Mahou Shoujou

„Huh?“, Takashi starrte sie für einen Augenblick perplex an. Woher kam diese plötzliche Frage auf einmal? Bisher hatte er sich nicht gewagt, sie allzu genau zu betrachten, auch wenn er schon mehrmals den Drang verspürt hatte. Es gehörte sich einfach nicht. Und ihn widerten Männer an, die so offensichtlich bestimmte Stellen bei Frauen betrachteten, nur um sie danach zu beurteilen.
Dennoch wandte er den Blick leicht rot ab. „Nur weil du eher flach bist?“, meinte er, sehr um Fassung bemüht. „Hat mich nie gestört und auch nie wirklich interessiert.“ Sein Gesicht wurde mit jedem Wort roter. Er erinnerte sich an die Schmuddelhefte, die man ihm mal gezeigt hatte. Diese übertrieben großen, unnatürlichen Brüste…. Er empfand das fast schon als gruselig.
„Ich mag es, wie du bist“, fügte er schließlich noch hinzu, traute sich aber immer noch nicht, ihr ins Gesicht zu schauen.

Riko lachte, immer noch etwas beschämt, wenn auch glücklich über seine Aussage.
"Das meine ich nicht." Sie griff nach seiner Hand und legte diese auf ihren Bauch und spannte ihre Muskeln an.
"Eher das. Die meisten Jungs schreckt das doch eher ab, oder nicht?"

„Deine Muskeln?“, fragte er und zog seine Hand wieder weg. Ihm war bereits beim Bogenschießen aufgefallen, dass sie muskulöser als andere Mädchen war, was ihn jetzt nicht wirklich abgeschreckt hatte. Das war wohl wieder so ein typisches Frauending, dass sie sich so viele Gedanken darüber machte.
„Diejenigen, die sowas abschreckt haben einfach keinen Geschmack“, meinte er und wandte den Blick wieder von ihr ab. Er hatte sich nie Gedanken darüber gemacht, aber er entsprach schließlich auch nicht dem, was man von einem Mann erwartete. Immerhin war er, im Vergleich zu ihr, eher schmächtig, schlichtweg weil er seine komplette Energie in sein Gehirn pumpte und nicht an andere Stellen. Mehr Hirn statt Muskeln eben.

Ein Schwall von Erleichterung durchfuhr Riko, und sie konnte nicht anders, als sich zu ihm umzudrehen und um den Hals zu fallen, wobei er den Halt verlor und mit dem Rücken auf der Matratze landete.
"Genau das wollte ich hören ~" sagte sie schließlich, grinsend.

Ihre Reaktion kam so unerwartet, dass er nicht wusste, was ihm geschah bis er sich schließlich mit dem Rücken auf seiner Matratze, sie auf ihm liegend, wieder fand. Er spürte wieder diese Hitze in sich aufkommen, spürte wie sein Blut schlagartig in ganz andere Bereiche wanderte. Sie war ihm so nah… So nah, dass er glaubte, ihren Herzschlag durch ihre Brust zu spüren.
Moment, das war falsch. Das ging in eine ganz ganz falsche Richtung. Und trotzdem verspürte er schlagartig den Drang…
„Riko…“, sagte er nur knapp, wartete, bis sie ihn ansah – und drückte dann schlagartig seine Lippen auf ihre.

Erst war sie ein wenig überfordert - sie merkte, dass sie wieder unbedacht gehandelt hatte, und doch störte es sie kein bisschen, wohin das hier gerade führen sollte.
Als sie sich voneinander lösten, grinste sie nur, den Kopf nachwievor knallrot. "Also... Jetzt ist die letzte Chance 'n Rückzieher zu machen, ansonsten kann ich für nichts garantieren."
Als seinerseits keine Widerworte kamen, nahm sie ihm vorsichtig die Brille ab - und ihr fiel zum ersten Mal eigentlich auf, wie gut er ohne aussah. Dann küsste sie ihn erneut.

(No more virgins here in this room I guess x])

Wie typisch kann das Wetter im November sein? Der Gedanke schoss durch Kimikos Kopf, als sie einen Blick nach draußen warf. Die trockenen Tage waren wohl zu Ende und so regnete es schon den ganzen Tag in Strömen, sodass sie in ihrem Zimmer fest saß. Vielleicht ein kleiner Regenspaziergang? Wobei diese für sie alleine auch irgendwie langweilig waren. Vielleicht konnte sie Kyo fragen… der aber auch momentan so sehr in Prüfungsvorbereitungen steckte, dass es ihr irgendwo Leid tat, dass sie so viel seiner Zeit in Anspruch nahm. Sie lachte trocken und blickte zu ihren Büchern. Seit ihrem letzten Streit mit ihrer Mutter hatte sie diese nicht mehr angerührt. Ihr Gehirn freute sich über diese Pause, sie selbst hatte aber dennoch ein schlechtes Gewissen entwickelt. Und auch ihre Mutter hatte ihr mehrmals in den Ohren gelegen, dass sie ihr Lernen nicht ignorieren sollte.
Generell war sie unheimlich anstrengend geworden, seit sie Kimiko unterstellt hatte eine ‚Schlampe‘ zu sein und mit sämtlichen ihr bekannten Männern rum zu vögeln. Diese Worte wollten ihr immer noch nicht aus dem Sinn und stachen in ihrem Herzen doch mehr, als sie wollte. Auch weil sie bei jedem Blick ihrer Mutter das Gefühl hatte, sie würde sie regelrecht angewidert anschauen. Es war jener Blick, den sie auch schon ihren Freundinnen Riko und Megumi zugeworfen hatte.
Kimiko seufzte schwer und zog die Vorhänge zu. Dieses Wetter machte sie depressiv. Eine Stimmung, die sie nicht wirklich gebrauchen konnte. Also nahm sie ihr Handy und schrieb eine Nachricht an Sayoko und eine an Kyo, fragend ob einer von ihnen ein wenig Zeit für sie hätte. Im Zweifelsfall würde sie vielleicht einfach Mal schauen ob Megumi vielleicht heute arbeitete… Hauptsache irgendeine Ablenkung.
Ohne auf eine Antwort ihrer Freunde zu warten zückte sie ihren Wintermantel, einen passenden Schal dazu und suchte ihre bequemen Stiefel.
„Kimiko-Sama“, hörte sie die Worte eines der Dienstmädchen, die ihre Mutter beschäftigt hatte. Die junge Frau war auf einmal hinter ihr erschienen, wie ein Geist, sodass Kimiko leicht zusammen zuckte. „Es tut mir Leid, aber Fumiko-Sama hat uns ausdrücklich befohlen, dass wir euch bei diesem Wetter nicht nach draußen lassen sollen.“
Kimiko rollte mit den Augen. „Ist das wieder ihre Paranoia?“, fragte sie. Es war ein Wunder, dass die Dienstmädchen ihre Mutter überhaupt beim Vornamen nennen durften.
„Eure Mutter sorgt sich doch nur um Euren Ruf, gerade jetzt wo Ihr bald Euren Abschluss macht.“
„Falsch“, meinte Kimiko und griff nach ihrem Schirm. „Sie sorgt sich um IHREN Ruf. Nicht um meinen.“
Die junge Frau griff sie am Handgelenk. „Bitte Kimiko-Sama, hört auf mich. Ihr solltet ein wenig zurück treten, zumindest solange, bis die Gerüchte über Euch wieder verstummt sind.“
Ein schwerer Seufzer, gefolgt von einem trockenen Lachen entrang Kimikos Kehle. „Welche Gerüchte? Die, die meine Mutter selbst in die Welt gesetzt hat?“ Sie riss sich vom Dienstmädchen los und ging direkt zur Tür. „Sag ihr bitte, dass sie sich endlich aufhören soll, in mein Leben einzumischen.“
Ein letztes Mal blickte sie zum Dienstmädchen. „Ich war bereit diese verdammte Verlobung anzunehmen und meine ganze verdammte Freizeit ins Lernen zu investieren. Da soll sie aufhören, sich irgendwelche Scheiße über mich auszudenken und mir mein Leben lassen.“ Dann wandte sie sich wieder ab. „Ich möchte übrigens nur spazieren gehen. Das sollte ja wohl noch erlaubt sein.“
Ohne ein weiteres Wort abzuwarten knallte sie die Tür hinter sich z u und ging schnellen Schrittes zum Tor.
Dabei wurde sie das Gefühl nicht los, dass die Augen ihrer Mutter aus dem Obergeschoss auf ihr ruhten.

Ein mulmiges Gefühl durchfuhr Sayokos Körper, als die vor der Haustür von Kyo’s Wohnhaus stand.
Er hatte sie gefragt, ob sie sich treffen konnten – und zwar allein. Es gäbe gewisse Dinge, die er mit ihr alleine besprechen wollte, und erst hatte sie gezögert, aber nach langem Überlegen dann doch zugesagt. Irgendetwas in ihr ahnte schon, worum es gehen sollte, und ihr war eigentlich ganz lieb gewesen, dieses Thema nicht als erstes vor allen anderen anreißen zu müssen. Es war schon so eine große Überwindung gewesen, überhaupt darüber zu reden – das Sayoko es geschafft hatte, Yuudai vom geplanten Selbstmord zu erzählen, war ein Riesenschritt für sie gewesen; wo sie sich doch geschworen hatte, niemals jemals darüber zu reden, mit niemanden. Doch es war, als wäre eine riesige Ladung von ihrem viel zu schweren Paket genommen wurden, und sie hoffte, dass das Thema generell nun nicht mehr so eine arge Belastung für sie wäre. Wenngleich sie immer noch paranoid war – sie wusste, Nana würde wieder kommen, und sie fürchtete ihren Zorn mehr als alles andere.
Sie atmete schließlich tief ein, ehe sie Klingel betätige.
Es dauerte auch nicht lange, und Sayoko fand sich im ersten Stock wieder. Sie holte erneut tief Luft, sprach sich leise etwas Mut zu, ehe sie vor Kyo’s Wohnungstür trat, welche er bereits geöffnet hatte und sie begrüßte, mit einem freundlichen Lächeln.
„Es freut mich, dass du es einrichten konntest, Sayoko.“ sagte er, und deutete sie hinein. Sayoko nickte nur stumm, und folgte ihn ins Wohnzimmer, wo ihr erneut die ganzen Gemälde auffielen, welche vereinzelt an den Wänden hingen oder im Raum rumstanden. Sie hatte sie schon beim letzten Mal bemerkt – etwas an ihnen gab Sayoko ein so vertrautes, seltsames Gefühl, so dass sie sich nicht traute, sie länger als nötig anzusehen. Etwas an ihnen hatte was verzerrendes, verzweifeltes, und doch irgendwie auch hoffnungsvolles – sie erkannte sich zu gut in ihnen wieder, und das beängstigte sie.
„Setz dich ruhig.“ meinte Kyo, und deutete auf die Sofaecke, in der sie sich das letzte Mal mit Kimiko wiederfand. Erneut nahm sie sich den Sessel, und Kyo setzte sich ihr gegenüber.
„Danke.“ erwiderte sie schließlich freundlich, und faltete die Hände zusammen. „Ich bin ehrlich, ich habe nicht wirklich damit gerechnet das du mit mir persönlich sprechen wollen würdest.“
„Wir hatten bisher keine wirkliche Chance dazu gehabt.“ antwortete der Blonde, nachwievor lächelnd. „Und… ich habe gewisse Fragen, die nur du mir beantworten kannst.“ Sein Blick wurde auf einem Schlag ernster, was Sayoko irgendwie verunsicherte. Wie schaffte es ein Mann in einem Moment so freundlich zu gucken, und im nächsten Moment war fast schon Bitterkeit in seinem Blick? Doch ließ sie sich das nicht anmerken.
„Es geht um Alice.“ stellte sie fest, und Kyo nickte.
„Ich wusste, du würdest dahinter kommen.“
„Wieso sonst sollte man mich sprechen wollen?“ Sie lachte bitter. „Also, wie kann ich dir diesbezüglich helfen?“
„Ich habe eine Vermutung die ich gerne bestätigt hätte, das ist alles.“ Da war es erneut, dieses perfekte, freundliche Lächeln, was ihr irgendwie Unwohlsein bereitete. „Kennst du eine Nanashi Hasegawa?“
Erneut fuhr ein bitteres Lachen durch Sayoko’s Kehle, und sie spürte, wie sich ihre Brust zusammenzog. „Besser als mir mittlerweile lieb wäre.“
„Dachte ich’s mir.“ Er sah Richtung Fenster, und sie konnte nicht ausmachen, wie sein Gesicht nun aussah. „Nana… ist Alice, nicht wahr?“
Es dauerte eine Weile, ehe sie auf diese Frage antworten konnte. Die Art und Weise, wie er ihren Namen aussprach, klang einerseits ehrfürchtig, aber andererseits so verletzt, so liebevoll – es gab eine Zeit, da hätte sie wahrscheinlich genauso über sie gesprochen, doch dort, wo früher pure Zuneigung vorhanden war, gab es nur noch Angst.
„Ja.“ sagte sie schließlich, leise.
„Wusste ich’s doch.“ Er wandte seinen Blick wieder zu ihr. „Ich… bin ihr Cousin.“
Erstaunt zog Sayoko eine Augenbraue hoch. Klar, sie wusste, das Nana noch Verwandtschaft hatte, bei der sie auch einige Zeit untergekommen war, bevor man sie abgeschoben hatte, aber sie hatte nie wirklich kennenlernen dürfen, wenngleich sie ab und zu sogar von ihrem Cousin erzählte, der sich als Einziges noch um sie gekümmert hatte, aber seinen Namen hatte sich Sayoko nicht gemerkt.
„Natürlich, das ergibt irgendwo Sinn.“ antwortete sie schließlich. „Ich habe mich die ganze Zeit gefragt wieso sie gerade dich und Takashi-san ausgesucht hat, aber jetzt verstehe ich langsam.“
„Du weißt ziemlich gut über diese Sache Bescheid, hm?“
„Mehr als mir lieb wäre.“
„Also ist das ganze wirklich kein Zufall, dass gerade wir Rollen in diesem Stück spielen.“ Kyo lachte leise, und fuhr sich durchs Haar.
Sayoko schwieg für einen Moment und starrte auf ihre Hände. „Und, bringt dir diese Information irgendetwas?“ fragte sie schließlich.
„Gewissheit.“ antwortete Kyo ernst, und sein Blick war wieder Richtung Fenster gewandert. „Ich hatte die ganze Zeit schon diese Vermutung… Es ist nur schön, diese jetzt bestätigt zu haben.“
„Sag, Sayoko, was meinst du wieso sie gerade die Rolle des weißen Kaninchens für mich ausgesucht hat?“
Sie zuckte mit den Schultern. „Aus dem gleichen Grund wieso ich die rote Königin bin vielleicht? Willkür?“
„Nein. Du bist die rote Königin weil das damals aus irgendeinem komischen, kindlichen Grund ihre Lieblingsfigur dieser Geschichte war. Ich hingegen…“ Sie meinte, so etwas wie Traurigkeit in seinen Augen erkennen zu können. „War es nicht das weiße Kaninchen, dass Alice erst ins Wunderland gebracht hat?“
„Was willst du mir damit sagen?“
Doch anstatt das er ihre eine Antwort gab, vibrierte plötzlich das Smartphone der beiden.
„Was hältst du davon wenn wir dieses Gespräch auf später verschieben?“ Er lächelte. Wahrscheinlich hatte er genau die gleiche Nachricht wie Sayoko bekommen.
„Oh, ja klar. Mach ruhig eine Andeutung und tu dann auf geheimnisvoll. Ist ja nicht so als hätte ich ein riesiges Trauma dank deiner Cousine davon getragen.“ erwiderte sie, sarkastisch.
Er lächelte entschuldigend.
„Ich weiß.“ antwortete er, überraschend ehrlich. „Ich verspreche dir, dass ich nochmal mit dir darüber reden werde. Mit euch allen.“
Wahrscheinlich hatte auch Kyo sein Päckchen zu tragen, und wer, wenn nicht Sayoko würde verstehen, das man über gewisse Dinge manchmal einfach nicht reden konnte? Also beschloss sie, seine Antwort zu akzeptieren, zumindest vorerst.
Schließlich schaute sie auch auf ihr Handy.
„Schätze, sie hat dir das gleiche geschickt?“ sagte sie schließlich.
„Ja. Ich denke, du hast nichts dagegen, wenn ich sie auch noch einlade?“
„Wenn du nichts dagegen hast das ich deine Gastfreundschaft noch länger in Anspruch nehme?“
Kyo lachte, und tippte Kimiko eine schnelle Nachricht.

Sie hatte sich kaum von ihrem Wohnhaus entfernt, als sie bereits eine Antwort von Kyo erhielt. Wobei sie ein wenig überrascht darüber war, dass wohl Sayoko wohl aus irgendeinem Grund bei ihm war, gleichzeitig freute es sie irgendwie. Seit ihrer Aussprache waren sie und Sayoko sich wieder näher gekommen. Da kam es ihr eigentlich nur gelegen, dass sie sich nicht zwischen den Beiden entscheiden musste.
Kurz wandte sie sich noch einmal um. Sie glaubte zwar nicht daran, aber konnte bei ihrer Mutter nie wissen, ob sie nicht doch jemanden hinter ihr her geschickt hatte. Dann wandte sie ihre Schritte in Richtung Kyos Wohnung, ständig begleitet von dem Gefühl, beobachtet zu werden.
Es dauerte nicht lange, bis sie endlich dort war und nur kurze Zeit später stand auch sie in der Wohnung im ersten Obergeschoss. Ihren vollkommen durchnässten Regenschirm ließ sie direkt vor der Tür stehen.
„Danke für die Zusage“, sagte sie lächelnd. „Wobei ich schon überrascht bin, ihr habt doch nicht etwa Geheimnisse vor mir?“

Es war Kyo, welcher als erstes antwortete.
"Nicht wirklich. Ich habe Sayoko nur einige Fragen bezüglich der ganzen Wunderlandsache gestellt, die mich persönlich interessieren, das ist alles."
Sayoko war erstaunt über seine Ehrlichkeit - sie hätte ihn anders eingeschätzt, doch wahrscheinlich wusste er genau wie sie, dass man Kimiko nicht anlügen sollte.
"Wenn deine Nachricht nicht gekommen wäre wäre ich auch schon längst wieder weg." antwortete auch sie schließlich und lächelte sanft ihre Freundin an. "Du wirkst etwas aufgewühlt, ist alles in Ordnung?"

Sie hatte gerade ihren Mantel aufgehangen und kam ins Wohnzimmer. „Meine Mutter spinnt in letzter Zeit nur ziemlich rum. Da wollte ich einfach ein wenig Ruhe haben.“ Sie deutete zu einem der Fenster. „Und bei dem Wetter macht selbst mir Joggen keinen Spaß.“
Noch war sie sich unsicher, wie viel sie von der Sache mit ihrer Mutter erzählen wollte. So sehr sie die beiden auch mochte, sie wollte eigentlich in erster Linie etwas Verstreuung. Gleichzeitig wollte sie ihnen aber auch nichts verschweigen.

"Verstehe..." erwiderte Sayoko, beschloss aber nichts weiter dazu zu sagen. Sie wusste, dass Kimikos Mutter teilweise ein regelrechtes Biest zu ihr war. Allein die Vorstellung, dass sie sie einfach verlobt hatte, ohne das sie da was gegen tun konnte... Immerhin schien Kyo ein recht anständiger Kerl zu sein, dennoch tat ihr ihre Freundin leid.
"Wir geben uns auf jeden Fall alle Mühe, eine Ablenkung zu sein, nicht wahr Sayoko?" sagte auch Kyo, wie immer lächelnd.
Sayoko nickte. "Wenn mir natürlich auch nur bedingt Möglichkeiten einfallen, gerade bei dem Wetter."

"Ach, macht euch deswegen keinen Kopf", meinte Kimiko abwinkend, lächelte sie aber dankbar an. "Ich bin schon froh, dass ihr überhaupt Zeit habt. Hatte schon überlegt, was ich sonst anstellen soll."
Sie war nicht unglücklich darüber, dass ihre Freunde nicht weiter nachfragten. Wenn sie darüber reden wollte, würde sie darüber reden, das schwor sie sich, oder vielmehr das hatte sie sich geschworen. Schließlich setzte sie sich auch auf die Couch.
"Man könnte natürlich auch überlegen, ob man nicht in irgendein Café oder so gehen könnte", begann sie zu überlegen.

"Wäre keine schlechte Idee." sagte Sayoko und blickte nach draußen. Es regnete zwar, aber nicht allzu stark, so dass ihr Mantel sie einigermaßen trocken halten sollte. "Bevor wir uns hier noch langweilen?" Wären sie und Kimiko alleine, hätte sie ihr vorgeschlagen, irgendwelche Theateraufnahmen anzusehen, so wie sie es früher getan hatten... Doch sie wollte Kyo nicht unbedingt verschrecken, weswegen sie das gar nicht erst vorgeschlagen hatte.

„Wenn das für dich auch okay ist?“, fragte Kimiko an Kyo gerichtet.
„Ich meine, im Zweifelsfall können wir auch gerne irgendwelche Musicals oder Theater-Aufnahmen schauen, wenn das für dich in Ordnung ist. Das haben wir ja früher immer gemacht, nicht wahr, Sayo?“, sie zwinkerte ihr zu, war sich aber unsicher ob Kyo damit etwas anfangen konnte. Bestimmt fanden sie auf irgendeinem Streaming-Anbieter noch irgendwelche Aufnahmen oder Verfilmungen, die man sich anschauen konnte.

"Ich hätte ehrlich gesagt nicht erwartet das ihr auf sowas steht." sagte Kyo, mit aufrichtiger Überraschung in der Stimme. Sayoko lächelte. Wahrscheinlich wirkten die beiden wirklich nicht wie die Art Mädchen die sich gerne sowas ansehen.
"Ja, das ist der Grund wieso wir überhaupt ins Gespräch kamen damals. Ich hatte mitbekommen das sie ein Lied aus einem Stück hörte was ich gerne mochte, und habe sie daraufhin angesprochen." Erzählte Sayoko. "Und na ja, seitdem war das damals unsere regelmäßige Samstagabend-Beschäftigung."
"Verstehe. Ich bin ehrlich, ich habe mich bisher noch nicht wirklich dafür interessiert." lachte Kyo. "Aber ich bin neugierig. Wieso eigentlich nicht?"
"Es ist teilweise aber sehr kitschig, du bist gewarnt." lachte Sayoko.

„Und das wäre für mich auch die perfekte Ablenkung“, lachte Kimiko. „Mit meinen liebsten Freunden etwas tun, was ich gerne mache. Wenn’s für dich aber zu langweilig wird, sag ruhig Bescheid, Kyo.“
Kaum war die Idee gefallen, begannen die beiden Mädchen auch ein Stück rauszusuchen, das sie beide gerne schauen wollten. Aus Rücksicht auf Kyo achteten sie dabei jedoch darauf, keine allzu große Schnulze zu nehmen, bevor sie sich mit Getränken auf der Couch gemütlich machten und ihr Musical schauten.

"Ich muss sagen, ich verstehe den Reiz." sagte Kyo schließlich, nachdem sie die erste Hälfte durch hatten. "Musik als Stilmittel für die Emotionen der Protagonisten ist irgendwie so simpel, aber gleichzeitig auch äußerst effektiv."
"Nicht wahr?" antwortete Sayoko, lächelnd. "Es nimmt einen einfach irgendwie mit. Und gerade live ist das wunderschön, alleine das Orchester. Wenn man überlegt das die so eine Leistung teilweise mehrmals täglich raushauen ist das echt beeindruckend."
"Kann ich mir vorstellen."

Kimiko konnte auch nicht anders als weit zu grinsen. „Ich bin ja vor allem Fan davon, wie man allgemein mit Musik so gute Geschichten erzählen kann. Die Leistung der Darsteller ist einfach noch einmal etwas ganz beson…“
Plötzlich vibrierte ihr Handy, woraufhin Kimiko stockte. Als sie sah, wer anrief, verflog ihre Laune schlagartig. Ohne lang nachzudenken drückte sie den Anrufer weg und atmete tief ein.

Kyo und Sayoko tauschten sich einen besorgten Blick aus.
"Sicher das das okay ist? Eltern können sehr hartnäckig sein." Meinte Sayoko schließlich, im Hinterkopf ihren eigenen Vater, dessen Nummer sie mittlerweile geblockt hatte.
Kyo legte Kimiko die Hand auf die Schulter, sagte aber nichts dazu.

„Sie wird’s überleben“, meinte Kimiko schulterzuckend, wusste aber dass Sayoko im Grunde Recht hatte und sie den Anruf annehmen sollte. „Habe nur keine Lust darauf, mir wieder anhören zu müssen, was für eine ‚Schlampe‘ ich doch bin, nur weil ich neben dir“, sagte sie den Blick auf Sayoko gerichtet, „noch einige männliche Freunde habe, die nicht mein Verlobter sind.“
Mit schnellen Finger stellte die sie Vibration ihres Handys ab und ließ es daraufhin in ihrer Tasche verschwinden. Diesen Nachmittag wollte sie sich jetzt nicht verderben lassen!

Sayoko musste bei der Aussage lachen.
"Deine Mutter weiß aber auch nicht dass ich aktuell bei einem Typen wohne der nicht mein Freund ist. Außerdem, Schlampe zu seiner eigenen Tochter zu sagen ist ganz schön hart..."
"Da hat Sayoko recht. Ich weiß nicht ob das Erbe das wert ist, Kimiko." Meinte auch Kyo ernst.

"Glaub mir Sayo, dir würde sie das wahrscheinlich sogar verzeihen. Dich mag sie total gerne, während Megu und Riko für sie regelrecht Dreck sind." Sie seufzte schwer. "Ich bin ganz froh dass sie die restlichen Jungs nicht kennt. Es hatte mich ja schon erschrocken, dass sie überhaupt von ihnen weiß."
Sie verschränkte die Arme hinter ihrem Kopf und lehnte sich zurück. "Ehrlich gesagt habe ich mir wegen dem Erbe momentan keine Gedanken gemacht. Ein Großteil meiner Zeit geht momentan wirklich für Lernen oder die Paranoia meiner Mutter drauf... Oder halt das Wunderland."

"Wobei das aktuell auch viel zu ruhig ist." Merkte Sayoko bitter an.
"Ich finde aber Du solltest das nicht auf dir sitzen lassen, Kimi. Ich... Mag den Gedanken nicht dass deine Mutter so mit dir redet, wirklich nicht."
"Sayoko hat Recht. Ich glaube wenn meine Eltern das wüssten würden sie die Verlobung nochmal überdenken. Wobei, denen geht es ja genauso nur ums Geld."
Er sah sie schließlich an, lächelnd. "Wenn du nicht zurück möchtest kannst du von mir aus eine Weile hier bleiben. Platz habe ich eh genug, und deine Mutter sollte nichts dagegen haben wenn du Zeit mit deinem Verlobten verbringst, oder?"

Kimiko lachte trocken.
"Das ist wirklich lieb Kyo, aber ich glaube selbst da würde sie sich wieder irgendwas einfallen lassen... Von wegen 'vor der Ehe kannst du das nicht machen!' oder sowas die Richtung." Sie zeigte mit kreisendem Zeigefinger auf ihren Kopf.
"Ehrlich, was das Frauenbild angeht ist diese Frau noch total altmodisch. Dass mein Vater schon mehrere Affären hatte juckt sie nicht, aber sobald sich ihre Töchter mit Männern rumtreiben, mit denen sie nicht verheiratet sind, stempelt sie sie direkt als Schlampen ab."