Mahou Shoujou

Er hob seinen Blick, sah das Glänzen in ihren Augen. Die unterdrückten Tränen. "Bist du dir sicher?", fragte er und wischte ihr eine Träne, die sich doch in ihren Augenwinkeln verloren hatte weg.
"Du musst nicht immer alles in dich hinein fressen, Sayo."

"Tu ich nicht." erwiderte, sie fast flüsternd. "Ich rede nur nicht gerne darüber. Wieso auch? Ändert doch eh nichts." Sie vermied es, Yuudai anzusehen.

"Das stimmt wohl", sagte er und ließ von ihrer Hand ab. Aus irgendeinem Grund begann die Wut in ihm wieder zu kochen. Leicht nur. Doch es machte ihn irgendwie wütend, zu sehen, wie sie alles unterdrückte. Er stand langsam auf.
"Entschuldige, dass ich dich daran erinnert habe. Vielleicht ist es besser, wenn ich dich mit deiner Trauer alleine lasse."

Ein bitteres Lächeln fuhr über ihre Lippen. "Hast du doch die letzten Jahre auch immer." erwiderte sie nur, leise, aber laut genug das er es hören musste.

Er hielt mitten in der Bewegung inne und drehte sich halb zu ihr. "Wie kommst du auf einmal darauf?", fragte er, seine Stimme kühler als beabsichtigt.

"Du weißt genau was ich meine." Sie mochte die Richtung nicht, in der sich das gerade entwickelte. Einerseits war sie frustriert, wütend; auf Yuudai, weil er sie durchschaut hatte und auf sich selbst, weil sie es nachwievor nicht schaffte, zu reden; andererseits durchfuhr sie auch eine große Angst, da er der letzte war, mit dem sie eigentlich streiten wollte.
"Als Mama gestorben ist hast du mich doch auch alleine gelassen. Und die Jahre danach auch." Sie machte eine kurze Pause, und holte Luft, um ihrer zittrigen Stimme etwas Kraft zu geben. "Und ich wette, wäre die Sache mit Nana nicht wäre das wahrscheinlich immer noch so." Den letzten Satz flüsterte sie fast schon - es waren Gedanken, die sie hatte, die sie aber nie aussprechen wollte, aus Angst vor der Wahrheit.

"Und wenn es so wäre? Wärst du dann glücklicher?", seine Stimme war tonlos, nach wie vor kalt. Er spürte, wie seine Hand zu zittern begann, ballte sie zur Faust. Die unterdrückte Wut stieg in ihm auf. "Du weißt genau, dass die Situation damals eine ganz andere war."
Er erinnerte sich daran, wie sein Vater kurz vor dem Tod von Sayos Mutter seine Neue angeschleppt hatte - viel zu früh in Yuudais Augen. Von da an, war alles nur noch abwärts gegangen. Sie hatte ihn unterdrückt, versucht abzuschieben, aus der Familie zu ekeln. Gleichzeitig versucht, seine Mutter zu ersetzen. Ständig versucht zu zeigen, dass sie "besser" war. Und doch wusste Yuudai, dass sie nur das Geld hatte haben wollen. Wie hätte er da den Kopf haben sollen, seinen Freunden beizustehen? Verdammt noch Mal, sie wusste genauso gut wie er, dass er sich damals komplett zurück gezogen hatte.

Sie schluckte schwer. Er hatte es nicht verneint. "Soll ich dir mal was verraten?" Sie konnte schließlich die Tränen nicht an sich halten. "Jeder, wirklich fast jeder hat mich damals im Stich gelassen. Jeder, den ich damals gebraucht habe, hat sich von mir distanziert. Und dann sagst du mir ich soll reden? Wobei das doch bisher jeden von mir weggedrängt hat? Verdammt, Yuu, ich stand damals mit Nana auf dem Schuldach, ich war kurz davor zu mich umzubringen! Und was hat es mir gebracht das ich gekniffen habe? Die ganze andere Scheiße die jetzt hier läuft! Und anscheinend muss ich Nana auch noch dankbar dafür sein, ansonsten hättest du mich ja auch weggeworfen wie alle anderen Weiber."
Sie zitterte.

Er schlug mit der Faust gegen die Wand, mit voller Kraft. Es war regelrecht ein Wunder, dass außer einem dumpfen Knall nichts geschehen war. "Was willst du eigentlich von mir?!", seine Stimme war lauter geworden. "Dieses ganze 'was wäre wenn'. Sollen wir das noch weiter spinnen? Was wäre, wenn unsere Mütter NICHT gestorben wären. Oder sollen wir noch weiter in die Vergangenheit gehen?" Er wandte sich zu ihr um. "Hätte ich dich ohne Nana weg geworfen wie die anderen Weiber? Vielleicht. Vielleicht hätte ich dich dann aber auch gar nicht angerührt." Er nahm seine Tasche und berührte die Türklinke. "Entschuldige", war das letzte Wort, das er hervor brachte, bevor er innerlich aufgebracht und aufgewühlt das Zimmer verließ, die Tür lauter zuschlagend als er wollte.

Wie in Trance sah Sayoko ihn hinterher und merkte, wie ihr stumm die Tränen runter liefen. Wieso musste das so eskalieren? Wann war das so eskaliert? Sie wollte doch nur... Ja, was wollte sie eigentlich?
"Ich bin echt das Letzte." sagte sie zu sich selbst, ehe sie aufstand und die Tür abschloss. Sie wusste, das Akito und seine Eltern das mitbekommen haben mussten. Sie wollte sie nicht sehen; wollte niemanden mehr sehen.
Sie kauerte sich vor der Tür zusammen. Nana hatte am Ende Recht. Sayoko's Persönlichkeit war bitter, hasserfüllt und einfach nur hässlich. Er wollte für sie da sein, und sie? Ihr fiel nichts besseres ein als ihm Vorwürfe zu machen. Es war das selbe wie mit Kimiko. Sie hatte beide nicht verdient.

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Akito war unten, bei seiner Mutter und sah mit ihr den Film, den Sayo nicht mitsehen wollte, als er plötzlich einen Knall und kurz darauf später eine Tür knallen hörte. Er tauschte besorgte Blicke mit seiner Mutter aus, und kurze Zeit bekam er mit, wie jemand - wahrscheinlich Yuudai - eilig die Wohnung verließ.
"Guck du nach Sayo." sagte er zu seiner Mutter, ehe er aufstand, sich die Schuhe anzog und Yuu hinterherlief.

Er musste gehen, sonst wäre ein Unglück geschehen. Yuudai wusste es nur zu gut. Diese Wut, die er schon seit Jahren in sich trug, unterdrückt, tief in sich verschlossen. Eine Zeit lang hatte er sie kontrollieren können, zunächst dadurch dass er Frauen demütigte, sich mit ihnen vergnügte und sie später weg warf, wie ein altes Stück Toilettenpapier. Nur Sayo war von Anfang an anders gewesen, sie war die eine Frau gewesen, die er nicht so demütigen wollte.
Und so hatte er, seit er sein "Ventil" verloren hatte, immer weiter seine stumme Wut aufgebaut. Bis eben hatte er es unterdrücken können. Ganz tief in sich einschließen können. Doch nun brodelte sie hoch, wie ein Vulkan der jederzeit explodieren konnte und alles zu seinen Füßen in Lava und heißem Rauch vergrub. Wäre er noch eine Sekunde länger bei Sayo geblieben... Er wusste nicht, wie er reagiert hätte. Hätte er sie vielleicht am Ende geschlagen? Oder die Wohnung kurz und klein gehauen?
An einer Straßenlaterne blieb er stehen und hieb mit aller Kraft dagegen. Obwohl seine Hand rot anlief und das Licht kurz flackerte, blieb jeglicher Schmerz weg. Laut fluchend ging er weiter. Er brauchte ein Ventil. Irgendeines. Musste seine Gefühle loswerden. Und wenn er am Ende irgendwelchen besoffenen Kerlen oder sonstigen Passanten eine rein hauen würde - das war ihm in diesem Moment vollkommen egal.

Akito lief nicht lange, ehe er seinen besten Freund an einer Laterne vorfand. Rasch eilte er zu ihm.
"Was zum Teufel ist los, Yuu?" fragte er ihn schließlich, immer noch ganz außer Atem.
Er hoffte, dass Yuu nichts allzu dummes angestellt hatte...Und das es Sayoko gut ging.

"Was willst du hier?", fragte Yuudai keuchend, kalt. Er spürte, dass seine Hand anschwoll, aber immer noch keinen Schmerz. Alles war von seiner blanken Wut übertönt, die er nach wie vor versuchte so gut es geht zu unterdrücken.

"Tut mir Leid das ich mir Sorgen um dich mache, nachdem du mit unseren Türen knallst und wie ein Wahnsinniger die Wohnung verlässt." erwiderte Akito, sah seinem besten Freund aber an, wie wütend er war.
"Wenn du mir eine reinhauen willst, nur zu, hauptsache du redest danach normal mit mir." Er kannte Yuudai, zu gut - und auch sein Wutproblem. Immerhin schien er nicht diese nicht mehr an Frauen auszulassen.

Yuudai zögerte einen Moment, legte dann aber doch all seine Wut in den einen Schlag, den er Akito versetzte. Dieser taumelte ein paar Schritte zurück, blieb aber - von der blutenden Nase abgesehen - ansonsten stehen. Yuudais Atem ging stoßweise, noch immer kochte die Wut in ihm, doch der Drang irgendetwas zu zerstören ließ wenigstens nach stattdessen raufte er sich die Haare und versuchte seine Gedanken irgendwie in den Griff zu kriegen.
Dann wandte er sich leicht von Akito ab. "Danke... Und sorry", brachte er keuchend hervor. Wie sehr er diese Wutanfälle doch hasste.

Er grinste, während er sich die blutende Nase hielt. "Lieber du haust mir eine rein als irgendjemand anderen. Also, erzählst du mir jetzt was los ist?"

Yuudai seufzte schwer, schaffte es aber nicht, sich zu einem Grinsen durchzuringen - wie es normalerweise der Fall war. "Du musst deine Nase auch wirklich überall reinstecken, was?", sagte er mit sarkastischem Unterton, ehe er Akito vom Streit erzählte. Er erzählte ihm nicht jedes Detail, wie beispielsweise konkrete Gesprächsinhalte.
"Es hat sich hoch geschaukelt und bevor mir die Hand ihr gegenüber ausrutscht, bin ich lieber gleich abgehauen", beendete er seine Erzählung schließlich.

"Immerhin hast du dahingehend Anstand." Meinte Akito, während er sich weiter die Nase abtropfte. Er war in Gedanken bei Sayoko - er hoffte das seine Mutter zu ihr durchdringen konnte. Und das es sie nicht allzu sehr in ein Loch warf. Ihm war auch aufgefallen, dass etwas los war - doch hatte er aufgegeben, mit ihr reden zu wollen. Sie hatte eh abgeblockt. Akito konnte wahrscheinlich froh sein das er überhaupt etwas wusste.
"Was hast du jetzt vor?" fragte er ihn schließlich, und hoffte sein bester Freund wäre vernünftigt genug um selbst auf die Antwort zu kommen.

Er kratzte sich am Kopf und schien für einen kurzen Augenblick zu überlegen. "Ich werde noch Mal mit ihr reden", sagte er schließlich. "Wenn sie bereits dazu ist." Jetzt, wo seine Wut verpufft war, konnte er ihre Anschuldigungen und Fragen besser nachvollziehen und verstehen. Er war ihr Antworten schuldig. Und eine Entschuldigung.
Er wandte sich um, um wieder zurück zu gehen. "Außerdem sollte man was wegen deiner Nase tun."

"Heh, da bin ich mal gespannt wie du das Sayo und meiner Ma erklären willst." erwiderte Akito, war aber froh, dass Yuu sich wieder beruhigen konnte - auch wenn er dafür nun eine blutige Nase kassiert hatte.
Die beiden gingen wieder Richtung nach Hause, und sofort hatte Akito's Mutter ihn in Empfang genommen. Auf die Frage, was passiert war, zuckte Akito nur grinsend die Schulter und zwinkerte Yuu zu.

Yuudai nickte kurz als Zeichen dafür, dass er verstanden hatte, ehe er zur Tür von Sayos Zimmer ging - vor der er zunächst stehen blieb. Er war nicht gut darin, Streitereien aus dem Weg zu schaffen, normalerweise war es ihm auch egal gewesen. Aber dieses Mal würde er es durchziehen. Und hoffte, dass Sayo ihm verzeihen konnte.
Er atmete tief durch, dann klopfte er vorsichtig. "Sayo? Ich bin's", sagte er ruhig. "Ich wollte mit dir reden." Er zögerte kurz, ehe er noch hinzufügte: "Und mich für vorhin entschuldigen."

Sayoko hatte noch immer vor der Tür gesessen, aber nicht mehr geweint. Akitos Mutter hatte nach dem Rechten sehen wollen, hatte aber akzeptiert, das Sayoko sie nicht sehen wollte. Viel zu sehr hasste sie sich selbst. Wieso hatte sie es einfach nicht geschafft, zu reden? Wieso musste sie ihm auch noch diese dummen Vorwürfe machen? Er hatte ja Recht. Es brachte nichts in der Vergangenheit zu wühlen.
Als sie schließlich Yuu's Stimme vernahm, zögerte sie kurz; war sich unsicher, ob sie richtig gehört hatte; ehe sie doch aufstand, die Tür aufschloss und ihn in die Arme fiel.
"Es tut mir Leid." sagte sie, leise. "Es tut mir so Leid, ich weiß das du es nur gut gemeint hast, und ich... Ich... ich hatte so Angst das du nicht wieder kommst, Yuu..."

Er nahm sie in die Arme, streichelte ihren Kopf, wie er es immer tat wenn es ihr schlecht ging. "Kann ich rein kommen?", fragte er ruhig und begleitete sie dann in ihr Zimmer. Er wollte unter vier Augen mit ihr reden. Nachdem sie sich wieder aufs Bett gesetzt hatten, nahm er ihr Gesicht mit beiden Händen und sorgte dafür, dass sie ihm ins Gesicht sah. Ihre Augen waren rot unterlaufen, was Schuldgefühle in ihm weckte.
"Sayo... gib nicht nur dir die Schuld okay?" Er streichelte ihr sanft über die Wange. "Meine Reaktion war auch nicht richtig. Du hast Recht, ich habe dich damals im Stich gelassen. Mit deinem Schmerz, deiner Trauer und allem. Das war nicht richtig und dafür möchte ich mich aufrichtig entschuldigen."

Sayoko brauchte ein paar Sekunden, um seine Worte zu verarbeiten. Er hatte sich entschuldigt? Dabei war sie doch diejenige, die angefangen hatte.
"Du hast aber genauso Recht. Es bringt nichts, in der Vergangenheit zu leben." erwiderte sie, leise. "Ich weiß, ich sollte mehr darüber reden, aber ich ... hab immer noch Angst, dass es dir, oder sonst wem, zu viel wird..." Sie legte ihre Hand auf seine. "Ich will halt niemanden mehr unnötig belasten."
Nana's Worte schallten wieder in ihrem Kopf. Das sie alle nur runterziehen würde, und keiner glücklich mit ihr werden könnte, weil sie genauso hoffnungslos und verdorben wie Nana war.

Er küsste sanft ihre Stirn. "Es bringt aber auch nichts, wenn du dich nur noch weiter runter ziehst. Ich weiß, es ist schwer. Und ich kann dir deine Gedanken nicht nehmen, so sehr ich es mir auch wünschen würde."