Mahou Shoujou

Megumi nickte zustimmend. "Das glaube ich auch", sagte sie und überlegte weiter. "Ich wüsste nur gerne, was genau da los ist. Vielleicht sollten wir doch versuchen mit Sayo-Chan zu reden... Aber sie wird wahrscheinlich auch wieder abblocken oder?" Ein Seufzen kam über ihre Lippen und sie überlegte kurz, ob sie nicht doch Akito fragen sollte, ob er sich zu der Besprechung dazu gesellen wollte.

"Hmm." Riko überlegte. "Meintest du nicht, Akito hätte dir geschrieben? Anscheinend muss sie das ja irgendwie schon belasten, sonst würde er sich nicht einmischen oder?" Dann fiel Riko was ein. "Oder! Wir fragen Kyo! Laut Takashi verbringt er wohl aktuell ziemlich viel Zeit mit ihr? Vielleicht weiß er ja was mit Kimi-chan los ist!"

Megumi zog ihr Handy aus der Tasche und suchte noch einmal die Nachricht, die Akito ihr geschrieben hatte. "Laut Akito-Kun ist Sayo-Chan wohl ziemlich down wegen der Sache", sagte sie. Dann kam ihr eine Idee. "Wir könnten vielleicht auch versuchen beide zu fragen." Sie sah Riko an. "Du versuchst mit Takashi-Kun durch Kyo-Kun etwas zu erfahren und ich frage Akito-Kun noch einmal wegen Sayo-Chan." Sie scrollte noch einmal durch den Nachrichtenverlauf mit Akito. "Oder ich versuche Akito-Kun zu bitten direkt hierher zu kommen, damit wir das direkt besprechen können."

"Klingt nach keiner so doofen Idee, oder? Und wenn alle Stricke reißen fragen wir Sayo direkt, was genau vorgefallen ist."
Die Pause ging zum Glück noch lange genug, so dass Megumi Akito noch eine Nachricht schrieb und diesen zu sich orderte. Es dauerte keine fünf Minuten, ehe sich der Rotschopf auch schon zu Ihnen gesellt hatte.
"Yo." begrüßte er die beiden Mädels, und Riko hob grinsend die Hand zum Gruß. "Danke, dass ihr hilft. Alleine kriegen die zwei das wohl nie mehr geregelt."
"Heh, sind ja vorallem schließlich unsere Freunde, da ist's doch das mindeste~" erwiderte Riko, immernoch grinsend.
Akito lächelte. "Ja, vermutlich. Also, habt ihr irgendeine Idee?"

Auch Megumi konnte nicht anders als zu Lächeln. Sie hatte zwar die letzten Tage immer wieder mit Akito geschrieben, aber seit ihrem Date hatten sie sich nicht wirklich gesehen, daher freute sie sich doch, dass er ihrer Frage so schnell gefolgt war.
"Das Problem ist, dass uns zu viele Infos fehlen", erklärte sie. "Und Kimi-Chan ignoriert uns wie schon gesagt. Daher dachten wir, ob du oder Kyo-Kun uns vielleicht etwas dabei helfen könnten?"

"Die genauen Details weiß ich auch nicht." Erwiderte Akito, seufzend. "Sayo meinte nur,  das Kimiko mit ihr was unternehmen wollte, sie aber sehr harsch abgelehnt hat und dann ist es wohl irgendwie eskaliert."
"Hm, aber das ist doch etwas was man durch eine Entschuldigung und miteinander reden irgendwie klären könnte oder nicht." Antwortete Riko verwundert, und Akitos zuckte mit den Schultern.
"Sayo kann halt ziemlich nachtragend sein, wenn sie will. Außerdem..." Er zögerte erst, doch die beiden waren schließlich Sayos Freunde, wieso sollte er es Ihnen nicht erzählen können? "...der Todestag von Sayos Ma war vor kurzem. Das hat sie noch zusätzlich angespannt. Selbst mit Yuu hat sie sich gestritten."
Er seufzte schwer. "Jedenfalls, wir müssen die zwei irgendwie zum Reden bekommen. Nur hab ich mit Kimiko so absolut nichts zutun."
"Kimi zieht sich aktuell ja auch vor uns zurück." Erwiderte Riko und man merkte ihr an, das es sie belastet hatte. "Vielleicht muss ich Kyo doch darum bitten mir Bescheid zu sagen wenn sie bei ihm ist und dann direkt konfrontieren... Oder habt ihr bessere Ideen?"

"Die Frage ist dann nur, wie wir Kimi-Chan und Sayo-Chan dazu bringen, miteinander zu reden", überlegte Megumi, "selbst wenn wir es schaffen, Kimi-Chan zu überzeugen..."
Sie hob den Blick und sah beide direkt an. "Auf jeden Fall wird uns wohl nichts anderes übrig bleiben, als Kyo-Kun einzuspannen. Er ist der einzige, zu dem sie noch Kontakt hat. Ich hoffe nur, dass er das genauso sieht."

"Oder!" Riko grinste, fast schon stolz. "Wir sperren Sayo und Kimi in ein Raum und lassen sie erst wieder raus, bis sie sich ausgesprochen haben." Akito wollte erst an der Idee zweifeln, empfand sie beim genaueren Nachdenken aber vielleicht doch nicht verkehrt.
"Könnte vielleicht funktionieren wenn wir die zwei unter falschen Umständen irgendwo hinordern? Gar keine so dumme Idee."
"Nicht wahr? Und ich Wette wenn ich Kyo Frage hilft der bestimmt dabei. Müsste man nur überlegen wo man die zwei hinlockt und wieso. Aber Sayo-chan können wir ja bestimmt Akito überlassen, nicht wahr ~?"
Akito kratzte sich am Kopf. "Ich kann sehen was ich tun kann...? Wenn Megu-chan mit der Idee einverstanden ist?"

"Hm", Megumi überlegt kurz und seufzte dann schwer. "Das wäre alles nicht so schwierig, wenn sie nicht so stur wären." Dann grinste sie jedoch verschwörerisch. "Wer nicht reden will, muss eben dazu gezwungen werden. Wir brauchen nur Kyo-Kun auf unserer Seite, dann können wir das durchziehen!"
Sie lächelte zufrieden. So waren sie vielleicht endlich auf dem richtigen Weg, ihre beiden Freundinnen wieder umzustimmen und vielleicht endlich Frieden zwischen ihnen zu schließen.

Riko grinste und legte unerschwinglich einen Arm um Megumis Schulter. "So Lob ich mir das!" Antwortete sie grinsend. "Ich habe auch zufällig eine Idee wo wir die beiden einsperren. Sayo war noch nie in Kyos Wohnung, oder?"
Akito schüttelte den Kopf. "Also nicht das ich wüsste."
"Bingo! Und da Kimi anscheinend eh regelmäßig dort ein- und ausgeht wird es einfaches sie dorthin zu bekommen. Und zu Sayo sagen wir ansonsten das es wieder Zeit für einen Schlachtplan oder so wäre."
Riko zwinkerte und man merkte ihr an, wie stolz sie auf ihre eigene Idee gewesen war. Jetzt müsste sie nur noch hoffen, das Kyo ihnen auch wirklich half - doch daran zweifelte sie nicht eine Sekunde.
Akito lachte. "Na, dann bin ich gespannt ob das wirklich so funktioniert wie du dir das vorstellst, Riko."
"Heh, und wie das funktionieren wird! Überlass das alles ruhig Ri-chan~"

"Also manchmal machst du mir echt Angst Ri-Chan", kicherte Megumi und war sich dabei ganz sicher - Rikos Plan würde aufgehen.

------------------

Kimiko schlug das Lehrbuch zu und streckte sich ausgiebig. Schon wieder ein Kapitel geschafft! Bei diesem Tempo würde sie ihr Lernpensum bis zur Prüfung mit Sicherheit erreichen, auch wenn sie gestehen musste, dass sie sich nicht sicher war, ob auch wirklich genug im Kopf hängen geblieben war. Seit Wochen, vielleicht Monaten schon, bestand ihr Leben aus fast nichts anderem mehr außer lernen. Sie spürte die geistige Erschöpfung in sich aufsteigen. Eine Müdigkeit, die auch ihre dunkelsten Gedanken und Erinnerungen wieder zum Vorschein brachte. Sie dachte an den Streit mit Sayo und noch weiter in die Vergangenheit zurück. An diese Unsicherheit und Angst, die sich in ihr breit gemacht hatte, nachdem Sayos Mutter gestorben war.
Seufzend zog sie ihren Stuhl zurück und warf einen Blick nach draußen. Die Abenddämmerung hatte eingesetzt, eine ihrer liebsten Zeiten zum joggen. Klar, es war November und entsprechend schnell wurde es dunkel. Doch sie sehnte sich nach Ablenkung und Entspannung, gerade heute wo Kyo keine Zeit hatte. Also stand sie auf, warf sich in ihre Sportkleidung und machte ein paar Dehnübungen, ehe sie ihr Zimmer verließ.
Als sie die Haustür erreicht hatte, vernahm sie plötzliche Schritte hinter sich. "Wohin des Weges?", die Stimme ihrer Mutter schallte durch das sonst leise Haus.
Kimiko seufzte ohne sich umzudrehen. "Joggen", antwortete sie kurz.
"Um diese Zeit?", ihre Mutter blieb nur wenige Schritte hinter ihr stehen. "Ich weiß nicht, ob ich das gutheißen kann, Kimiko."
"Musst du auch nicht", sagte sie ruhig, aber dennoch bestimmt. "Ist schließlich meine Sache, was ich tue."
Ihre Mutter räusperte sich. "Ich glaube du verstehst mich nicht, Kimiko." Sie machte eine kurze Pause. "Was ist mit deinen Büchern?"
"Meinst du nicht, ich habe genug gelernt?" Kimiko drehte sich nun doch zu ihrer Mutter um. "Ich brauche nur ein wenig frische Luft und Bewegung, das ist alles."
"Das kann ich nicht zulassen, junge Dame." Ihre Mutter räusperte sich. "Nicht nach dem, was man sich in der Nachbarschaft so erzählt."
Kimiko rollte mit den Augen. Die Nachbarn. Natürlich. Interessierte sie das überhaupt? Eigentlich nicht.
Als sie nicht antwortete, fuhr ihre Mutter mit ihren Ausführungen fort. "Mir ist zu Ohren gekommen, dass du dich erstaunlich häufig mit jungen Männern umgibst", erklärte sie schließlich mit ihrer strengen, herrischen Stimme. "Erst kürzlich sollst du einem jungen Dieb hinterher gelaufen sein."
Für einen Moment starrte Kimiko sie an. Ihr fehlten die Worte. "Du lässt mich ausspionieren?", waren die ersten Worte, die ihr über die Lippen kamen. Sie wusste nicht, welche Tatsache sie mehr erschrak: dass ihre Mutter sie beobachten ließ oder dass sie ihr unterstellte, dass sie Interesse an diesem Dieb gezeigt haben sollte.
Erneut räusperte sich ihre Mutter. "Nun, es ist für unsere Familie von essenzieller Notwendigkeit, dass wir immer wissen, was man über uns erzählt." Sie blinzelte kurz und ihr folgender Blick durchbohrte Kimiko wie Nadelstiche. "Oder was würdest du davon halten, wenn die Nachbarn erfahren, was für eine Schlampe meine Tochter in Wahrheit doch ist."
Kimiko taumelte einen Schritt zurück. Bitte? Blanke Wut kochte in ihr hoch. "Warte, du unterstellst mir, eine Schlampe zu sein?", war jedoch alles, was ihr über die Lippen kam. Zu tief saß der Schock.
"Nun", ihre Mutter umrundete sie langsam. "Was soll man sonst von einer jungen Frau halten, die sich ständig mit Männern umgibt? Oder warum hast du sonst schon lange keinen Kontakt mehr zu diesem Mädchen... wie hieß sie noch... Sayoko?"
Langsam erwachte Kimiko aus ihrer Starre. "Willst du damit sagen, dass alle meine Freunde - außer Sayo - schlecht für mich sind, wirklich? Und was ist mit Kyo? Hattest du ihn nicht selbst ausgesucht?"
"Kyo-san... Ach ja", ihre Mutter seufzte. "Der arme Mann. Wenn er nur wüsste... Weiß er zumindest von den Beziehungen, die du schon hattest?"
Mit vor Wut geballter Faust sah Kimiko sie an. "Mutter, es waren zwei. Zwei Ex-Freunde, die DU mir vertrieben hast! Genauso wie Megu und Riko."
"Falsch, Kimiko", ihre Mutter war immer noch ungewöhnlich ruhig in ihrer Stimme. "Diese beiden Freundinnen hast du, sehr zu meiner Freude, selbst verjagt. Was Kyo-San allerdings angeht..."
"Es reicht!", unterbrach Kimiko sie und wandte sich um. Sie wollte kein weiteres Wort hören. Schnell riss sie die Haustür auf und schlug sie mit voller Kraft zu. Was bildete sich ihre Mutter ein? Früher war sie noch so sanft und nett gewesen, zwar auch schon streng, aber nicht so... gehässig. Sie einfach als Schlampe zu betiteln? Was wollte sie jetzt tun, Kyo davon erzählen?
Sie begann zu laufen. Einfach nur zu laufen. Heiße Tränen brannten auf ihrer Wange, angefacht durch den kalten Novemberwind.

Riko hätte nie damit gerechnet, wie einfach es werden würde, Kyo von ihrem Plan zu überzeugen. Klar, sie wusste, dass er sie anscheinend sehr mochte, aber das er ihr nicht auch nur ein Widerwort gab überraschte sie schon ein wenig. Immerhin ging es um seine Wohnung, die in Anspruch genommen werden sollte, doch anscheinend war ihm auch daran gelegen das Kimiko wieder Kontakt zu ihnen hatte. Er hatte sogar ein wenig Sorge durchklingen lassen, als die beiden telefonierten, was Riko schon erstaunte - anscheinend waren er und Kimiko sich ja doch näher gekommen.
Jedenfalls war der Tag endlich gekommen und Riko hoffte inständig darauf, das er Früchte tragen würde. Immerhin ging es hier nicht nur um Sayoko und Kimiko, sondern um eigentlich alle. Sie vermisste ihre Freundin sehr, und vor allem vermisste sie es, mit allen wieder zusammen zu sein.
Und so saß sie, eine große Spur aufgeregter als sonst in Kyos Wohnung und hoffte, das ihnen das Zeitmanagement keinen Strich durch die Rechnung machen würde.

---------------------

Sayoko hatte sich unwohl gefühlt, bei den Gedanken, sich mit allen anderen in Kyos Wohnung zu treffen.
Sie verstand zwar den Sinn - immerhin mussten sie sich wirklich langsam einen Plan wegen Nanashi überlegen, und ja, es wurde auch genauso Zeit das sie ihnen einige Fragen beantwortete. Und es war ebenfalls auch sinnvoll sich bei Kyo zu treffen, da seine Wohnung anscheinend groß genug und am zentralsten gelegen war. Trotzdem, allein die Tatsache, dass sie nicht wusste ob Kimiko dabei sein würde, machte sie viel nervöser als sie es zugeben wollte.
"Wird schon schief gehen." Sagte Akito, welcher ihre Gedanken zu lesen schien und ihr durchs Haar wuschelte.
"Du solltest dir das langsam wirklich Mal abgewöhnen." Erwiderte Sayoko nur und richtete sich die Frisur. "Du weißt nicht zufällig ob Kimiko auch da sein wird...?"
Akito zuckte mit der Schulter. "Keine Ahnung, Megumi und Riko meinten nur das wir uns alle da treffen würden. Mach dir echt keinen Kopf, das wird schon." Er grinste, doch Sayoko fühlte sich dennoch nicht beruhigt.

"Wird schon schief gehen", meinte Megumi und stellte eine Schale mit selbst gebackenen Keksen auf den kleinen Couchtisch, konnte dabei ihre Nervosität nicht ganz verbergen. Sie verstand Rikos Sorge. Was, wenn Kimiko oder Sayoko direkt wieder kehrt machen würden, wenn sie sie sahen? Schließlich hatten sie die Zeit extra so abgeklärt, dass zumindest sie beide als erstes in der Wohnung waren. So konnten sie zusammen mit Kyo Kimiko schon Mal fest halten, während Sayoko und Akito etwas später da waren.
Und die Kekse hatte Megumi extra gebacken, in der Hoffnung, dass das zumindest etwas die Stimmung auflockern würde, wenngleich sie sich irgendwo unsicher war deswegen. Und so stand sie da und knetete ihre Finger ineinander, als Kyo die nächsten Gäste bereits rein bat.

-----------

Kimiko hatte ein ungutes Gefühl, als sie heute zu Kyo ging. Ob es an den Worten ihrer Mutter lag, die ihr noch immer im Hinterkopf kreisten, wie eine schwarze Wolke, die sich über sie legte. Insgeheim hoffte sie, dass sie noch nicht mit Kyos Familie gesprochen hatte. Warte, warum eigentlich? War es ihnen nicht eigentlich gelegen, wenn die Verlobung aufgelöst würde? Schließlich konnten sie dann definitiv ihre Freundschaft frei ausleben, ohne dem Zwang, irgendwann heiraten zu müssen. Gleichzeitig wollte sie gerne vorher mit Kyo über die Sache reden, seine Meinung dazu einholen. Und vor allem erklären, was für haltlose Anschuldigungen das waren. Insofern war sie nicht unglücklich darüber, dass er sie darum gebeten hatte, vorbei zu kommen. Ihre Mutter war glücklicherweise außer Haus, da konnte sie sich nicht dazwischen stellen, dennoch... Sie musste mit ihm reden.
Und so stand sie nur wenige Minuten später in seiner Wohnung und blieb zunächst wie angewurzelt stehen, als sie weitere Personen im Raum sitzen saß. "Was hat das zu bedeuten?", fragte sie ein wenig überrascht und in erster Linie an Kyo gerichtet.
Megumi winkte ihr mit einem strahlenden, unschuldigen Lächeln zu. "Hi Kimi-Chan!"

Riko stand auf, grinsend, kam ihrer Freundin entgegen gelaufen und packte sie am Handgelenk, um sie aufs Sofa zu zerren.
"Keine Sorge, wir sind auch bald wieder weg~" sagte sie fröhlich, nachdem sie Kimiko platziert hatte.
Sie lief in die Küche, wo sich Kyo befand.
"Immerhin ist sie nicht direkt wieder abgehauen?" Sagte sie schließlich zu ihm und lehnte sich gegen den Kühlschrank. "Jetzt nur noch hoffen das Akito und Sayo bald da sind..."
Kyo stellte ein letztes Glas in den Schrank und zwinkerte ihr zu.
"Das wird schon. Und ansonsten geht ihr gleich einfach und ich sperre die beiden ein, bevor sie wirklich noch flieht."
Riko seufzte. "Weißt du eigentlich was aktuell mit ihr los ist? Ich mein, dass mit Sayo kann ich verstehen, aber wir haben ihr doch nichts getan..."
"Ich weiß dahingehend nicht viel mehr als du. Aber mach dir keine Sorgen, Riko-chan, ich glaube das regelt sich alles automatisch."
"Hmmm." Erwiderte Riko nur entmutigt, als sie plötzlich ein Klopfen von der Wohnungstür vernahm.
"Oh, da sind sie ja~ Ich hol Megu, lass du die beiden rein!"
Mit den Worten lief Riko zurück ins Wohnzimmer.
"Wollen wir dann, Megu-chan?" Fragte sie. "Wir wollen schließlich nicht länger stören als nötig, oder?"

"Was wird hier eigentlich gespielt?", fragte Kimiko sichtlich verwirrt. Warum waren Megumi und Riko hier? Und was sollte das ganze?
Noch ehe sie sich weiter beschweren konnte, schob Megumi ihr plötzlich einen Keks in den Mund, ein entschuldigendes Lächeln auf den Blick.
"Es ist alles nur zu eurem Besten, Kimi-Chan", sagte sie noch, dann lief sie schnell zu Riko.
Kimiko blieb derweil resigniert auf der Couch sitzen. Sie hatte eine dumpfe Vorahnung was passieren würde und wusste, dass es ohnehin keinen Sinn hatte, dagegen anzukämpfen. Warum auch? Sie kannte die Mädchen lange genug um zu wissen, dass sie sie nicht gehen lassen würden, ehe was-auch-immer sie geplant hatten, umgesetzt wurde.

Ein ungutes Gefühl überkam Sayoko, als Kyo ihnen die Tür lächelte, mit einem freundlichen Lächeln auf den Lippen.
"Hey, freut mich das ihr es einrichten konntet." sagte er zur Begrüßung, und deutete die beiden hinein. Sie meinte, so etwas wie ein entschuldigendes Lächeln auf Akitos Gesicht erkennen zu können, ehe sie plötzlich Riko und Megumi erblickte, welche ebenfalls im kleinen Flur standen.
"Hey Sayo-chan~" sagte Riko, und bevor Sayoko auch nur ein Wort der Begrüßung erwidern konnte, wurde sie auch schon am Handgelenk gepackt und ins Wohnzimmer gezerrt, in der die Person saß, die Sayoko am Meisten und gleichzeitig auch am wenigsten sehen wollte. "Tut mir wirklich Leid, aber das ist zu eurem Besten."
Das Grinsen auf Rikos Lippen hatte schon fast was triumphierendes.
"Also, wir geben euch zwei Stunden Zeit, und wenn ihr das immer noch nicht geklärt habt packen wir einfach jedes Mal eine weitere Stunde drauf." fuhr Riko fort, und bevor auch nur einer der beiden irgendetwas erwidern konnte, hatte sie die Wohnzimmertür auch schon zugeschlagen. "Hasst mich so viel ihr wollt, Ri-chan kommt damit klar~" Das war das letzte, was Sayoko hörte, ehe die Wohnungstür zugeworfen wurde und das Klirren von Schlüsseln erklang.

--------------------------------
"Sie werden mich sowas von hassen, oder?" fragte Riko, nachdem vier die Wohnung verlassen hatten.
"Nicht nur dich, keine Sorge. Uns alle wahrscheinlich." erwiderte Akito, der sich aber ein belustigtes Grinsen nicht verkneifen konnte.

Kimiko schluckte den letzten Bissen des Kekses runter und beugte sich dann leicht nach vorne. "Tja", sagte sie resignierend, "sieht so aus, als bliebe uns hier nichts anderes übrig."
Sie bemühte sich um ein leichtes Lächeln, obwohl ihr im Moment eigentlich nicht danach war. Zu sehr fühlte sie sich überrumpelt, gerade nach dem Stress, den sie zu Hause und durch's Lernen auch schon hatte. Dass ihre eigenen Freunde sie auch noch so hintergingen, allen voran Kyo... Wobei, wenn sie genauer darüber nachdachte überraschte es sie auch nicht wirklich.
Sie deutete auf die Couch. "Setz dich. Die Kekse scheinen übrigens von Megu zu sein."
Ihr wahr bei der Sache wohl genauso unwohl wie Sayo, trotzdem... ihnen blieb ohnehin nichts anderes übrig als dieses Spiel mitzuspielen. Also konnte sie genauso gut auch freundlich sein und guten Willen zeigen. Auch wenn sie nicht genau wusste, wie sie mit Sayoko reden sollte.

------------

"Mir ist es egal, ob sie mich hassen oder nicht", meinte Megumi mit hinter dem Kopf verschränkten Armen. "Solange sie endlich aufhören so stur zu sein und sich endlich aussprechen können."
Auch sie begann zu grinsen. "Wer nicht reden will, wird eben eingesperrt, bis er redet. So einfach ist das."

"Ich hätte eigentlich damit rechnen können." seufzte Sayoko schließlich, ehe sie sich auf dem Sessel, der gegenüber der Couch stand, niederließ. "Wirklich, dass sind mir tolle Freunde."
Sie griff ebenfalls zur Schüssel und nahm sich einen Keks, um die Zeit, in der sie was sagen musste, zu überbrücken. Ihre Gedanken rasten, und sie wusste nicht, was sie sagen sollte, sagen konnte.
So vergingen einige, schmerzhaft lange Minuten, in denen die beiden einfach nur schweigend da saßen, beide nicht in der Lage, den Elefanten im Raum anzusprechen.
"Tja... schätze uns bleibt nichts anderes übrig, was?" unterbrach Sayoko schließlich die Stille, vermied es aber, Kimiko anzusehen. Ihr lag eine Entschuldigung auf den Lippen, aber gleichzeitig war da etwas, was sie blockierte. War es ihr falscher Stolz gewesen oder doch die Tatsache, dass sie sich doch irgendwo verletzt gefühlt hatte? Sie wusste es nicht.

"Scheint so", murmelte Kimiko und griff ebenfalls nach einem Keks. Sie waren nicht schlecht, keine Frage. Aber vor allem halfen sie ihr, zumindest ein bisschen Nervosität abzulegen und die Anspannung raus zu lassen.
"Ehrlich, diese vier können später was erleben", sagte sie leise und mehr zu sich selbst.
Sie versuchte ihre Gedanken zu ordnen. Viel zu oft war sie in letzter Zeit ein mögliches Gespräch durchgegangen, hatte diese Gedanken jedoch immer wieder aufs neue verworfen - zu groß war ihre Angst gewesen. Angst vor Zurückweisung und ähnlichem. Sie seufzte schwer. Wie sollte man dieses verdammte Gespräch nur beginnen?
Fast wünschte sie sich, Kyo hätte ihnen auch Alkohol hin gestellt. Es war nicht so, dass Kimiko viel oder gerne trank. Aber das würde vielleicht gegen die Nervosität, diese Anspannung helfen. Und sie spürte, ja sah Sayoko an, dass es ihr nicht anders ging. Die Art, wie sie ihren Blick mied, ständig irgendwo anders hinsah. Selbst Kimiko fiel es schwer, den Kopf aufrecht zu halten, Sayoko direkt anzusehen.
Schließlich biss sie sich auf die Lippen, rang noch einen kurzen Augenblick mit sich. Wie viele Minuten waren wieder vergangen? Es war ihr auch egal. "Also..." Ihre Hände verkrampften sich ineinander. Nun hatte auch sie den Blick gesenkt. "Du sagtest, du fühltest dich allein gelassen, ja?"

Sayoko antwortete zuerst nicht. Konnte nicht antworten.
Es stimmte, sie hatte sich alleine gelassen gefühlt - aber nicht nur von Kimiko. Eigentlich von den meisten Menschen, bis auf Nana und Akito damals. Aber war dieses Gefühl auch berechtigt gewesen? Immerhin kannten Kimiko und Sayoko sich nicht allzu lange zu dem Zeitpunkt, anders als Yuu, welcher eigentlich ihr Leben lang an ihrer Seite gewesen war und sie aufgrund seiner eigenen Probleme im Stich gelassen hatte. War das wirklich fair, ihnen das vorzuwerfen? Wo sie doch alle jung waren, mit dem Kopf voller eigener Probleme? Sie war sich selbst nicht mehr so sicher.
Gleichzeitig hatte sie in der Oberschule auch die meiste Zeit alleine verbracht, wenngleich es auch irgendwo freiwillig war. Es herrschten eh schon hässliche Gerüchte über sie, ständig wurde hinter ihrem Rücken getuschelt, sie wurde regelrecht ausgegrenzt - hatte sie sich dann nicht eher bewusst auch von Kimiko zurückgezogen, nur damit diese davon verschont blieb? Damit sie ein entspannteres Schulleben haben konnte?
Wahrscheinlich gab es darauf keine richtige oder falsche Antwort, geschweige denn einen Schuldigen.
"Ja." antwortete sie schließlich leise. "Ich hatte immmer das Gefühl, du warst distanzierter nachdem Mama verstorben war. Als wäre ich nur eine Last für dich." Sie schluckte. "Ich weiß aber selbst nicht, wie sehr das stimmt oder nicht. Immerhin bin ich irgendwo immernoch geisteskrank." Sie lachte leise beim letzten Satz, auch wenn ihr bewusst war, das es wohl sonst keiner außer ihr lustig finden würde.
"Gleichzeitig wollte ich dich nicht mit runterziehen. Du passt viel besser zu fröhlichen Leuten, die dein Leben bereichern, als zu jemand bitteren und hässlichen wie mir. Du hast doch selbst mehr als genug Probleme. Ich weiß, das ist ganz schön ambivalent, aber..." Sie fuhr sich durchs Haar, seufzte, ehe sie ihren Blick doch endlich auf Kimiko richtete.
"Das ist eigentlich das, was ich mit 'strahlenden Persönlichkeiten' meinte. Gott, das ergibt keinen Sinn wenn ich das so sage, oder? Einerseits beschwere ich mich das du nicht für mich da warst und gleichzeitig will ich dich nicht runterziehen. Ich muss gerade wirklich wie ein Idiot wirken."
Es gab so viele Dinge in ihrem Kopf, die sie nicht greifen konnte - Gedanken, Gefühle, Anschuldigungen an sich, an Kimiko, sogar an ihre Mutter - viel zu viele Sachen, für die sie keine Worte fand, keine passenden; keine, die jemand verstehen konnte, der nicht Sayoko war.
Sie fühlte sich wahnsinnig. Wieso konnte sie nicht einfach die Vergangenheit ruhen lassen, akzeptieren, das ihre Mutter nicht mehr war, das sie nicht mehr wieder kommen würde; wieso machte sie den Leuten, die sie liebte, Vorwürfe über eine vergangene Zeit, wo doch eigentlich endlich das "Jetzt" zählen sollte? War es nicht wichtig, dass Kimiko "Jetzt" wieder mit ihr Zeit verbringen wollte? Das Yuu sie "Jetzt" liebte?
Oder war es doch die Schuld von Nanashi, der ihr diesen Parasiten ins Hirn gesetzt hatte, der sie daran hinderte, nach vorne zu sehen? Der ihr immer wieder ins Gedächtnis rufen wollte was für ein schlechter Mensch sie war? Das sie Nana in Stich gelassen hatte, und deshalb nicht verdient hatte, an die Zukunft zu denken?

Sie hatte zugehört. Jedes Wort von Sayoko gehört und in sich aufgenommen. Dann begann sie plötzlich zu lachen. Leise, abgehakt, freudlos. Die Hand vor die Stirn gehalten. "Wirklich?", fragte sie und sah Sayoko dann mit einem fast schon traurigen Lächeln an. "Also in einer Hinsicht sind wir uns schon sehr gleich, weißt du." Sie dachte an ihre Gedanken, weshalb sie sich von Riko und Megumi abgewandt hatte und lehnte sich auf der Couch zurück. "Um ehrlich zu sein habe ich mich aus einem ähnlichen Grund von Riko und Megu zurück gezogen. Ich wollte dass sie für dich da sind. Dachte, du brauchst eher fröhliche Mädchen wie sie an deiner Seite, die dich aufheitern und nicht wegen jedem kleinen bisschen erst Mal stunden- oder gar tagelang überlegen müssen, wie sie fortfahren."
Sie blinzelte kurz und legte dann den Kopf in den Nacken, sortierte ihre Gedanken ein wenig.
"Trotzdem möchte ich mich auch bei dir entschuldigen. Auch wenn du es vielleicht jetzt anders siehst, habe ich mich wirklich von dir distanziert, in der schwersten Zeit deines Lebens." Nun sah sie Sayoko wieder an. "Um ehrlich zu sein... ja du warst damals 'unpraktisch'. Aber in erster Linie wusste ich nicht, wie ich damit umgehen sollte und hatte gleichzeitig Angst, dir noch mehr weh zu tun." Sie schloss die Augen für einen Moment, überlegte wie sie weiter machen sollte. "Und ehe ich mich versah hatte ich so lange darüber nachgedacht, dass ich mich wieder gefragt hatte ob es sich jetzt noch 'lohnt' das richtige zu tun. Ob es nicht schon zu spät war. Bei unserem Streit jetzt das gleiche. Ich wollte schon viel früher wieder zu dir Kontakt aufnehmen um mit dir über die Sache zu reden. Dann vergingen jedoch Wochen, Monate, in denen ich mich zu sehr auf andere Dinge konzentriert hatte, dass ich mir eingeredet habe es wäre zu spät."
Natürlich war das nicht der einzige Grund. Ihre Mutter hatte sie auch stark unter Druck gesetzt, wollte dass sie ihre Zeit nur noch ins Lernen investierte. Dadurch hatte Kimiko es regelrecht vergessen. Vergessen, dass es auch andere wichtige Dinge gab, die sie erledigen wollte - erledigen musste. Und dann hatte sie auch begonnen diese Abneigung zu spüren, diese Schuld. Um nicht daran zu denken hatte sie sich zu Kyo geflüchtet, seinen Rat gesucht. Bis es schließlich so weit gekommen war, wie es nun war.

Sayoko schwieg, den Blick auf den Boden gerichtet, mit einem schwachen Lächeln auf den Lippen.
"Danke." Sagte sie schließlich. "Manchmal weiß ich gar nicht mehr ob meine Gefühle überhaupt berechtigt sind. Oder ob ich überhaupt ein Recht habe, mich verletzt zu fühlen."
Schließlich richtete sie ihren Blick wieder zu Kimiko. "Ich hab dich ganz schön vermisst, weißt du das? Ich... Es tut mir Leid das ich dich so angefahren habe, vorallem nachdem du mir geholfen hast."
Sie merkte, wie sich ihre Augen mit Tränen füllten, dennoch lächelte sie. Sie wusste nicht wieso, aber die Wahrheit zu hören, dass Kimiko sich wirklich zurück gezogen hatte, das sie nicht alleine daran Schuld war - all das war so ein seltsames, unbekanntes Gefühl für jemanden gewesen, der diese Möglichkeit gar nicht mehr in Betracht ziehen konnte.

Ein leichtes Lächeln formte sich auf Kimikos Lippen und auch sie spürte, dass ihr Tränen in die Augen stiegen. Ohne ein Wort zu sagen stand sie auf und nahm ihre Freundin in den Arm, eine Geste die für sie eigentlich mehr als untypisch war und doch hatte sie das Verlangen.
"Wir sind doch zwei ganz schöne Sturköpfe, meinst du nicht?", sagte sie und lachte leise. Es war, als wäre eine gewaltige Last von ihr gefallen, nun dass sie sich ausgetauscht hatten. Ihre Angst, von Sayoko zurückgewiesen zu werden war verflogen, verpufft. Genauso plötzlich wie sie gekommen war.

Sayoko war erst ein wenig überfordert mit der Umarmung - doch es dauerte nicht lange, Ehe sie diese erwiderte.
"Und was für Sturköpfe." Sie lachte leise. "Anscheinend stur genug das man uns erst einsperren muss bevor wir reden."
Schließlich lösten sich die beiden voneinander, und ein freches Grinsen überkam Sayoko's Lippen.
"Wir lassen das denen aber nicht einfach so durchgehen, oder?"

Kimiko erwiderte das Grinsen.
"Was meinst du denn?", antwortete sie zwinkernd und setzte sich wieder auf die Couch.
"Die Frage ist nur wie. Etwa eine Stunde haben wir noch Zeit."
Ihr Blick wanderte durch das Wohnzimmer auf der Suche nach einer möglichen Idee.