auf Glenn eher so, als würden sie alle hoffen, das irgendeiner von denen einen einigermaßen guten Plan hat, und dann mitziehen. Das das nicht funktionieren würde sollte aber eigentlich klar sein, zumindest in Glenns Augen.

"Bisher war es immer Rhea, die mit einem Plan aufkam.", gestand Caleb und blickte kurz zu ihr herüber. Zugegeben, sie berieten sich meistens zu zweit darüber, sowohl Lumeia als auch Alec hatten sie meistens aus den Gesprächen heraus gehalten. Meist waren alle mit Rheas Plan einverstanden. "Allerdings weiß ich nicht, ob sie bisher eine Idee hat."
Er selbst zerbrach sich auch den Kopf darüber, nur ohne überhaupt zu wissen, wie der Turm aufgebaut war würde es schwierig werden. In Gedanken dachte er an die 'große Kirche' im Windreich, die er vielleicht ein, zwei Mal besucht hatte. Obwohl er der Zuständige dieses Gebietes war. Allerdings bezweifelte er, dass dieses Gebäude auch nur annähernd gleich aufgebaut war.
Er wandte sich um und lehnte sich mit dem Rücken an die Reling, die Arme vor der Brust verschränkt. "Es wird schwierig, ohne zu wissen wie dieser Turm überhaupt aufgebaut ist. Und genauso vorgehen wie in der Kleinstadt im Feuerreich können wir nicht."

"Oh, ich hab von der Geschichte gehört." murmelte er, konnte aber nicht das beunruhigende Gefühl unterdrücken, welches sich in seiner Brust breit machte. Sie hatten keinen Plan und nicht mal eine Ahnung, wie dieser besagte Turm aufgebaut war? Ja, wollten sie denn alle in den Tod laufen? Glenns Blick wanderte kurz zu Alec. Nicht, dass es ihm bei Alec was ausmachen würde. Aber dennoch - sein eigenes Leben war ihn sehr lieb und teuer, und im Gedanken überlegte er sich schon einen Plan zurecht, wie er entkommen konnte, ohne das es irgendjemanden auffallen würde. Aber alle Pläne, die er hatte, schienen schier unmöglich oder einfach komplett surreal.
"Trotzdem, meint ihr nicht das ihr dieser .. Rhea nicht ein wenig zu sehr vertraut? Und das ihr da ein weeeenig leichtsinnig seid?" fuhr er schließlich fort, sein Blick noch immer zweifelnd.

"Leichtsinnig? Vielleicht." Caleb lächelte bei den Worten. Erneut dachte er an den Tag, als er ihr zum ersten Mal begegnet war. Das blutverschmierte Feld, die toten Ordensritter. Und Geralt, den er eigenständig getötet hatte. Ihr Angebot, sie zu begleiten. "Aber ich weiß, dass sie es schaffen kann. Schaffen wird." Er blickte zur Windprinzessin und nickte kurz in ihre Richtung. "Sie hier wäre ohne Rhea beispielsweise möglicherweise auch nicht hier. Gleiches gilt für mich." Obwohl er wusste, dass sie alle für Rhea nur ein Werkzeug waren - das war ihnen allen bewusst. Er vertraute ihr.
Schließlich seufzte sie. "Aber in einer Hinsicht hast du Recht. Wir brauchen einen guten Plan, sonst endet es hier. Nicht zuletzt, weil wir vermutlich wieder auf Siren treffen werden."
Der Gedanke daran verursachte in seinem Inneren Übelkeit. Zwar hatte er diese Frau einst geliebt, aber so wie sie sich verändert hatte, dieser Hass in ihren Augen. Und diese Kraft, die sie entwickelt hatte... Vermutlich würde alles davon abhängen, wie gut sie gegen sie antreten konnten. Alles weitere ließe sich vielleicht auch improvisieren, wenn sie nicht überrannt wurden. Wobei er bezweifelte, dass allzu viele Ordenskrieger dort sein konnten. Zwar hatten sie in den letzten Jahren einen sehr großen Zulauf an Leuten gehabt, aber wenn man bedachte dass sie alle auf vier Reiche sowie das Zentrum verteilt waren... Dennoch konnte man nicht allzu vorsichtig sein.

Glenn sah Caleb an, als hätte dieser komplett den Verstand verloren. War er wahnsinnig, blind oder einfach nur dumm? Er konnte es zu diesen Zeitpunkt nicht sagen, und er war sich nicht mal sicher, ob er das überhaupt wollte. Fakt war, das Glenn garantiert nicht so leichtsinnig mit seinem Leben umgehen wollte.
"Zudem" sagte er, den letzten Satz des rothaarigen ignorierend. "Woher willst du wissen, ob sie überhaupt einen Plan hat? Derzeit sieht sie eher aus wie eine armselige Seekranke, als die Anführerin einer Rebellion."

"Vielleicht hat sie auch keinen", gab er zu und ballte dabei die Faust. "Dann werden wir uns eben etwas einfallen lassen." Nun sah auch Caleb erneut zu Rhea und unterdrückte erneut den Drang, zu ihr zu gehen. Sobald sie an Land waren wäre auch sie in der Lage, über einen Plan zu beraten. Vermutlich würde das eine Aktion über mehrere Tage werden, aber darauf mussten sie sich nun Mal anstellen.
Er verschränkte die Arme hinter dem Kopf. "Noch ist ein wenig Zeit um sich Gedanken darüber zu machen, wie wir vorgehen." Er blickte zu Glenn. "Und wenn du einen Einfall hast, lass es uns ruhig wissen."

Glenn seufzte schwer. "Weißt du, den einzigen Plan den ich derzeit habe ist wie ich am ehesten von hier verschwinden kann." murmelte er, dann sah er erneut zu Caleb. "Außerdem, was ist so schwer daran sich einfach mal an einem Tisch zu setzen und sich zusammen was zu überlegen? Wir fahren mindestens zwei Tage, und ich dachte ihr wärt alle einigermaßen Erwachsene Menschen..."
...oder er hatte Recht und seine Mutter hatte ihn doch auf eine Gruppe von Selbstmordgefährdeten losgelassen. fügte er still in seinen Gedanken hinzu und kam nicht drumherum sich ein wenig nach Zuhause zu sehnen. 
Erneut zweifelte er. Das war gewiss nicht das richtige, nicht für jemanden wie ihn. Es beschäftigte ihn. So sehr, dass ihn das gewiss bis in die Nacht verfolgen würde, dem war er sich sicher. Er war wirklich viel zu ängstlich gewesen.

Caleb konnte nicht anders als zu seufzen. Der Junge hatte Recht, als Gruppe funktionierten sie wirklich nicht so, wie man es sich vorstellen sollte. Sein Blick wanderte von einem Mitglied von ihnen zum nächsten. "'Erwachsene Menschen' hu...?", sagte er und senkte den Blick schließlich. "Vielleicht bist in Wahrheit ja gerade du der Erwachsenste von uns", sagte er murmelnd.
Dennoch, auch wenn er Recht mit seiner Aussage hatte. Wie sollten sie es schaffen, diese Gruppe ordentlich an einen Tisch zu bekommen? Mit dem Feuerprinzen zu reden lag ihm nicht, das hatte er nun schon mehrmals versucht. Wenigstens mit den beiden Frauen konnte man sich halbwegs unterhalten, zumindest solange Rhea nicht über der Reling hang. Er seufzte. Ihm blieb wohl nichts anderes übrig als zumindest zu versuchen, die Gruppe zusammen zu bringen.
Also löste er sich wieder vom jungen Wasserprinzen und trat an Rheas Seite. "Wenn du dich fit genug fühlst, sollten wir vielleicht schauen, dass wir die Gruppe zusammen bekommen und uns einen Plan überlegen."

Rhea sah auf und ließ die Reling los, als Caleb sie angesprochen hatte. Nur kurz hatte sie ihn in die Augen gesehen, was aber schon für sie reichte, um sie erneut zu verwirren und aus der Fassung zu bringen. Rasch wandte sie ihren Blick ab. War das so offensichtlich, dass selbst sie keine Ahnung hatte?
Schließlich nickte sie. "Du hast Recht." sagte sie schließlich. Sie musste ihre Seekrankheit ignorieren, so gut es ging. Es ging hier um was Ernstes. Das wusste sie.
"Hol du den Wasserprinzen. Ich kümmere mich um die andren beiden."
Mit diesen Worten hatte sie sich von Caleb abgewandt, wobei es ihr selbst irgendwie in der Seele weh tat, so kalt zu ihm zu sein. Aber sie wusste nicht, was sie sonst machen sollte.
Also suchte sie zuerst Alec auf, welcher noch immer am Bug stand und den fallenden Schnee betrachtete. Rhea war übel, bei jedem Schritt den sie tat, bei jedem schaukeln, doch versuchte sie, das zu ignorieren so gut es ging.
"Ich erwarte euch gleich drinnen. Es gibt was zu besprechen." sagte sie schließlich, und der Prinz des Feuers nickte. "Wird wohl langsam Zeit, dass wir uns Gedanken machen." antwortete er feststellend, ehe Rhea nach drinnen verschwand und Lumeia aufsuchte, welche sich zurückgezogen hatte.
"Hey." sprach sie sie schließlich an, unsicher, wie sie mit ihr umgehen sollte. 
"...Wir sollten uns langsam mal Gedanken machen, wie wir die Sache angehen wollen. Wäre gut, wenn du auch dabei wärst." murmelte sie, und vermied es genauso, ihr in die Augen zu sehen. Sie hatte Mitleid für sie entwickelt, aus der irgendwie unbemerkt Sympathie wurde. Etwas, was ihr ebenso sehr im Weg stand wie das, was sie für Caleb empfand. Dennoch. Es gelang ihr nicht, kalt und abwesend zu der Prinzessin zu sein - viel zu gebrechlich war sie an jenem Tag gewesen, und das hatte die Kriegerin viel zu sehr an ihr vergangenes Ich erinnert. Das ebenso hoffnungslos, zerbrechlich war.

Caleb sah die Erleichterung in den Augen des Wasserprinzen, als er ihm Bescheid gab, dass sie sich zur Besprechung des Planes versammeln sollten. Zwar merkte er ihm den Unmut über die Gesamtsituation an, aber immerhin würden sie nicht planlos vorgehen. Auch wenn dennoch eine seltsam gedrückte Stimmung herrschte, als sich die Gruppe in der Kammer unter Deck versammelt hatte. Schnell hatten sie die Insel und den Turm nachgestellt um zu beratschlagen, wie sie vorgehen würden.
Ihr primäres Ziel dieser Mission würde sein, den Fluss der Magie wieder herzustellen, also den Raum zu finden, in dem die Magie gespeichert wurde. Gleichzeitig würden sie aber auch Ausschau nach der Waffenkammer halten, da Rheas Kräfte nicht dafür ausreichen würden, den kompletten Turm zu zerstören. Gegebenenfalls würden sie sich dafür jedoch trennen müssen, was sie möglichst vermeiden wollten. Nicht zuletzt, weil sie davon ausgehen mussten, dass Siren sie erwarten würde. Generell würden sie zumindest anfangs eher vorsichtig und versteckt vorgehen. So zumindest der Plan.
Obwohl Caleb wusste, dass es sehr feige war, sich bei Nacht irgendwo einzuschleichen, so wusste er, dass sie in diesem Fall keine andere Möglichkeit hatten. Nicht gegen diese Übermacht, die sie voraussichtlich erwarten würde.

Die kommenden Tage waren ruhig und ereignislos gewesen, während die Gruppe das eiskalte Meer überquert hatten. Sie hatten Glück und wurden von Stürmen oder anderem Unwetter verschont, wobei Rhea sich innerlich einen herbei gewünscht hatte, um ihre Ankunft besser vertuschen zu können.

Es war schließlich gerade die Nacht eingebrochen, als sie von weiten einen gigantischen Kirchturm ausmachen konnte, welcher vom Nebel ein wenig verdeckt wurde und etwas unheilvolles, mysteriöses ausstrahlte.
Auch Glenn schien diese magische Präsenz gemerkt zu haben, denn er hatte sich wohl unbemerkt fest an der Reling gekrallt und hielt vor Ehrfurcht und Aufregung den Atem an - Rhea bereitete der Junge noch immer Sorgen, doch sie versuchte sich darauf zu berufen, das es ein Opfer war, was sie im Schlimmsten Fall bringen musste, wenn es sich nicht verhindern ließe. Es würde sie nicht kümmern. Zumindest versuchte sie sich das einzureden.

Keine Wolke stand am Himmel und dennoch, der hängende Nebel kam Caleb nur gelegen. So könnten sie sich unbemerkt in die Nähe des Turmes schleichen. Zumindest hoffte er das. Ein Zurück gab es ohnehin nicht mehr, kaum dass das Schiff an einer steilen Klippe vor Anker gegangen war. Dort würde es für die nächsten Stunden gut versteckt sein, selbst wenn die Nacht vorbei war. Die Wand schien aus purem Eis zu bestehen, was es unmöglich machte sie zu erklettern. Lediglich ein schmaler Pfad wandte sich um die Klippe herum. Sie würden wie auf dem Präsentierteller aussehen, kam ihm in den Sinn, aber er wusste, dass das wohl der beste Weg war. Alle anderen Seiten der Insel waren flach, soweit er gesehen hatte, oder von Schiffen des Ordens besetzt.
Wie abgesprochen war Rhea die Vorhut, während Caleb als letzter das Schiff verließ. Der Boden des schmalen Pfades war durch die Gischt und das Eis glitschig, weshalb sie nur ganz langsam voran kamen. Dennoch blieb ihnen das Glück treu, als sie letztlich festen Boden unter den Füßen hatten. Eine Wolke hatte sich vor den Mond geschoben, was zusätzlich dafür sorgte, dass sie im Nebel vollkommen untergingen. Wenigstens dieses Mal würde alles gut gehen, so hoffte er zumindest.
Nur vorsichtig tasteten sie sich voran, Schritt für Schritt. Lauschten immer wieder in die Dunkelheit hinein, ob sich ihnen Schritte näherten - bis sie schließlich nur wenige Schritte von ihnen entfernt den Turm erblickten. Ein seltsames, fluoreszierendes Licht ging von ihm aus und wabberte im Gleichklang mit dem Nebel. Selbst Caleb, der mit Magie eigentlich nicht viel am Hut hatte, ja, sie sogar verachtete, konnte sie hier ganz deutlich spüren. Kein Zweifel, hier wurde die Magie des Wasserreiches gespeichert.

Rhea hatte einen Zauber wirken wollen, um sich und ihre Gefährten ein wenig unauffälliger zu machen, doch sie entschied sich dagegen. Obwohl dieser Ort von Magie nur so überflutet war, so konnte sie nicht mit hunderprozentiger Sicherheit sagen, dass es nicht auffallen würde - gerade Rheas Magie, welche so viel finsterer war, als das, was die normalen Menschen nutzen würden.
Die Gruppe tastete sich weiter voran. Sie mussten einen Eingang finden, unauffällig hinein gelangen, auch wenn sie jederzeit mit einem Hinterhalt rechnen mussten. Es wäre töricht, wenn sie nicht erwartet werden würden, gerade dann nicht, nachdem Rhea dieser Siren ja regelrecht gedroht hatte. Innerlich seufzte sie. Sie musste wirklich wahnsinnig geworden sein.
Der Wind peitschte ihr die Haare ins Gesicht, und versperrte ihr für einen Moment die Sicht. Sein Pfeifen würde ihre Schritte unauffälliger machen.

Schließlich war die Gruppe an die Hinterseite des Turmes gelangt. Ihr Plan war gewesen, eine Art Hintereingang zu finden, mit der sie sich mehr oder weniger unbemerkt hinein schleichen konnten. Frontal vom Haupteingang aus würde zuviel Aufsicht erregen, und sie würden schnell entdeckt werden. Nein, das konnten sie nicht riskieren. Das Kämpfen sollte vermieden werden, so gut es ging.

Wie mit klingen Schnitt der Wind in Calebs Gesicht, riss an seiner Kleidung und brannte sich selbst durch seine Haut. Trotz seiner Herkunft wurde ihm schlagartig kalt und je länger sie in der Nähe des Turmes blieben, desto schlimmer wurde es. Angespannt schritten sie weiter und im stillen fragte er sich, wie breit dieser Turm wohl war.
Und dann erblickten sie plötzlich kleine Fackeln im Dunkeln, gedämpft durch den dichten Nebel. Das Licht schimmerte bläulich, als würde es direkt vom Turm abgestoßen werden. Doch bei näherer Betrachtung erblickten sie eine Holztür mit einem festen Vorhängeschloss. Der Hintereingang. Er blickte sich um, hielt Ausschau nach Wachen und war erstaunt, niemanden zu sehen. War das möglicherweise eine Falle?
Er blickte kurz zu Rhea, so wie er es mittlerweile immer tat, wenn er sich nicht sicher war. Eine neue Macke, die er wieder los werden musste, wie er sich immer wieder erinnerte.
"Das riecht eindeutig nach Falle", flüsterte er und sprach damit das aus, was wohl alle dachten.

Rhea nickte, ebenfalls zu Caleb blickend. Natürlich würden sie damit rechnen, das sie einen Hintereingang suchen würden oder... Rhea blickte sich um, ehe ihr Blick auf eines der Fenster fiel. "Fenster..." murmelte sie, und lief die Wand entlang, jedes einzelne Glas begutachtend. Die Räume schienen finster, leer - sie würden auf sie warten, und überraschen wollen, das war gewiss. 
Plötzlich hatte sie eine Idee. Sie näherte sich dem Prinz des Wassers, welcher ebenfalls zu überlegen schien, beugte sich zu ihm rüber, und flüsterte. "Frier das Fenster dort oben ein." Das war keine Frage, ein Befehl - für unnötige Anständigkeiten hatten sie einfach keine Zeit. Wenn ihr Plan also aufgehen würde...
Glenn schien verwirrt, doch nickte er stumm, wenngleich sie ihm ansehen konnte, das ihm ihr Ton nicht passte. Aber wahrscheinlich war ihm auch bewusst gewesen, wie wenig Zeit ihnen blieb, also tat er wie geheißen.
Rhea nickte zufrieden stellend, ehe sie ihren Blick auf Alec richtete. Dieser nickte lediglich. Er schien ihren Plan verstanden zu haben, denn er murmelte leise Worte und ließ eine kleine Flamme entstehen, welche er auf das zugefrorene Glas lenkte, welches sogleich zersprang. "Sehr gut." flüsterte sie schließlich.
"Caleb." sie wandte sich an den ehemaligen Ordensritter, der stumm zugesehen hatte, und stelle sich zu ihm. "Kannst du mich hochheben?" sprach sie leise.

Caleb tat wie geheißen und half ihr durch das Fenster einzudringen. Er ahnte, worauf sie hinaus wollte. Und sein Verdacht bestätigte sich auch kurze Zeit später. Ohne ein Geräusch von drinnen zu vernehmen, öffnete sich leise die Hintertür und Rhea winkte ihnen zu. Hastig beeilte sich die Gruppe, in den Turm hinein zu gelangen. Caleb selbst ignorierte dabei die beiden Toten, die hinter der Tür gelegen hatten. Gnadenlos von Rhea überrascht und erstochen. Wobei er selbst überrascht war, dass sie nur so wenige Leute dort platziert hatten.
Im inneren des Turmes war die Magie noch stärker, fühlte sich fast greifbar an. Und je weiter sie vordrangen, desto stärker wurde es. Nachdem sie den langen Gang durchschritten hatten, erreichten sie einen weiten Raum, in dem vereinzelt weitere der blauen fackeln brannten. Doch trotz all des Feuer blieb es kalt, eisig. Das war kein normales Feuer, es war magisch. Ob man es überhaupt Feuer nennen konnte? Das konnte er nicht sagen.
Ein einzelner Weg wandte sich entlang der Wand des runden Raumes direkt zur Spitze des Turmes. Vereinzelt konnte man Ordensritter leise flüstern oder Lachen hören, vermutlich befanden sich in der Richtung die Quartiere.
Da es jedoch der einzige Weg war, blieb ihnen nichts anderes übrig, also schlichen sie sich weiter voran. Erklommen den Turm, weiter und weiter. Wenn sich ihnen ein Ordensritter in den Weg stellte, wurde er binnen weniger Augenblicke von Caleb, Rhea und Alec ausgeschaltet. Die Magier bemühten sich, weitere Gegner auf Distanz zu halten.
Doch alles in allem verlief ihre Suche ruhig. Zu ruhig für Calebs Geschmack. Er konnte nicht vorstellen, dass ein Ort wie dieser kaum bis gar nicht bewacht wurde, im Gegenteil. Und er war sich sicher, dass die anderen ebenso empfanden.
Schließlich erreichten sie das oberste Stockwerk des Turmes. Vor ihnen erstreckte sich ein gewaltiges Portal, das mit vielen Symbolen verziert war. Sowohl Lumeia als auch Glenn bemerkten direkt, dass es sich hierbei um magische Symbole handelte, ein Zauber, dazu gewoben um etwas festzuhalten. Das war eindeutig der Ort, den sie gesucht hatten. Und er war unbewacht. Warum bemühten sie sich nicht einmal darum, ihre Fallen zu verbergen?
Nun gut, es half alles nichts. Sie mussten weiter, sonst lief ihnen die Zeit davon. Nach einem weiteren Blick ob ihnen wirklich niemand gefolgt war, öffneten sie schließlich das Portal.

Ein eisiger Wind schlug ihnen entgegen, kalte Schneeflocken gepaart mit eisigem Regen, der sich sofort im gesamten Treppenhaus verteilte. Der Raum leuchtete in einem grellen Blau, welches abwechselnd die Farbe kalten Eises und die Farbe des blauen Meeres annahm. Auf dem Boden hatte sich eine dicke Schneeschicht gebildet, obwohl der Raum keine Fenster besaß.
Bei genauerer Betrachtung erblickten sie im Zentrum des Raumes eine Maschine, aus deren Zentrum das seltsame Licht zu kommen schien. In schlieren zog sie den Schnee und das Wasser an, nur um es verschlingen oder weiter im Raum zu verbreiten. Der Sog war so gewaltig, dass sie selbst dagegen ankämpfen mussten, nicht von der Maschine eingezogen zu werden.

Das Geräusch klatschender Hände drang zu ihnen. "Nicht schlecht, ihr habt es tatsächlich hierher geschafft", Sirens Stimme hallte durch den kleinen Raum. Es klang fast so als wäre sie überall, obwohl man sie nicht sehen konnte. Nur einen Moment später schloss sich hinter ihnen das Portal mit einem lauten Knall.
Caleb unterdrückte einen Fluch. Dass es eine Falle war, war ja auch zu offensichtlich gewesen. Wollten sie sie hier festhalten?
"Schade, dabei hatte ich gehofft ihr würdet nicht so leicht in das offensichtliche laufen." Ihre Stimme wurde klarer, als wäre sie direkt in ihrer Nähe. Erst jetzt bemerkte Caleb, dass der Raum noch eine Etage hatte - und dort stand sie, blickte mit gehässigem Blick auf sie herab. Zu seiner Überraschung jedoch schien sie allein zu sein.

"Tse." Rhea spürte die Wut in ihr hoch kriechen, als sie die Frau mit dem blauen Haar erblickte. Natürlich hatte sie auf sie gewartet. Und natürlich sind sie in ihre Falle getappt.
Ein Grinsen huschte über die Lippen der Kämpferin, hasserfüllt und kampfbereit. "Ich hoffe, du hast Ethan meine Grüße ausgerichtet." rief sie schließlich spöttisch.

"Tut mir Leid, aber Lord Ethan hat keine Zeit für Schlampen wie dich!", mit diesen Worten sprang Siren von der Ballustrade herab, landete gefiederten Schrittes vor ihnen und ging direkt zum Angriff über. Ohne ihre Ordensritter schien sie zunächst ein schwacher Gegner zu sein, doch der Eindruck täuschte. Durch die Unmengen an Magie, die um sie herum verstreut lag, waren auch ihre Kräfte verstärkt. Mit spielerischer Leichtigkeit ließ sie das Eis ihrer Schwertspitze schmelzen oder gefrieren, je nachdem wie sie es benötigte. Manchmal ließ sie auch Eiszapfen erscheinen, meistens dann, wenn die Magier versuchten sie mit ihren Kräften fern zu halten. In diesen kurzen Augenblicken, in denen sie Unachtsam wirkte, versuchten derweil die drei Kämpfer sie zu attackieren.
Letzten Endes waren es vor allem Glenn und Rhea, die das Blatt zu ihren Gunsten drehen konnten. Mit ihrer ebenfalls auf Wasser basierenden Magie waren sie Siren ebenbürtig, ja sogar überlegen da sie zu zweit waren. Auch wenn sich der junge Prinz immer noch sehr zögernd und zurückhaltend verhielt, er wusste, dass er so handeln musste.
Letztlich war es einer seiner Eissplitter, die den Kampf schließlich für sie entscheiden sollten.
Ehe sie sich versehen hatten, hatte sich ein gewaltiger Splitter, mit dem Glenn eigentlich den Balkon zerstören wollte, in die Maschine im Zentrum gebohrt. Zunächst erklang ein leises Pfeifen, welches langsam zu einem lauten Dröhnen wurde. Gefolgt von dem Geräusch bröckelnder Steine und fallenden Staubes.
Siren starrte ungläubig zur Maschine und fluchte. Dann deutete sie mit ihrem Speer auf die Gruppe und schoss einige, eher mickrige, Eissplitter auf sie. "So leicht lasse ich euch nicht davon kommen! Ihr werdet hier und jetzt mit mir sterben!", brüllte sie, während die Wände zerbröselten.
Zur selben Zeit hatte die Gruppe versucht die Tür aufzustemmen, was ihnen schließlich auch gelungen war. Es war nicht nötig gewesen, nach Sprengstoff für den Turm zu suchen, wie sie soeben hatten feststellen können. Allein das Zerstören der Maschine hatte dafür ausgereicht, der Druck der angesammelten Magie war so groß, dass die eigentlich starken Mauern des Turmes dem nicht standhalten sollten.
Schnell hasteten sie die Stufen herunter, schlugen ihnen entgegen kommende Ordensritter beiseite, während der Turm nach und nach zerbröselte.
Sie waren gerade weit genug weg, als er schließlich endgültig zu Staub und Asche zerfiel. Ein letzter Blauer Schimmer erstrahlte am Himmel, sammelte sich und zerfiel in Form von leuchtenden Schneeflocken und Regentropfen auf den Boden herab. Wo es sich direkt wieder mit dem magischen Gefüge verband, dem es eigentlich angehörte.

Rhea spürte nur eine gewaltige, magische Druckwelle, welche durch ihren Körper drang, durch jede ihrer Sehnen floss, sich mit ihren Blut vermischte und ihr Übelkeit bereitete. Doch hatte sie keine Zeit, sich dem hinzugeben; im Gegenteil - sie mussten verschwinden, und zwar schnell.

Nachdem die Gruppe es aus dem ehemaligen Ordensturm geschafft hatten, war nur noch pure Erleichterung und Siegeswillen in ihren Gesichtern zu lesen. Selbst in Alecs Augen, welcher all die Zeit über emotionslos und reserviert wie immer gewesen war, konnte man so eine Mischung aus Faszination und Hoffnung glänzen sehen. Ihm waren all diese politischen Dinge nicht wirklich wichtig gewesen - an der Monarchie hing er nur wegen seines Vaters Willen, die Kirche interessierte ihn nicht und auch sein Volk war für ihn nur eine Gruppe aus bedeutungslosen, unwichtigen Menschen gewesen. 
Und trotzdem. Trotzdem stand er hier, mit einer Gruppe von Menschen, die unterschiedlicher nicht hätten sein können, und sah dem Verfall eines gigantischen Kirchturmes zu, welchen sie zusammen herbeigeführt haben. Die Welt war wirklich verrückt.
Selbst Glenn, welcher kein wirkliches Wort mit ihm gewechselt hatte, hatte erleichtert und irgendwie stolz geguckt. Als sich deren Blicke jedoch trafen, wich der Wasserprinz jedoch aus, was Alec auf eine merkwürdige Art und Weise sogar amüsierte.
"Wir haben's also tatsächlich geschafft." Rhea erhob als erste das Wort. Die Hände in den Hüften gestemmt und mit einem Lächeln auf den Lippen, welches selbstsicherer nicht hätte sein können. Alec schmunzelte leicht. "Scheint wohl so."

"Wenn das nicht Mal ein Zeichen an Ethan war", sagte Caleb voller Zuversicht, wenngleich er den Sturz des Turmes mit gemischten Gefühlen betrachtete. Der Anblick, wie sich die Magie wieder verteilte war schön, keine Frage. Und doch fühlte es sich für ihn seltsam an, sich solcher Dinge zu erfreuen. Er konnte nicht erklären warum, aber irgendetwas fühlte sich für ihn seltsam an. Er spürte eine plötzlich aufgekommene Stärke, die er nicht zuordnen konnte, deren Ursprung er nicht kannte. Und dann war da noch ein anderer Gedanke.
Er schaute zu den Trümmern. Es war schier unmöglich gewesen, dass Siren diesem Turm hatte entkommen können. Sie hatte mitten in der Explosion gestanden und war mit Sicherheit mit der Decke eingebrochen. Eigentlich hätte es ihm egal sein sollen. Aber es wäre eine Lüge, würde er behaupten, dass es ihm nicht doch irgendwo Leid tat. Für einen kurzen Augenblick schloss er die Augen. 'Ruhe in Frieden, Siren', dachte er still bei sich selbst.

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Lumeia stand ein wenig abseits und betrachtete das Schauspiel und die Freude der anderen mit einem sanften Lächeln. Langsam hatte sie sich wirklich an die Anwesenheit von ihnen gewöhnt, auch an Rhea und Caleb. Allerdings hatten die letzten Ereignisse sie wieder aufgewühlt, auch wenn sie es sich nicht anmerken lassen wollte. Sie schloss die Augen. Bis eben hatte sie die starke Magie noch gefühlt, doch nun war sie verflogen, eins geworden mit dem Wasser, welches eine für sie vollkommen ungreifbare Magie geworden war.
Langsam öffnete sie wieder ihre Augen, dennoch war ihr Blick erstaunlich leer in diesem Moment. Dieser Turm hatte begonnen all die Magie des Wasserreiches zu sammeln. War es also letztlich tatsächlich die Kirche, die den Sturz ihrer Heimat hervor gerufen hatte, so wie ihre Mutter... Wie alle immer gesagt hatten? Natürlich, die Machenschaften der Kirche hatte sie nicht akzeptieren können, von anfang an nicht. Aber sie hatte nie glauben wollen, dass sie tatsächlich so weit gehen würden, nein, gehen konnten die Magie zu absorbieren. War das der Schlüssel? Das Puzzlestück, das sie die ganze Zeit insgeheim gesucht hatte?
Bereits seit einiger Zeit spielte sie mit dem Gedanken, dass sie heim kehren musste. Herausfinden musste, was passiert war. Und wer weiß, vielleicht hatte sie nun auch eine Möglichkeit gefunden, wie sie ihre Heimat retten konnte. Ihr Blick festigte sich und mit ihm auch wieder ihr Lächeln. Eins nach dem anderen, mahnte sie sich. Früher oder später würden sie ohnehin in ihre Heimat zurückkehren. So lange würde sie an ihrer Seite bleiben und weiter beobachten, herausfinden wem sie trauen konnte. Und würde versuchen, ihre Ziele zu ergründen.

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Ihre Knochen schmerzten und der metallische Geschmack von Blut in ihrem Mund machte sie schier wahnsinnig. Und doch behielt sie ihre Ruhe, denn sie wusste, jetzt war noch nicht die Zeit zu erwachen. Sie versuchte ruckartig ihren Arm unter einem Stein herauszuziehen, der ihr das Blut abzudrücken versuchte, jedoch vergeblich. In der Ferne glaubte sie Stimmen zu vernehmen. Stimmen von Leuten, die sie verabscheute, ja zutiefst verabscheute. Es waren die Stimmen dieser Schlampe, ihres Exfreundes und ihren tollen Begleitern. Siren spürte ihr Blut kochen. Am liebsten würde sie direkt aus diesem Haufen Schutt hervor springen und sie hinterrücks mit ihrem Speer zerschlagen. Doch sie wusste, in ihrem jetzigen Zustand hatte sie keine Chance. Selbst wenn sie erschöpft waren und diese magische Ansammlung sie nicht mehr beschützte. Selbiges galt schließlich auch für sie, die ja auch auf geläuterte Wassermagie zurückgreifen konnte.
Doch sie würde warten. Warten, bis sie verschwunden waren. Und dann würde sie erneut hervortreten. Ein manisches Grinsen bildete sich auf ihrem Gesicht. Sie würden schon sehen, früher oder später würde sie sie zerschlagen. Egal was Ethan ihr befohlen hatte. Sie hatten es verwirkt. Sie würde sie eigenhändig töten, sie in ihrem eigenen Blut ertränken. Einen nach dem anderen. Mit wem sie wohl beginnen sollte? Den Verräter würde sie definitiv zum Schluss umbringen, ihn wollte sie leiden sehen. Er, der nicht nur sie, sondern auch ihre Ideale mit Füßen getreten hatte. Der sich gegen ihren Gott, gegen ihre Weltanschauung gestellt hatte.
Er, den sie einst liebte. Und der sie verlassen hatte, weil ihm seine Pflicht wichtiger war.
Bevor er diese Pflicht einfach so fallen lassen hatte.
Sie schloss die Augen und versuchte ihre Energie einzuteilen. Vermutlich war sie die Einzige, die mit Glück überlebt hatte. In Gedanken erinnerte sie sich an die Kämpfe, die sie gegen sie ausgefochten hatte. Und während sie es wieder und wieder wiederholte, fielen ihr einige Dinge auf. Erneut huschte ein Grinsen über ihr Gesicht.
Denn sie glaubte, sie hatte den großen Schwachpunkt der Gruppe gefunden. Und wenn sie diesen ausnutzte, konnte sie sie zerschlagen. Dessen war sie sich sicher.

Nachdem der Turm gänzlich zerstört gewesen war, hatte sich die Gruppe auch schnell wieder auf das Schiff eingefunden. Sie waren sich einig, das es wohl am schnellsten und sichersten gewesen war, über das Meer zum Erdreich zu reisen, welches ihr nächstes Ziel sein sollte.
Rhea hatte zugestimmt, wenn auch unfreiwillig. Ihr Magen beschwerte sich bereits bei dem Gedanken daran, weitere Tage auf einem Schiff verbringen zu müssen, doch es war nun mal die sicherste und schnellste Variante gewesen.

Die nächsten Tage waren ruhig gewesen - das Wetter hatte ihnen hier und da einige Schwierigkeiten bereitet, aber der Steuermann, welcher von Glenns Familie zur Verfügung gestellt wurden war, wusste mit solchen Situationen umzugehen, so das es keine größeren Probleme gab.
Dennoch. Rhea hatte sich die Tage nicht wohl gefühlt. Ihr Magen machte ihr Probleme, zudem machte ihr das merkwürdige Gefühl, welches sie nach der Zerstörung des Turms überkommen war, sehr zu schaffen - sie hatte die beiden Magier danach gefragt, doch so, wie Rhea es beschrieben hatte, hatten sie nichts empfunden.

Es war mitten in der Nacht gewesen, als Rhea aus einem Alptraum erwachte - den gleichen, den sie all die Nächte hatte, an denen sie es zu schlafen gewagt hatte. Sie, in einer Blutlache stehend, um sie herum tote Menschen, ohne Gesicht. Unbedeutende Lebewesen, nicht mehr wert als ein lästiger Käfer.
Rhea selbst war nackt gewesen, nur ihr Schwert, Ares, trug sie in der Hand. An ihr klebte das Blut ihrer Opfer, wie ein sichtbare Sünde. Ihre Tattoos waren auf ihren gesamten Körper ausgebreitet.
Immer, wenn sie einen Schritt nach vorne machte, schien der Weg, welcher mit Leichen gepflastert war, immer länger zu werden, wie ein endloser Korridor. Und mit jedem Fuß, den sie aufsetzte, vermehrte sich das Blut und machte den nicht sichtbaren Boden zu einem roten Teppich.
Irgendwann fingen die Leichen, welche regungslos da gelegen hatten, plötzlich an zu schreien, griffen nach ihren Füßen, hielten sie fest, rissen sie zu Boden. Immer, wenn sie sich losreißen wollte, und sich umdrehte, hatten sie geschrien. Der Körper, welcher ihr Fußgelenk fest hielt, hatte immer ein Gesicht gehabt: Das ihres Vaters.
Wenn Rhea sich losreißen konnte, und versucht hatte, weiter zu rennen, wurde sie nur erneut zu Boden gerissen, und jedes Mal sah sie ein anderes Gesicht. Das ihrer Mutter. Die beiden Wärter, die sie getötet hatte. Bis es irgendwann Lumeia, Alec und Glenn gewesen waren.
Hatte sie es schließlich doch irgendwann bis zum Ende geschafft, hatte sie eine Stimme vernommen, welche gelacht, sie verhöhnt hatte. "Du hast all diese Leute getötet!" "Es ist deine Schuld!" "Du bist nicht besser als ich, weißt du das?"
Ethans Stimme. Die Stimme des Mannes, den sie so gehasst hatte. Und immer, wenn sie ihm gegenüber stand, und ihr Schwert durch seinen Körper gebohrt hatte, fiel ihr ein anderer in die Arme. Der Körper des Mannes, den sie beschützen wollte, dem sie vertraut hatte, der in ihr all diese Ängste, Emotionen und Schuld geweckt hatte - Caleb. Dann hatte sie angefangen zu schreien. Zu weinen. Sich zu verfluchen. Bis sie schließlich schweißgebadet aufwachen würde.
So auch heute Nacht. Die Schwarzhaarige setzte sich auf. Keuchte, atmete schwer. Erneut dieser Traum.  Und obwohl sie sich langsam daran gewöhnen sollte, so konnte sie es nicht. Immer und immer plagten sie diese Bilder, machten sie fertig, warfen sie aus der Bahn und ließen sie mit einem Gefühlschaos zurück.
Die Kriegerin stand auf. Sie war wackelig auf den Beinen. Sie zog sich rasch einen Mantel über, auch wenn ihr die Kälte eh nichts ausmachen würde, ehe sie sich aufs Dock begab und sich an die Reling lehnte. Es war eine sternklare Nacht gewesen, der Mond spiegelte sich sanft im Wasser und tauchte die Welt in sein wunderschönes, kaltes Licht.

Caleb stand, wie die letzten Tage ihrer Reise auch, trotz dunkelster Nacht an der Reling und starrte in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Nutzte die Zeit, in der alle anderen schliefen, um seinen eigenen Gedanken nachzuhängen. Die ersten Nächte hatte er über Siren nachgedacht. Obwohl er schon lange nicht mehr so starke Gefühle für sie empfunden hatte, wie es einmal der Fall gewesen war, so ließ ihn der Gedanke dennoch nicht los, für ihren Tot verantwortlich gewesen zu sein. Selbst wenn er sich einredete, es sei ein Unfall gewesen. Er war wirklich viel zu weich dafür, dass er einst ein Ordensritter war. Zumindest wenn er darüber nachdachte wie kalt und unbarmherzig die meisten von ihnen mit ihren Opfern umgingen. Wie kalt auch Siren geworden war.
Aber mittlerweile hatte er sich damit abgefunden. Solche Gedanken brachten sie auch nicht zurück und er redete sich ein, dass es für sie so besser war. Ein besseres Leben würde seine ehemalige Geliebte nun erwarten. Und für ihn... Tja. Was das Schicksal wohl für ihn bereit hielt?
Seit der Sache auf dem Turm fühlte er sich komisch. Eine unbekannte Kraft hatte sich in ihm eingenistet, eine Kraft, die er jedoch nicht greifen konnte. Aber er wusste genau, dass sie da war. Versteckt im tiefsten Inneren seines Seins. Genauso wie die Blackouts, die er immer hatte, war sie da und nicht. Dabei fiel ihm auf, dass er schon lange nicht mehr die Kontrolle verloren hatte. Was vielleicht auch gut so war, wer wusste, wen er als nächstes töten würde.
Das Töten an sich war für ihn kein Problem. Er war es gewöhnt und es berührte ihn auch nicht mehr. Zumindest nicht mehr so sehr wie am Anfang. So kaltblütig wie Rhea war er dennoch noch lange nicht, zumindest hatte er noch immer Probleme damit, Leute einfach so zu opfern, die er kannte. Zumindest wusste er, dass er ihre Gruppe nicht würde zurücklassen können, egal wie sehr er sie leiden konnte oder nicht.

Das Geräusch nähernder Schritte schreckte ihn plötzlich aus seinen Gedanken auf. Instinktiv griff er nach seinem Schwert und wandte sich um - als er zu seiner Überraschung Rhea erblickte. Still schalt er sich einen Narren. Womit hatte er sonst gerechnet? Hier auf dem Schiff konnte es nur einer von ihnen sein.
Sie wirkte selbst tief in Gedanken und hatte ihn scheinbar auch noch nicht bemerkt. Wahrscheinlich rechnete sie nicht einmal damit, dass jemand von ihnen zu dieser Stunde noch an Deck war. Er selbst hätte damit zumindest nicht gerechnet, wäre er an ihrer Stelle.
Doch dann bemerkte er noch etwas anderes. Nur für einen Augenblick erhaschte er einen Blick auf ihr Gesicht und was er sah, versetzte ihm einen ungewöhnlichen Stich im Herzen.
Sie wirkte schwach, traurig. Ganz anders als die Seite, die sie sonst immer zeigte.
Obwohl er sich eigentlich geschworen hatte, sie für einige Zeit in Ruhe zu lassen, entschied er sich zu ihr zu gehen. Es war ihm egal, ob sie ihn verjagen würde. Dieser Blick, den ihre Augen hatten, konnte er einfach nicht ertragen. Und wenn er ihr helfen konnte, dann wollte er es tun.
"Du bist zu dieser Zeit noch wach?", fragte er, als er sich zu ihr gesellte. Er wusste, dass es eine plumpe Aussage war, doch in diesem Moment hatte er einfach nicht gewusst, wie er sie am besten ansprechen sollte, ohne dass es gleich zu auffällig wurde.

Sie zuckte unwillkürlich zusammen, als Caleb sie so plötzlich angesprochen hatte. Sie sah ihn an, sah in seine goldenen, sanften Augen, mit einem Blick, der fast schon angsterfüllt und erschrocken war. Er, der gerade eben noch tot in ihren Armen gelegen hatte, stand vor ihr, lebendig und so besorgt und zuvorkommend wie sie ihn nicht anders kannte.
Rheas Körper begann zu zittern, obwohl sie nicht frierte.
Rasch fasste sie sich, versucht es zumindest. Wandte ihren Blick von ihm ab. Sie war es leid, stark zu sein, eine Lüge zu leben. Sie würde diesen Mann nicht sterben lassen können. Genauso wenig wie Lumeia und die anderen. Eine Schwäche, die sie verachtet hatte, noch immer verachtete. Aber sie gehörte zu ihr. Genauso wie all die anderen, schwachen Eigenschaften die in ihr wohnten und die sie jedes Mal so tief fallen ließen.
Sie zögerte mit ihrer Antwort. Wusste nicht, was sie sagen sollte. Am liebsten wollte sie ihm all die Dinge erzählen, die sie fürchteten, wie ruhelos und ängstlich sie doch war, doch fand sie keine richtigen Worte dafür. Dann wandte sie ihren Blick wieder zu ihm, welcher ängstlich, traurig und verzweifelt war. Ihre Stimmer zitterte, als sie schließlich sprach. Sie hasste es, wie sehr sie der Traum jedes Mal aus der Fassung brachte. "Ich kann das nicht mehr." Leise, schwach und rau waren diese Worte gewesen. Kamen aus dem Mund einer Frau, welche immer selbstbewusst, stark und unnahbar schien. So mutig wirkte, das es fast schon an Torheit grenzte.

Für einen Moment wusste er nicht, was er sagen sollte. Der Anblick, der sich ihm Bot erschrak und schmerzte ihn gleichermaßen. Bisher kannte er Rhea nur als die starke Frau, die sie immer spielte. Doch nun, so traurig und verletzlich... Und doch wusste er innerlich, dass das ihre wahre Seite war. Dass sie alles andere nur gespielt hatte. Und allein dieser Gedanke schmerzte ihn.
Ohne weiter darüber nachzudenken nahm er sie in den Arm, drückte sie sanft an sich und streichelte über ihren Rücken. "Das musst du auch nicht", sagte er sanft, so sanft er konnte. "Es ist in Ordnung Rhea."
Seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern, aber laut genug, dass sie ihn hören konnte.

Sie fühlte seine Wärme. Sie fühlte seinen warmen Körper an ihren, und das war etwas, was ihr letzten Endes Tränen in die Augen schoss. Sie hatte vergessen, wie sich das anfühlte. Jemanden nah zu sein. Ihn zu riechen. Wärme zu spüren. Körperliche Wärme eines Menschen, der einem wichtig gewesen war.
Sie weinte stumm, leise.  Verweilte in seinen Armen, nicht fähig, irgendetwas zutun. Stets hatte sie die toten Gesichter ihrer Gefährten im Kopf, das ihres Vaters, ihrer Mutter; und den toten Caleb, welchen sie in ihren Armen gehalten hatte. Es würde sie nicht kalt lassen. Es hatte sie nie kalt gelassen. Nicht ein einziges mal.
"Ich hab es wirklich versucht." murmelte sie schließlich. "Ich habe wirklich versucht, kalt zu sein, nur für meine Rache zu leben... Opfer zu bringen. Meine Schwäche auszulöschen." Sie zögerte kurz, ehe sie ihm in die Augen blickte, ein trauriges Lächeln auf ihren Lippen. "Wieso musstest du das nur so durcheinander bringen?"