Central Hell Goddess 2

„Verstehe“, meinte sie nur und wusste nicht, was sie davon halten sollte. Es war nicht so, dass er unsympathisch war, im Gegenteil, aber sie konnte nicht anders als ihn irgendwie merkwürdig zu finden. Andererseits…
Sie lachte leise.
„Tja, aber da haben wir wohl was gemeinsam“, sagte sie schließlich und grinste ihn verschwörerisch an. „Mir wird auch immer wieder nachgesagt eine miese Prinzessin zu sein.“

Er grinste nur noch breiter.
"Eine Prinzessin die sich für das Wohl des Volkes sorgt kann keine miese Prinzessin sein, wenn du mich fragst. Und bevor du fragst woher ich das weiß... Ich hab dich gesehen, wie du beim Trauermarsch der Dorfbewohner teilgenommen hast. Das machen nicht viele Adelige."

Für einige Herzschläge starrte sie ihn nur in einer Mischung aus Fassungslosigkeit und Verwirrung an. Dann lachte sie leise, ein wenig beschämt.
„Ein wenig gruselig ist es ja schon, wenn du solche Dinge erzählst.“ Nicht zuletzt, weil sie nicht Mal wirklich gemerkt hatte, dass sie beobachtet wurde. Ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken. Das war eine Sache, an der sie wirklich noch arbeiten musste, wenn sie sich selbst verteidigen wollte.
Schließlich räusperte sie sich. „Ich kann dir da auch nur die Dinge erzählen, die ich bei Hof so mitbekommen habe. Wie auch immer, ich sollte langsam auf mein Zimmer zurück.“
Sie sah ihn noch einmal an, rückte sich schließlich doch ihre Kapuze noch einmal zurecht.

"Ich hoffe ich hab dich damit nicht zu sehr verschreckt." Antwortete er und kratzte sich verlegen am Kopf.
"Also dann."
Er hob die Hand zum Abschied und verließ ebenfalls die Taverne, nur um zum Rabenhof zurück zu kehren.

Sie blieb noch einmal einen Moment stehen und konnte nicht anders, als zu Lächeln.
„Kein Wunder, dass du ein mieser Assassine bist“, sagte sie leise und wandte sich schließlich in Richtung ihres Zimmers ab. „Du bist viel zu nett dafür.“
Zumindest war er viel zu nett für das, was sie von einem Assassinen erwartet hatte. Und sie konnte nicht abstreiten, dass er damit ihre Laune nicht doch wieder etwas aufgehellt hatte. Auch wenn der Gedanke daran, dass er sie wohl noch eine Weile beobachten würde nachwievor gruselig war. Und sie hoffte, dass er wenigstens genug Anstand hatte, ihr etwas Privatsphäre zu lassen.

Ein mulmiges Gefühl begleitete Nox den gesamten Morgen schon, seitdem sie aufgewacht war. Sie hatte versucht, aufzustehen, ihre Schulter zu bewegen – die Heilerin hatte nochmal nach ihr gesehen, die Wunde ein letztes Mal magisch versiegelt und ihr versichert, dass sie soweit über den Damm war, das sie zumindest reisen konnte.
Als die Heilerin schließlich ihr Zimmer verließ, und Nox wieder alleine war, hatte sie sich die Wunde minutenlang im Spiegel betrachtet – es würden definitiv hässliche Narben geben, Narben, die sie für immer daran erinnern sollten was für eine Versagerin sie war.
Sie seufzte. Obwohl Arion sich erst mal ihrer annahm, wofür sie diesen Mann für ewig dankbar sein würde, fühlte sie sich leer. Als würde sie einen Teil ihrer selbst aufgeben; ein riesigen Teil, der Teil, der eigentlich ihren Charakter, ihre Existenz ausmachte.
Rhea hatte keine Ahnung, was sie Nox damit angetan hatte. Redete zwar was davon, sie beschützen zu wollen, doch am Ende hatte sie sie nur dazu gezwungen alles aufzugeben was sie kannte, konnte und liebte, nur um irgendwie „neu“ anzufangen. Doch wie sollte das funktionieren? Sie wusste nicht mehr wie man ein normales Leben führte, wusste das noch nie - auch das hatte sie der „guten“ Erziehung ihrer Mutter zu verdanken.
Schließlich begann sie, ihre wenigen Sachen einzupacken. Sie hatte nur zwei paar Wechselklamotten, die nicht direkt nach Assassine schrien; der Rest waren tatsächlich nur mehrere Messer, Gifte, Phiolen; definitiv nichts womit man ein „normales“ Leben beginnen konnte. Das letzte, was noch fehlte, war ihr Erspartes – zweifelnd sah sie auf den riesigen Beutel, der dank der Abfindung nur noch schwerer geworden war.
„Immerhin wirst du mich damit nicht so schnell los.“ murmelte sie nur, ehe sie diesen auch noch irgendwie verpackt bekam.

Es war schließlich früher Vormittag gewesen, und Arion kam, wie er versprochen hatte, um sie abzuholen. Ein merkwürdiges Gefühl hatte sich in Nox’ Magengegend breitgemacht als sie ihn sah – eine seltsame Mischung aus Freude und bittere Traurigkeit, welche ihr einerseits den Hals zuschnürte, ihr die Luft zum Atmen nahm und gleichzeitig was komisches, hoffnungsvolles hatte.
„Tja, scheint so als wäre es so weit.“ hörte sie schließlich Ares’ Stimme, welcher sich, zusammen mit Damon, in den Hauptraum der Taverne eingefunden hatte, welche ungewöhnlich leer war.
„Was für eine Ehre das du mich persönlich verabschiedest nachdem du mich so eiskalt rausgeworfen hast, alter Mann.“ erwiderte sie nur bitter, lächelte dann aber. „Keine Sorge, ich nehme dir das nicht übel. Ich weiß das du ein Idiot bist was Rhea angeht.“
Er sah sie an, und seine alleswissenden, roten Augen strahlten eine aufrichtige Traurigkeit aus, die sie so noch nie bei ihm gesehen hatte.
„Auch wenn du vielleicht nicht mehr offiziell Mitglied bist… Du bist bei mir immer Willkommen.“
„Ich weiß.“
„Deine Mutter wird mich bestimmt fragen wo du nun hin bist.“
Nox grinste.
„Denk dir das Schlimmste aus was dir einfällt. Von mir aus bin ich an einen schäbigen Typen geraten der mich nun an ein Freudenhaus verkauft oder so. Aber wir wissen beide das du ihr die Wahrheit sagen wirst, nicht wahr?“
Er lachte leise.
„Als ob ich sie anlügen könnte.“
Nox lächelte sanft. Sie hatte noch nie verstanden was Ares und ihr Vater in ihrer Mutter gesehen hatten, würde es auch nie. Aber sie wusste das sie dem sehr viel zu verdanken hatte.
„Ares?“ Sie ging ein paar Schritte auf den Dämon zu, stand nur wenige Zentimeter von ihm entfernt. „Darf… ich den Namen weiterhin behalten?“
„Als ob ich dir vorschreiben kann wie du dich nennst.“ Er grinste. „Seh ihn von mir aus als mein Geschenk an dich.“
„Danke.“ Sie fiel den Dämon schließlich doch in die Arme – ihr war egal was Arion dachte, diesen Mann hatte sie so viel zu verdanken, das es sich irgendwie falsch anfühlte, ihn einfach so zu verlassen. „Für alles.“
Sie merkte seine Hand auf ihren Kopf, und hörte ein Lächeln aus seiner Stimme. „Pass auf dich auf. Und wer weiß, vielleicht kriege ich Rhea ja doch überzeugt das ich dich wieder einstellen darf.“
„Das wäre schön.“
Sie löste sich von ihm und grinste, wischte sich die aufkommenden Tränen aus dem Gesicht. Wieso eigentlich so viele Abschiede in kürzester Zeit?
Schließlich wandte sie sich Damon zu, der ihr Kollege, ihr Freund, ihr Bruder war – den einzigen Menschen den sie alle die Jahre über wirklich vertraut hatte, der ihr so viel bedeutete, und wo der Trennungsschmerz gerade so viel schwerer wiegte als alles was sie bisher kennengelernt hatte.
Sie spürte, wie ihr die Tränen vom Gesicht liefen und sah wie auch seine Augen sich füllten, doch lächelten sie beide.
„Gott, ich hab noch nicht mal angefangen und wir heulen schon.“ sagte sie lachend und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht.
„Dann bringen wir es am Besten hinter uns, oder?“ antwortete Damon, und sie fiel ihn schließlich in die Arme.
„Du wirst mir fehlen.“ flüsterte sie und drückte ihn fest an sich – erinnerte sich an die Zeit, in der sie sich kennengelernt haben, an die Zeit, die sie miteinander verbracht hatten – an den Schmerz über die Unfairness dieser Welt den sie teilten. An die Gespräche, an den Trost, an das gemeinsame Gelächter – und Nox hatte das Gefühl ihr wurde erst jetzt bewusst wie weh diese Trennung wirklich tat.
„Du mir auch, das weißt du.“ erwiderte er leise.
„Du passt auf dich auf? Und machst ja nichts dummes?“
„Ich doch nicht. Und du?“
„Ich verspreche nichts.“
Beide lachten, während gleichzeitig die Tränen fließen.
„Wir sehen uns wieder oder?“ fuhr Nox fort, während sie sich von ihm löste und ihm die Tränen aus dem Gesicht wischte.
„Natürlich tun wir das. Wir sind doch Familie.“
Sie nickte nur, drückte ihn ein allerletztes Mal.
„Also dann.“ Sie löste sich von ihn, nahm ihren viel zu schweren Rucksack auf den Rücken und lief zu Arion.
„Pass gut auf sie auf, hörst du?“ rief Damon diesen noch grinsend zu, und winkte den beiden hinterher.

Arion stand die ganze Zeit abseits, versuchte so gut wie möglich weg zu hören. Das war eine private Sache von ihr, eine Sache, die ihn nichts anging. Auch wenn er immer wieder kurz aufhorchte, als ein bestimmter Name fiel. Rhea…. Redeten sie von derselben Rhea, die er kannte? Er würde Nox später vielleicht danach fragen, aber nicht sofort.
Als sie sich endlich verabschiedet hatte, hörte er noch Damon hinterher rufen. Er erwiderte das Grinsen.
„Hey, vor dir steht ein Profi-Leibwächter!“, erwiderte er lachend. Hatte der Junge beide Augen geöffnet? Auf die Entfernung war es schwer zu erkennen.
Als Nox bei ihm war, klopfte er ihr kurz auf die Schulter und sah ihr für einen kurzen Moment mitfühlend ins Gesicht.
„Also werte Dame, wo soll es hin gehen?“, fragte er schließlich, als sie dem Rabenhof zum vorerst letzten Mal den Rücken zukehrten.

Sie sah dem Rabenhof ein letztes Mal hinterher, mit einem traurigen Lächeln auf den Lippen. Die Gilde war ihre Heimat, ihre Berufung gewesen - und Ares und Damon ihre Familie. Es war noch immer so surreal, das alles hinter sich lassen zu müssen.
Schließlich wandte sie sich zu Arion, und fragte sich, welche Rolle er jetzt eigentlich in ihrem Leben spielte. Jetzt, wo das Geschäftliche vorbei war, was blieb dann? Waren sie Freunde? Oder doch was ganz anderes? Sie wusste es nicht, wusste aber, das sie ihn zumindest nicht ungern bei sich hatte.
"Das fragst du mich?" antwortete sie grinsend. "Ich hatte gehofft du hast eine Ahnung, so als Söldner."
Ihr Leben würde nun eh komplett andere Bahnen gehen, Wege, die ihr gänzlich unbekannt waren.
Das Dasein als Assassine war ihre Berufung, ihr Lebenssinn, ihre Aufgabe gewesen - und jetzt war das nicht mehr. Es war ein wenig, als hätte man ihr den Grund für ihre Existenz genommen, ein riesiges Loch im Herzen hinterlassen, welches sie nun irgendwie anders füllen musste. Nur hatte sie noch absolut keine Ahnung wie oder womit.

Er lachte leise. „Normalerweise reise ich einfach nur von Stadt zu Stadt und suche nach Arbeit oder Gerüchten, denen ich nachgehen kann“, erklärte er während sie gerade den Platz mit dem Brunnen passierten, den er bereits bei seiner Ankunft in der Stadt bemerkt hatte. Doch Arion schenkte ihm dieses Mal nur kurz Beachtung.
Während sie verschiedene Stadtbewohner passierten, die meisten von ihnen hatten gerade mit ihrer täglichen Arbeit begonnen, überlegte er.
„Aber wenn du mich fragst, würde ich wohl erst Mal schauen wollen, dass ich mein Versteck aufsuche um einen Teil meines Lohns dort unterzubringen“, murmelte er und dachte darüber nach, ob er das wirklich mit einer ‚Kundin‘ im Schlepptau tun wollte oder nicht. Andererseits bezweifelte er, dass gerade Nox ihn ausrauben würde. In der kurzen Zeit, die sie sich kannten, hatte er doch großes Vertrauen in sie entwickelt, was er eigentlich nicht erwartet hatte.

"Dann lass uns das tun." Erwiderte sie grinsend.
"Wäre auch eine Möglichkeit diesen verdammten Rucksack etwas leichter zu bekommen..."
Fügte sie murmelnd hinzu. Nach kurzem Schweigen sah sie Arion wieder an, mit einem neckischen Gesichtsausdruck.
"Ich fühle mich aber geehrt das du mich direkt zu deinem Versteck führst, Großer. Das macht das Suchen danach viel einfacher sobald ich dich los geworden bin."

Er erwiderte ihren Blick mit einem breiten Grinsen.
„Dann pass auf, dass ich dich nicht vorher loswerde.“ Nun deutete er auf ihren Rucksack.
„Sag mir aber bitte, dass der nicht voll mit Giften ist. Andernfalls müsste ich mir doch überlegen, ob es nicht ein anderes Ziel gab.“
Er lachte erneut. Auch wenn er den Humor dahinter erkannte, überlegte er ob es nicht doch sinnvoller gewesen, mehrere Verstecke zu suchen. Nun gut, er war sich ziemlich sicher, dass es selbst für sie nicht allzu leicht würde, dort einzubrechen. Sollte sie doch keinen Scherz gemacht haben.

"Zum Teil schon. Ich werde es zwar nicht mehr brauchen, aber das Zeug ist teilweise so teuer das ich nicht übers Herz gebracht habe das einfach wegzuwerfen. Außerdem, man weiß ja nie ob man nicht doch Mal jemanden unauffällig loswerden muss."
Sie zwinkerte. Er schien ihren Humor zwar verstehen, merkte aber auch die leichte Paranoia die in ihm hoch kam, was sie irgendwie amüsierte hatte.
"Aber eigentlich ist da hauptsächlich mein Erspartes drin."

Zunächst starrte er nur ungläubig auf den Rucksack, versuchte abzuschätzen wie viel davon nun was war. Dann begann er an zu lachen, erst trocken, dann aber immer lauter.
„Oh man“, sagte er schließlich, als er sich endlich gefangen hatte. „Und da dachte ich, die gute Dame hat gerade ihren Job verloren und trotz Abfindung vielleicht erst Mal Schwierigkeiten. Und dann kommst du mir mit so einem Sack an.“
Erneut lachte er.
„Du überraschst mich wirklich immer wieder.“

Sie grinste.
"Heh, dabei dachte ich gerade jemand wie du würde das verstehen." Antwortete sie.
"Ich brauche es zwar nicht, ich habe aber trotzdem gerne viel davon."
Sie zwinkerte wieder, wurde dann aber ernster.
"Ich hab ursprünglich gespart damit mein Vater ein besseres Leben hat, aber irgendwann brauchte er es nicht mehr, und hat's demnach nicht annehmen wollen. Gespart habe ich trotzdem weiter."
Jetzt, wo sie keine Assassine mehr war, war es eigentlich egal ob er was über sie wusste oder nicht.

Sie passierten gerade das Stadttor und Arion winkte den Wachsoldaten kurz zu, warf noch einmal einen letzten Blick auf die Stadt und entschied, für eine Weile nicht mehr zurück zu kehren.
„Sparen schadet normalerweise nicht, wer weiß wann man es dann doch braucht“, meinte er und sah sie dann an. Er hatte nicht erwartet, dass sie so schnell freiwillig über sich erzählte. Gleichzeitig fand er diese Seite an ihr irgendwie… süß?
„Klingt, als würdest du deinen Vater sehr mögen.“

Ein trauriges Lächeln fuhr über ihre Lippen.
"So sehr, das ich mir denke er hätte eine bessere Tochter verdient."
Auch wenn sie es nicht wahrhaben wollte - sie vermisste ihn sehr. Das er bald in einem Krieg involviert war, wieder einmal, machte ihr mehr Bauchschmerzen als ihr lieb war.
"Aber genug davon." Fuhr sie wieder fort, neckisch grinsend. "Sonst bröckelt noch mein Image."
Sie war selbst erstaunt, wie leicht es ihr gefallen war, mit Arion zu reden - sie hatte eigentlich erwartet, dass ihre Stimmung viel trauriger wäre. Aber gleichzeitig fühlte sie sich irgendwie... Befreit? Es war ein komisches Gefühl, was sie nicht ganz einordnen konnte.

„Ich sehe schon“, er erwiderte ihr Grinsen. „Die Reise wird ohnehin lang, noch genug Zeit um mehr über dich herauszufinden.“ Er lachte erneut.
Mittlerweile war es Mittag und sie hatten Asteria hinter sich gelassen. Wenn sie sich ran hielten, würden sie bis zum Abend eines der nahen Dörfer erreichen können, dann hätte er auch genug Zeit, um sich noch Mal Gedanken zu machen, in welche Richtung sie weiter reisen sollten.

Nur 4 Tage nach dem versuchten Attentat, und Emir hatte sich vollends erholt gehabt – nicht mal eine Narbe war übrig geblieben, was er seinen nichtmenschlichen Dasein zu verdanken hatte. Anders würde es bei der Frau aussehen, die versucht hatte, ihn zu töten; sie würde für immer eine Narbe tragen, die sie daran erinnern sollte, das man sich besser nicht mit Emir anlegte. Wobei es eigentlich eine Schande war, das er ihr Gesicht nicht sehen konnte – sonst hätte er sich garantiert gerächt. Dennoch, er hatte den komischen Verdacht, dass der Söldner zumindest was gewusst hatte, sonst würde er nicht kurz darauf mir nichts dir nichts verschwunden.
Emir hatte die Schriften und Bücher der verbotenen Abteilung gründlich studiert, und seine Erinnerungen kamen zurück – manchmal haufenweise, mal Bruchhaft, doch obwohl noch einiges fehlte, den Großteil war ihm wieder bewusst geworden. Und oh, wie sehr er es liebte.
Er hatte eine lange Zeit mit sich gehadert, wie er damit umgehen sollte. Anscheinend hatte man versucht ihn, sowohl als auch Nuira aus der Geschichte dieser Welt zu verbannen, was er definitiv für sich würde nutzen können – doch irgendwie erschien ihn das zu langweilig, zu riskant.
Er brauchte das Vertrauen der Prinzessin: und wie gewann man das besser als seine Schandtaten einzugestehen und einen reumütigen Sünder zu spielen?

Und so kam es, das er eines langweiligen Abends ihr Zimmer aufsuchte, nachdem er sich auch nach dem Attentat weiter verkrochen hatte, nur damit seine Rolle als reuevoller Mann nur glaubwürdiger wirkte.
„Amila?“ fragte er vorsichtig, und klopfte an ihrer Tür. „Hast du Zeit? Es gibt da etwas, was ich mit dir bereden muss.“ Er bemühte sich, so unsicher wie möglich zu klingen.

Amila stand in ihrem Zimmer, über das verbotene Buch gebeugt und begutachtete noch einmal die Karte Asterias. Daneben hatte sie einen aktuellen Stadtplan ausgelegt, den sie ebenso studierte. Neben dem Katalysator fehlte nur noch ein guter Plan, wie sie an den Magie-Ursprung kamen und ohne Probleme verschwinden konnten. Nun da Arion nicht mehr bei ihnen war, blieb es an ihnen selbst, alles vorzubereiten. Dann war da noch der bald anstehende Blutmond, den sie ebenfalls noch abwarten wollte, ehe sie ihren Plan umsetzte…
Das plötzliche Klopfen, gefolgt von Emirs Stimme, riss sie schließlich aus ihren Gedanken. Neugierig und ein wenig überrascht – schließlich hatte sie seit dem Attentat nicht viel von ihm gehört – öffnete sie die Tür.
„Komm rein“, fragte sie ein wenig überrascht. „Was ist los?“

"Ich.. " Er seufzte und schloss die Tür hinter sich. "Es gibt da etwas, was ich mit dir besprechen möchte. Ich hab... Dinge über mich herausgefunden die ich dir nicht verschweigen sollte."
Er spürte ihren fragenden Blick, wich diesen aber aus. In einem anderen Leben hätte er es als Schauspieler wahrscheinlich sehr weit gebracht.
"Du weißt ja das ich... Keinerlei Erinnerungen an mein vorheriges Leben hatte, bevor ich zu dem hier geworden bin."
Er druckste, wirkte so, als würde es ihn wirklich schwer fallen darüber zu sprechen.
"Doch mir sind immer Mal wieder Erinnerungslücken, Fragmente vor meinem geistigen Auge erschienen, die ich... Einfach bestätigt haben wollte."
Er fuhr sich durchs Haar, ein weiteres schweres Seufzen entwich seiner Kehle.
"Deshalb habe ich mich auch durch die Bibliothek gewühlt. Ich wollte wissen, wer ich war und ... Ob diese Erinnerungen Recht behalten würden."
Er machte eine kurze Pause, vermied es nachwievor die Prinzessin anzusehen.
"Ich war ein schrecklicher Mann, Amila."
Er bemühte sich, seine Stimme zittrig wirken zu lassen - beinahe hätte er sich diese Reue fast selbst abgekauft.
Die Prinzessin sah ihn nachwievor fragend, aber gleichzeitig auch irgendwie mitfühlend an. Sie hob ihre Stimme, wollte irgendwas antworten, doch Emir unterbrach sie.
"Ich war so grausam das sie mich aus den offiziellen Geschichtsbüchern gestrichen haben!" Eine weitere kurze Pause, in der er mir Fassung rang. "Anscheinend... Habe ich vor vielen, vielen hunderten von Jahren auf dem Thron des Feuerreiches gesessen und... Viele Kriege angezettelt, viele unschuldige Menschen getötet. Ich war ein regelrechtes Monster."
Und er war es immer noch, wenn nicht sogar ein weitaus Schlimmeres- manche Dinge würden sich nie ändern, aber wie auch, wenn das Leid anderer das einzige war was Emir noch mit Leben füllte?
"Leider deckt es sich auch mit den Bildern die mich heimsuchen. Ich..." Er suchte ihren Blick, wenngleich seine Rolle sich davor fürchtete, was er in ihren Augen sehen würde, sah dann aber sofort wieder weg.
"Wahrscheinlich wollte diese Attentäterin mich deshalb Tod sehen. Ich hätte es verdient."
Er hoffte auf ihr Mitgefühl.
"Vielleicht bin ich doch nicht der richtige für diese Mission."

Sie hatte ihm zugehört, jedes einzelne Wort. Zwischendrin hatte sie versucht ihn zu beruhigen, gut zu zureden, wurde jedoch unterbrochen. Doch nun, da er geendet hatte, wusste sie nicht direkt, wie sie reagieren sollte. Sie sah seine Reue, seine Schuld. Wie ernkit sich haderte, wirklich damit zu kämpfen hatte, mit diesen wieder gewonnen Erinnerungen. Nichts davon erinnerte an das Monster, das er wohl mal gewesen war.
Schweigsam trat sie ans Fenster, starrte in den dunklen Himmel. Suchte nach Worten, versuchte gleichzeitig ihre Gedanken zu ordnen.
"Weißt du Emir", begann sie schließlich ein wenig zögernd, immer nich um Worte ringend. " Jeder von uns hat in seinem Leben Fehler begannen. Manche größere, manche kleinere." Sie senkte den Blick atmete tief ein. "Natürlich ist es nicht vergleichbar mit dem, was du in deinem früheren Leben getan hast." Erneut hielt sie inne, richtete ihren Blick nach oben.
"Trotzdem glaube ich, dass jeder aus seinen Fehlern lernen kann", sagte sie schließlich und wandte sich vom Fenster ab, suchte seinen Blick der nach wie vor nach ubten gerichtet war.
"Und dass du dich nicht erinnern kannst... Liegt vielleicht daran, weil du es vergessen wolltest. Weil du es bereust."
Sie ging auf ihn zu, legte ihre Hände auf seine Schultern, lächelte dabei.
"Ich glaube fest daran, dass sich Menschen ändern können. Und ich glaube auch, dass du ein Beweis dafür bist." Erneut hielt sie kurz inne. "Niemand weiß, was im Inneren einer Person vor sich geht, daher konnte auch die Attentäterin nichts davon wissen."
Sie löste sich wieder von ihm und trat ein paar Schritte zurück, aufrichtig lächelnd. "Und gerade deshalb, weil du Reue für deine Aktionen zeigst und bereit bist, etwas zu ändern glaube ich, dass du der richtige für diese Mission bist."

Emir sah sie sprachlos an - und diese Sprachlosigkeit war nicht Mal gespielt, wenngleich er auf genau diese Reaktion gehofft hatte. Schließlich lächelte er, erleichtert.
"Danke." Erwiderte er leise, es war nicht Mal mehr ein flüstern.
"Ich hoffe wirklich, dass ich was bewirken kann. Auch wenn das natürlich nicht meine Taten wieder gut macht."
Er war sich sicher, wenn sie Details wüsste, würde sie ihm nicht so einfach vergeben - trotzdem, es war ihm wichtig, das sie diese Information direkt von ihm bekam. Damit sie ihm vertraute, sie ihm glaubte, der Meinung war er war wirklich ein reuevoller Mann.

Sie lächelte noch immer. „Das werden wir sehen, wenn es so weit ist“, antwortete sie.
Kurz dachte sie wieder an Arions Worte, seine Warnung, verdrängte den Gedanken jedoch direkt wieder. Bisher hatte sie nicht den Eindruck, dass sie Emir nicht vertrauen konnte. Immerhin hatte er bisher nichts getan, was gegen ihn sprach. Und die Reue in seinen Augen wirkte so echt… Sie war sich sicher, auch ein Dämon konnte ein gutes Herz haben. Und daran wollte sie einfach glauben.
Daran musste sie glauben, wenn sie ihr Ziel erreichen wollte.

Emir trat schließlich ans Fenster, den Blick über die Stadt schweifend.
"Asteria war zu meiner Zeit anscheinend die Hauptstadt Winderias." Meinte er nachdenklich, während er sich die Bilder von damals in Erinnerung zu rufen versuchte. "Es ist irgendwie ironisch das sie jetzt als unabhängige Stadt gilt, meinst du nicht auch? Dabei ist sie das Beeindruckendste was Winderia zu bieten hat, auch nach all den vielen Jahrhunderten." Er lachte leise.
Die Stadt wirkte unverändert - natürlich, die Technologie war um einiges weiter vorangeschritten als zu seiner Zeit, aber dennoch, das Stadtbild, die Szenerie, das alles hatte so unglaublich vertraut gewirkt. Wie oft er wohl hier war? Er wusste, das er und seine nutzlose Mutter wohl auch aus Winderia stammten - zumindest stand es in irgendeiner der Schriften, die über ihn verfasst wurden sind, niedergeschrieben.
Er schien einen seltsame Verbindung zu diesem Volk zu haben.
Das Amila die Prinzessin dieses Reiches war, genauso wie "sie" es gewesen ist, war eine amüsante Ironie des Schicksals gewesen. Oh, wie deutlich er sich mittlerweile an "sie" erinnerte. An ihr hübsches Gesicht, an ihr rosafarbenenes Haar, an ihre Frohnatur und ihren Lebensmut. Und wie perfekt, makellos sie doch war nachdem sie all dies verloren hatte - er erinnerte sich nur zu gerne an ihr Gesicht, verzweifelt und voller Schmerz, darüber, was für ein Monster sie doch geheiratet hatte. Wie wenig von dem charmanten, netten Mann doch eigentlich in diesem steckte. Und an ihr vollkommenes, lebloses Antlitz, nachdem sie das alles nicht mehr ertragen hatte.
Ob er diese Prinzessin auch so tief fallen lassen konnte?

Amila beobachtete ihn und setzte sich aufs Bett, nachdenklich.
„Jetzt wo du es sagst“, antwortete sie murmelnd, „ich glaube irgendwann gelesen zu haben, dass Wentra erst zur Hauptstadt wurde, nachdem die Familie meiner Mutter die Krone übernommen hatten.“
Sie ließ sich auf das Bett fallen, die Arme hinter dem Kopf verschränkt. Starrte die Decke an. Wenn sie darüber nachdachte, dass sie in einem anderen Leben vielleicht hier aufgewachsen wäre, umgeben von all der Technologie und Büchern… Das Leben hier wäre wahrscheinlich so viel spannender gewesen, als es in Wentra war.
Dann lachte sie leise. „Schon komisch irgendwie“, meinte sie und setzte sich wieder auf, sah ihn an. „Du siehst aus wie ein Kind, hast aber zu einer Zeit gelebt, als Asteria noch die Hauptstadt war, was mehrere Hundert Jahre in der Vergangenheit liebt. Ich glaube niemand würde dir das abkaufen, wenn er es nicht besser wüsste.“