Central Hell Goddess 2

"Und selbst du glaubst es mir nur, weil du mich zufällig gesehen hast." Er lächelte. "Wobei ich mir gar nicht Mal so sicher bin ob das nicht doch irgendwie Schicksal war." Den letzten Part murmelte er eher.
Dann drehte er sein Gesicht wieder zu ihr. "Du hast mir eigentlich nie genau verraten was dich eigentlich bewegt, diese Welt so unbedingt retten zu wollen."

Die Frage überraschte sie ein wenig, auch wenn sie sie verstehen konnte. Hatte sie ihm nur gesagt, dass sie den Blutmond beenden wollte, vorrangig um den Menschen zu helfen. Doch er schien selbst zu merken, dass da mehr dahinter steckte. Etwas, das nicht unbedingt zum Wohle aller war, sondern in erster Linie aus einem privaten Antrieb her stammte.
Sie wich seinem Blick aus, berührte dabei ihre rechte Seite. Bisher war sie damit aufgewachsen, dass niemand davon erfahren durfte. Und das letzte Mal, als sie über diese Narbe gesprochen hatte, hatte ihr Vater sie in ihrem Zimmer eingesperrt. Weg von allem. So sehr sie ihren Vater auch liebte, der Schmerz und die Wut über diese Aktion ruhten immer noch in ihrem Herzen. Wenn er wenigstens mit ihr darüber geredet hätte, ihr erklärt hätte warum.
„Ich…“, begann sie nach einer gefühlten Ewigkeit. Noch immer mit den Worten hadernd. Er hatte ihr seine Geschichte erzählt… Da war es nur gerecht, wenn sie ihm auch ihre erzählte oder? Sie seufzte und entschied, sich noch einmal von vorne zu beginnen.
„Als Kind wurde ich von einem Dämon angegriffen“, begann sie schließlich, die Stimme nun gefasster. Dennoch duster, ernst, fast schon ein wenig traurig. „Ich erinnere mich nicht mehr ganz genau daran, ich weiß nur dass ich in dieser Nacht gestorben wäre, wären nicht meine Mutter und weitere Heiler dort gewesen. Es hatte meine komplette Seite herausgerissen.“ Sie presste ihre Hand auf die betroffene Stelle.
„Es war wohl während eines Blundmondes“, ergänzte sie schließlich noch und hielt einen kurzen Augenblick inne. Verkrampfte sich ein wenig. Ihr wurde leicht schlecht bei dem Gedanken an das, was sie nun erzählen würde, bemühte sich aber gleichzeitig um ein Lächeln, versuchte ihre eigene Angst, ihre eigene Verzweiflung zu unterdrücken.
„Obwohl die Wunde verheilt ist, von einer hässlichen Narbe abgesehen, hat sie vor kurzem angefangen auf jeden Blutmond zu reagieren.“ Sie stockte erneut, kämpfte um Fassung. Atmete tief durch.
„Zuerst war es nur ein leichtes Kratzen“, fuhr sie schließlich fort. „Mittlerweile ist es schon ein leichtes brennen, bevor der Himmel sich überhaupt rot färbt.“
Und sie fürchtete sich vor dem, was in weiteren Bludmondnächten geschehen würde. Was würde sie am Ende erwarten? Würde diese alte Narbe sie umbringen? Oder einfach nur weiter quälen und geißeln, bis sie es nicht mehr aushalten würde? Sie wusste es nicht. Aber sie wusste, dass sie es mit dem Ende des Blutmondes beenden konnte.
Schließlich sah sie ihn wieder an, mit einem traurigen, leicht verzweifelten Lächeln. „Ich weiß nicht, was mich erwartet. Aber wenn ein Endes des Blutmondes dabei helfen kann, möchte ich es zumindest versuchen.“

Er sah sie an - Sorge in seinem Blick, wenngleich sie nicht aufrichtig war. Das war ein Phänomen, das er selbst so nicht kannte, das ihn neugierig werden ließ.
"Ich verstehe." Sagte er schließlich nur, und richtete seinen Blick wieder zum Fenster.
Das sie ihn das verriet, schien zu bedeuten, das sie ihm tatsächlich irgendwo vertraute, zumindest ein bisschen - er grinste innerlich.
"Hast du an Blutmonden andere Beschwerden? Bis auf die Schmerzen, meine ich." Er zögerte. "...Wie unerträglichen Hunger, beispielsweise?"

Für einen Augenblick sah sie verwirrt zu ihm herüber. Dann begann sie angestrengt darüber nachzudenken.
„Bisher habe ich nicht drauf geachtet“, antwortete sie wahrheitsgemäß. „Zumindest ist mir bisher kein übermäßiger Hunger oder ähnliches aufgefallen.“
Ihr kam ein Gedanke und erneut sah sie zu ihm. Deutete er damit an, dass sie ähnliche Verhaltensweisen wie Dämonen entwickeln konnte? Nein, vermutlich nicht. Andererseits gäbe es schon Sinn, schließlich waren es immer die Blutmonde, die solche Schmerzen auslösten.
„Ich werde beim nächsten genauer darauf achten“, sagte sie schließlich.

"Dann hast du relativ bald die Möglichkeit dazu." Erwiderte er, den Blick Gen Himmel gerichtet. "Ich befürchte morgen ist es wieder soweit."
Er sah wieder zu ihr. "Ich... Wenn es irgendwas gibt, wie ich dir helfen kann, lass es mich bitte wissen." Er lächelte.

Amila atmete erleichtert aus und erwiderte sein Lächeln. Nicht nur, dass sie seine Reaktion auf ihre Geschichte überrascht hatte, sie fühlte sich zum ersten Mal in der Hinsicht verstanden. Ernstgenommen. Hatte wirklich den Eindruck, dass dieser Dämon ihr helfen wollte und sich wirklich um sie sorgte… natürlich, ihr Vater sorgte sich bestimmt auch, zumindest wollte sie das Glauben. Aber dennoch, Emirs Hilfe zu wissen erfüllte sie durchaus mit Erleichterung.
„Danke, es bedeutet mir echt viel, dass du das sagst“, sagte sie schließlich, „Aber ich glaube, bis wir den Blutmond beendet haben wird es keine Hilfe für mich geben.“

"Dann sollten wir wohl bald zur Tat schreiten." Meinte er. "Ich würde eh nicht mehr allzu lange in der Stadt verweilen wollen. Vorallem nicht solange nicht klar ist was dieser Xenon eigentlich für eine Gegenleistung von dir verlangt."
Er wandte sich von Fenster ab.
"Aber fürs erste sollten wir es dabei belassen."
Er ging Richtung Tür, und noch bevor er das Zimmer verließ sah er sie ein letztes Mal an, lächelnd.
"Vielen Dank das du an mich glaubst, Amila. Und auch das du mir von deiner Narbe erzählt hast."
Mit diesen Worten verließ er schließlich den Raum.

Nachdem er den Raum verlassen hatte fiel Amilas Blick auf den fertig gestellten Magiesammler, der verdeckt unter einem Tuch auf dem Schreibtisch ihres Zimmers stand. Sie hatte komplett vergessen, mit ihm darüber zu reden… Egal, das hätte bestimmt auch später noch Zeit. In einer Hinsicht hatte er aber tatsächlich Recht, sie sollten noch herausfinden, was für eine Gegenleistung Xenon erwartete. Es waren bereits mehr als zwei Wochen vergangen und sie hatte noch nichts von ihm gehört. Immerhin sah sie das als Zeichen dafür, dass besagte Gegenleistung wenigstens nicht körperlicher Natur war.
Sie seufzte. Am nächsten Tag sollten sie möglichst früh bei ihm vorbei gehen. Das letzte was sie wollte, war dass ausgerechnet Xenon etwas von ihren Schmerzen bemerkte – und sie konnte wirklich nicht sagen, wie sie sich am Folgetag äußern würden.

Und so begaben sie u nd Emir sich bereits Recht früh am Tag auf den Weg zurück zur Bibliothek. Für einen Moment überlegte sie, ob es nicht noch etwas gab was sie nachprüfen konnte, bevor sie diesen Ort verlassen müssten. Ihr war klar, dass sie dann lange, sehr lange Zeit nicht zurückkehren würde, sollten die Bewohner merken was mit ihrem Ursprungspunkt geschah. Wenn sie überhaupt jemals hierher zurückkehren können würde.
Gezielten Schrittes gingen sie direkt zu Xenons Büro. Einerseits hoffte sie, dass der Bibliothekar seiner Arbeit nachgehen würde, andererseits hoffte sie aber auch dass er sie einfach vergessen hatte und nicht mehr dort war. So klopfte sie an seiner Tür, ihren eigenen Herzschlag und ihre innere Anspannung ignorierend.
„Herein“, hörte sie Xenons Stimme aus dem Raum.
Sie atmete tief ein und öffnete dann die Tür. Xenon saß an seinem Schreibtisch, den Blick auf mehrere Stapel Pergament und Papier gerichtet. „Ich hoffe es ist wichtig, eigentlich habe ich gerade keine Zeit für Besuch“, murmelte er und hob dann endlich den Blick, um seine Besucher zu betrachten. In seinen Augen sah sie für einen kurzen Augenblick Überraschung. Doch nur für einen Augenblick. Dann wandte er sich wieder seinen Papieren zu und schien keinerlei Notiz mehr von ihnen nehmen zu wollen.
„Was kann ich für Euch tun, Prinzessin? Wollt ihr noch einmal einen Einblick in die alten Schriften?“
Amila räusperte sich. Selbst für ihren Geschmack benahm er sich ausgesprochen unhöflich. Oder tat er das um ihr noch einmal schön unter die Nase zu reiben, was er eigentlich von ihrer Familie hielt.
„Ich für meinen Teil habe kein Interesse daran“, meinte sie und starrte ihn weiter an.

"Vielen Dank, auch mein Wissensdurst ist fürs erste befriedigt." Erwiderte auch Emir, charmant lächelnd.
"Wir sind aus anderen Gründen hier." Er warf einen kurzen Blick zur Prinzessin, Ehe er sich wieder auf den Bibliothekar fokussierte.
"Ihr spracht von gewissen Gegenleistungen - da wir planen, bald die Stadt zu verlassen, würden wir gerne unsere Schulden begleichen."

„Ist das so?“, meinte Xenon mit einem Unterton, den Amila nicht wirklich deuten konnte. Leicht genervt verschränkte sie die Arme vor der Brust.
„Wir wissen nicht ob und wann wir hierher zurückkehren“, ergänzte sie noch, „und da möchte ich gerne sichergehen, dass Ihr unsere Reise nicht unnötig erschwert, nur weil ihr auf irgendeine Gegenleistung noch besteht.“
Endlich schien er vollständig auf sie zu achten. Er legte seine Schreibfeder zur Seite und lehnte sich in seinem Stuhl zurück, betrachtete sie und Emir für einen kurzen Augenblick mit einem falschen Lächeln.
„Ihr seid wohl doch nicht so klug, wie ich dachte“, antwortete er gewohnt provokant. „Ich hatte eigentlich damit gerechnet, dass Ihr von selbst darauf kommt.“
Amila seufzte entnervt. Wie sehr sie dieses Gehabe doch gerade bei Adeligen hasste.
„Tut mir Leid, dass wir andere Sorgen hatten“, antwortete sie gereizt. Also, was wollt ihr? Sie begann wieder mit ihren Fingern auf dem Arm zu trommeln, wie immer, wenn sie gereizt war.
Xenon schien es zu bemerken und dennoch zögerte er mit einer Antwort. Mit gerunzelter Stirn erhob er sich, trat kurz an das Fenster.
„Ich wünsche mir lediglich Eure Unterstützung, Prinzessin“, sagte er mit Blick nach draußen. „Wie Ihr wisst, wünscht sich meine Stadt nichts anderes, als die Unabhängigkeit. Sollten wir also wieder darum kämpfen, wünsche ich, dass Ihr uns mit all Eurer Macht unterstützt.“ Er drehte sich leicht zu ihnen um, ein siegessicheres Lächeln auf den Lippen. „Oder ist das ein Problem?“
„Ihr erwartet also, dass ich mich gegen meine Familie stelle?“ Als keine Antwort kam seufzte sie erneut. „Ich werde schauen, was ich machen kann. Aber ich werde niemals etwas tun, was meiner Familie Schaden zufügt.“
Er lachte leise und wandte sich wieder ab. „Nun, tut wie Euch beliebt.“, antwortete er nur und starrte auf die erwachende Stadt.

Emir lachte.
"Verzeiht, Herr, aber es ist töricht zu erwarten das Amila euch ernsthaft unterstützen kann. Schließlich ist sie nicht die Thronerbin und wird nur wenig politische Macht haben."
Seine Augen funkelten vergnügt.
"Oder seit ihr etwa so verzweifelt?"

Amila warf Emir einen kurzen Seitenblick zu. Klar, er hatte Recht mit seinen Worten, dennoch hatten sie ihr einen Stich im Herzen versetzt. Oder lag das einfach nur daran, dass sie ohnehin gerade total gereizt war?
„Das mag sein“, gab Xenon zu ohne sich umzudrehen, „aber ihren Worten zufolge vermute ich, dass sie alles tun würde, um einen Krieg zu verhindern. Ist es nicht so?“
„Das ist also, was Ihr von mir wollt“, meinte sie. „Ihr wollt, dass ich meinen Eltern zurede um einen Krieg zu verhindern, richtig? Oder wollt Ihr gleich, dass ich mich auf Eure Seite schlage und gegen sie kämpfe, damit sie nur halbherzig gegen Euch kämpfen würden?“
„Ihr missversteht mich, Prinzessin“, er wandte sich wieder zu ihnen um. „Wie genau Ihr es anstellt, ist mir egal. Ich möchte wie gesagt lediglich wissen, dass Ihr uns unterstützen werde.“ Er trat wieder an seinen Tisch und nahm seine Schreibfeder in die Hand.
„Wie dem auch sei, wie Ihr seht habe ich noch zu tun. Danke für Euren Besuch, ich würde es sehr begrüßen, wenn ihr nun gehen würdet.“

Emir's amüsiertes Grinsen wurde noch breiter.
"Und was macht ihr, wenn die Prinzessin euch diese Unterstützung verweigert? Natürlich, ihr könntet der Krone mitteilen, das sie sich in eurer Stadt aufhielt, doch ihr wisst selbst das wir längst verschwunden sein werden bevor es irgendjemand von Wentra hier her schafft."

Xenon sah ihn an, grinste nachwievor siegessicher. „Natürlich könnte ich euch auch direkt festsetzen lassen, wenn ihr eure Hilfe verweigert“, antwortete er provokant. „Ob du es glaubst oder nicht, als Geisel würde mir die Prinzessin durchaus viel bringen. Wusstet ihr, dass vor kurzem eine offizielle Suche nach ihr ausgerufen wurde?“
Sein Grinsen wurde noch breiter. „Ich bin mir sicher, wenn ich einen Boten nach Wentra schicke und ihnen mitteile, dass sie unsere Geisel ist… Es ist gemeinhin bekannt, dass Königin Lumeia und König Alec nur schwer von ihren Kindern loslassen können. Ich bin mir sicher, dass sie uns auf diese Art weitere Zugeständnisse geben würden, nur um die Sicherheit ihrer geliebten Tochter zu gewährleisten.“
Amila lachte trocken. Ihre Mutter und sich um sie Sorgen? Was für ein verblendeter Idiot war das denn? Und ihr Vater wäre vielleicht sogar froh, sie wieder weg gesperrt zu wissen. Sie bemerkte die verwirrten Blicke auf sich.
„Entschuldigt, es überrascht mich nur, was für ein Bild Ihr von meinen Eltern habt“, gab sie zu ohne mehr dazu zu sagen.

Emir seufzte, fast schon ein wenig enttäuscht.
"Ihr redet zu viel, Herr. Und eure Törichtkeit ist fast schon eine Beleidung für mich." Er schüttelte den Kopf.
"Wenn ihr wirklich Unterstützung sucht bei eurem Vorhaben wäre es nicht klüger die Prinzessin direkt als Geisel zu nehmen und eure Forderungen zu erzwingen? Wirklich, ihr enttäuscht mich."
Er wandte sich schließlich zur Prinzessin.
"Komm, Amila, wir gehen. Das ist Zeitverschwendung."
Er sah zu Xenon, ein letztes Mal und grinste, seine Augen leuchteten bedrohlich auf. Er würde diesen Narr eine Lektion erteilen.
"Ihr solltet wirklich aufpassen wen ihr euch zum Feind macht, Herr."

„Bring ihn nicht auf Ideen“, zischte Amila ihm zu, ehe auch sie sich erhobenen Hauptes von Xenon abwandte. „Aber du hast vollkommen Recht. Falls Euch noch etwas anderes einfällt, lasst es mich wissen bevor wir die Stadt verlassen haben.“
Sie wartete gar nicht erst auf eine Reaktion Xenons, wollte sich möglichst schnell von diesem Mann entfernen. Klar, sie war froh, dass er nicht das von ihr erwartete, was sie ursprünglich gedacht hatte und dennoch... Seine Worte machten sie so rasend, dass sie am liebsten sofort die Stadt verlassen würde. Doch sie wusste, dass sie noch mindestens eine Nacht abwarten mussten. Sie berührte ihre Seite, die langsam wieder zu brennen begann.
Für den Rest des Tages würde sie sich sehr wahrscheinlich in ihrem Zimmer einschließen und mit niemandem mehr reden wollen… außer vielleicht Emir.

Es waren nur wenige Tage vergangen, seit Arion und Nox Asteria hinter sich gelassen haben. Neben ein paar wenigen Dörfern hatten sie die meiste Zeit im Freien campiert, bis sie schließlich endlich die Stadt erreicht hatten, die Arion aufsuchen wollte. Plorius war eine der wenigen großen Handelsstädte aus Winderia und lag direkt an einer zentralen Handelsroute, durch die viele Reisende auf dem Weg zum Feuer- oder Wasserreich durchkamen. Gleichzeitig war es eine der wenigen Städte, die einen der Wege zwischen Wentra und Asteria verbanden. Und gleichzeitig war es der einzige Ort, an dem das Bier zumindest halbwegs trinkbar war.
„Ist eine Weile her, dass ich hier war“, meinte Arion als sie gerade das Stadttor durchschritten hatte.
Anders als in Asteria hatten die Wachsoldaten ihnen bei ihrem Eintritt tatsächlich einige Fragen gestellt, ehe sie ihnen Einlass gewährt hatten. Vielleicht lag es auch daran, dass der Himmel eine weitere Blutmondnacht ankündigte und sie deshalb besonders angespannt waren.
Doch obwohl Plorius zu einer der reicheren Städte Winderias gehörte, war die Stadt nicht annähernd so eindrucksvoll wie Asteria es war. Klar, sämtliche Straßen waren gepflastert, die Häuser wirkten allesamt gepflegt – und dennoch fehlte der Stadt das magische, das die restlichen größeren Ortschaften des Windvolkes ausmachten. Dies hier war definitiv einer der Orte, an dem man auch heute, zwanzig Jahre später, noch die Nachwirkungen des Krieges spürte.

Es war nicht groß anders gewesen, als wie sie bisher gelebt hatte - sie waren von Ort zu Ort gereist, hatten hier und dort geschlafen, nur das es den Unterschied gab das Nox keine Menschen töten musste. Es war ungewohnt; manchmal war sie nachts durch das kleinste Geräusch aufgeschreckt, aus Gewohnheit. Nicht mehr Assassine zu sein war seltsam und sie fühlte sich nachwievor leer, doch Arions Gesellschaft hatte sie zumindest nicht einsam werden lassen; etwas, wovor sie sich am meisten gefürchtet hatte.
Er hatte auch den Anstand, ihr Zeit zu lassen, und fragte sie nicht weiter aus. Etwas, was sie sehr geschätzt hatte. Sie wollte über sich reden, ihn Dinge erzählen, doch gleichzeitig hatte sie immer noch Angst in zu sehr ins Herz zu schließen.
"Endlich wieder ein richtiges Bett." Sagte Nox und streckte sich. Das Leben als "normale" Reisende war überraschend komfortabel gewesen, und sie selbst war erstaunt darüber wie viel Schlaf sie ihrem Körper doch verwehrt hatte.
"Passend zum Blutmond." Sie blickte Gen Himmel, und war wirklich erleichtert, so eine Nacht nicht im freien verbringen zu müssen. Obwohl Rhea ihr beigebracht hatte, wie man sich verteidigt, war sie mehr als eingerostet gewesen - sie konnte nur feige von hinten töten und hatte wirklich keine Lust einen Dämon auf freiem Feld zu begegnen. Eine Narbe hatte ihr schon gereicht, und sie war sich sicher das es bei den niederen Dämonen nicht nur bei einer Narbe geblieben wäre.

„Ich hatte gehofft, dass wir die Stadt noch erreichen bevor es soweit ist“, antwortete er lachend. Tatsächlich war er sich nicht sicher gewesen, wann wohl der nächste Blutmond wäre und hatte wirklich gehofft, dass sie ihn nicht auf freiem Feld verbringen mussten. Dass sie dabei gleichzeitig in Plorius rasten konnten machte das Ganze nur noch angenehmer.
Auch er blickte nun zum Himmel.
„Der rote Himmel macht mich immer wieder aufs Neue nervös, wenn ich ehrlich bin. Echt gut, dass wir die Nacht in einer Stadt verbringen können, hier sind wir weitestgehend sicher.“
Er blieb kurz stehen und versuchte sich zu orientieren. Die Taverne die er suchte lag in einer Seitenstraße, entsprechend war sie eher weniger besucht. Der perfekte Ort, um dort einen Teil seiner geheimen Ersparnisse unterzubringen.

"Definitiv. Ich bin nicht so heiß darauf mich nochmal einen Dämon im Nahkampf stellen zu müssen." Sie grinste.
Wie es Damon wohl ergehen würde heute Nacht? Normalerweise hätte er sich an solchen Abenden zurück gezogen, sie hätte ihn sicherheitshalber in Ketten gelegt und auf ihn aufgepasst. Doch seit sich diese Art Nächte häuften und sie nicht mehr jedes Mal bei ihm sein konnte... Sie fragte sich, ob er für sich selbst eine Möglichkeit gefunden hatte, die Instinkte zu unterdrücken, auf sich aufzupassen.
"Wohin bringst du uns eigentlich so zielstrebig? Sag bloß du kennst noch eine Taverne in diesem Land die mehr als dieses widerliche Scheißzeug als Bier verkauft."

Arion lachte laut auf.
„Da hast du nicht unrecht“, meinte er und fand endlich die Seitengasse, in die er gehen wollte. „Es gibt tatsächlich eine Taverne, in der das Bier halbwegs gut schmeckt. Zwar nicht annähernd so gut wie im Erdreich, aber zumindest wesentlich besser, als sonst wo hier.“
Dann grinste er ihr verschwörerisch zu.
„Außerdem ist der Wirt ein guter Freund von mir. Einer der wenigen, denen ich vertraue.“

"Ich hätte nicht erwartet das du Freunde im Windreich hast, ehrlich gesagt." Erwiderte sie grinsend. "Dann will ich Mal gespannt sein mit was für Typen du dich so normalerweise rumschlägst~"
Außerdem würde sie gerade alles geben für ein ordentliches Bett und ein anständiges Bier.

Erneut lachte er. „Als Söldner kommt man nun Mal viel herum. Und es schadet nie, auch ein paar Kontakte zu haben, wer weiß wann man Mal einen Auftrag vermittelt bekommen möchte.“
Schließlich erreichten sie das Gebäude, als sie einen kleinen Platz erreichten. Ein ausgetrockneter Baum bildete das Zentrum, um den herum vereinzelte vergammelte Tische und Stühle aufgestellt worden waren. Ein halb herabhängendes Schild begrüßte die Gäste mit der Aufschrift „Himmel auf Erden“. Arion hatte seinem Kumpel schon immer gesagt, dass er den Namen merkwürdig fand… Nun, es war nicht sein Problem.
Zielstrebig ging er zur Tür der Taverne und öffnete sie Nox, damit sie eintreten konnte. Es war erstaunlich ruhig im Schankraum, nur wenige vereinzelte Schnappsleichen saßen an der Bar oder an einem der Tische und lallten sich gegenseitig Geschichten in die Ohren.
„Na wenn das nicht der berühmte Arion ist“, begrüßte Cian ihn, kaum dass auch er den Raum betreten hatte. „Hätte nicht erwartet, dich so schnell wieder zu sehen.“
„Tja, die Welt ist klein“, antwortete Arion und trat direkt zur Bar.
Cian hatte dunkle Haut und tiefbraune Augen, seine wilden Haare, die mit jedem Besuch Arions weniger waren, trugen das tiefe Schwarz der Nacht. In seinem Gesicht hatte Cian die Tätowierung eines wilden Löwen, der seinen Hals herabstolzierte. Doch trotz seines eher abschreckenden Aussehens zeigten seine rotbraunen Augen eine Sanftheit, die man von einem Mann wie ihm nie erwartet hatte.
Dessen Blick legte sich nun mit einem breiten Grinsen auf Nox. „Und wie ich sehe bist du dieses Mal nicht alleine. Hätte nicht gedacht, dass ich dich Mal in Begleitung sehen würde.“

Nox grinste ebenfalls.
"Ich hätte auch nicht gedacht das ich ihn jemals begleiten würde." Sie reichte ihm die Hand.
"Ich bin jedenfalls Nox. Freut mich."
Obwohl der Mann komplett anders aussah als was sie sich vorgestellt hatte, so verstand sie sofort wieso er Arions Freund war. Dieser Mann hatte etwas vertrauenswürdiges an sich, das ihn sofort sympathisch machte, auch für sie, die sich solche Urteile früher eigentlich gar nicht erlauben wollte. Aber sie war keine Assassine mehr - demnach konnte es ihr eigentlich egal sein. Der Gedanke, niemanden mehr eventuell töten zu müssen hatte irgendwie was seltsam schönes an sich, und überraschte sie sogar etwas.

„Freut mich Kleine, nenn mich ruhig Cian“, antwortete er grinsend, sah dann aber wieder zu Arion. „Ich nehme an das Übliche?“
Arion nickte nur knapp und schon machte sich Cian auf den Weg, um ihnen zwei Bierkrüge zu besorgen.
„Er wirkt vielleicht ein wenig grob, ist aber sonst ein netter Kerl, wie du schon gemerkt hast“, erklärte Arion. „Seit er im letzten Krieg schwer verletzt wurde, hat er diese Taverne gegründet.“
Lachend kam Cian zurück. „Fängst ja gleich an, meine Lebensgeschichte zu erzählen, was?“, meinte er und stellte die Bierkrüge hin. „Hatte eh nie wirklich Lust auf das ganze Kämpfen und Töten. Bin auch damals aus dem Erdreich deswegen geflohen, bevor die sich komplett abgeschottet haben.“