Central Hell Goddess 2

"Heh, ich hätte irgendwie mit einer anderen Reaktion gerechnet, wenn ich ehrlich bin." Er kratzte sich verlegen am Kopf.
"Ich mein... eigentlich bin ich eh ziemlich im Arsch weil ich mich zu erkennen gegeben habe, also kann ich dir auch direkt die ganze Wahrheit sagen." Er kam ihr ein kleines Stück näher und sein Ton wurde leiser, fast schon ein Flüstern. Selbst wenn er sich jetzt verriet, so musste es ja nicht doch die ganze Stadt wissen. "Schonmal was von der Assassinengilde gehört?"

Na ja, was hatte er erwartet? Wenn man ohnehin versuchte, so unerkannt wie möglich zu bleiben und trotzdem gefühlt alle um einen herum genau wussten, wer sie war. Zumindest dachte sie das für einen kurzen Moment, im nächsten kam er ihr so nahe, dass es ihr fast schon unangenehm war. Für einen kurzen Augenblick lief ihr bei seinen Worten ein kalter Schauer über den Rücken.
„Die Assassinen?“, fragte sie ungläubig und wich ein wenig zurück. War er etwa doch hier um sie zu töten? Hatte er deswegen seine eigene Rettung in Frage gestellt? Sie tastete vorsichtig nach ihrem Kurzschwert, dass sie um die Hüfte gebunden trug. Noch waren Leute auf dem Platz, sie bezweifelte also, dass er sie direkt angreifen würde. Dennoch, dass er ihr so viel verriet schien kein gutes Zeichen zu sein.
Sie schluckte ihren Zweifel herunter und bemühte sich, gelassen zu wirken. „Natürlich habe ich von ihnen schon einmal gehört.“ Sie versuchte sich an den Unterricht zu Hause zu erinnern, wusste, dass ein Teil der Gilde Auftragsmörder waren, die in seltenen Fällen auch von der Königsfamilie beauftragt wurden. Die Gilde wurde weitestgehend akzeptiert, agierte aber nach eigenem Handeln weshalb man nur selten etwas über ihre Aufträge wusste. Zumindest hatte man ihr das erzählt.

"Keine Sorge, ich bin nicht hier um dich umzubringen oder sowas." Er hatte bemerkt, wie sie hastig an sich getastet hatte, fast als würde sie was suchen. "Was das angeht bin ich eh der schlechteste Assassine den du dir vorstellen kannst. Und meine Auftraggeber sind sowieso viel mehr an deiner Begleitung interessiert als an dir."

„An Emir?“, fragte sie, im ersten Augenblick vollkommen überrascht. Dann wurde ihr klar, dass sie genau wissen mussten, dass er ein Dämon war. Wenn Damon sie so lange schon beobachtet hatte, dann wusste er bestimmt auch, dass er seine Form beim Blutmond ändern konne. Schließlich ließ sie dann doch von ihrer Waffe ab.
„Lass mich raten, ihr seht ihn als Gefahr, weil er ein Dämon ist, nicht wahr?“

Damon zuckte die Schultern.
"Glaub nicht das es daran liegt, ehrlich gesagt. Schließlich ist der aktuelle Auftrag eh das wir erstmal beobachten sollen... Außerdem, wenn es wirklich nur daran liegt das er ein Dämon ist dürfte ich erst gar nicht für die arbeiten."
Er grinste. Normalerweise war das ein Geheimnis gewesen, welches er für sich behalten hatte - immerhin hatte er nur schlechte Erfahrungen gemacht diesbezüglich. Aber er hatte bei Amila irgendwie das komische Gefühl, ihr Vertrauen zu können - er hatte gesehen wie freundlich und rechtschaffend sie war, und das sie diesen Dämonen auch noch in Schutz nahm imponierte ihn noch mehr. Bisher hatte er nur zwei andere Personen in seinem Leben gehabt, die in ihn mehr sahen als das Monster, was er zur Hälfte war - und beide hätte er so viel früher in seinem Leben gebrauchen können.

Es dauerte eine Weile, bis sie begriff, was seine Worte bedeuteten. Und doch spürte sie keine Angst, keine innere Unruhe. Sie betrachtete sein Auge genauer. Ob er wohl ein ebenso großer, mächtiger Dämon war wie Emir? Alleine an diesem Auge hätte sie es zumindest nicht erkannt. Es wirkte normal, wie das eines gewöhnlichen Menschen. Andererseits fiel es ihr selbst bei Emir schwer, einen Unterschied zu einem Menschen zu erkennen.
Vielleicht täuschte sich aber auch und er meinte etwas vollkommen anderes. „Verstehe“, sagte sie nur. „Ich kann ja auch nicht erwarten, dass du mir direkt alles sagst, nicht wahr?“
Sie stand langsam auf und richtete ihre Kleidung, versuchte dabei ihre Gedanken zu sortieren. Ein Assassine, der sie und Emir beobachtete, aber sie zumindest noch nicht umbringen sollte. Irgendetwas passte für sie nicht zusammen… Vielleicht war sie aber auch zu müde, um sich wirklich darüber Gedanken zu machen.
„Ich schätze du kannst wieder selbst laufen?“

"Danke, geht schon." Erwiderte er, und stand ebenfalls auf.
"Tu mir aber einen Gefallen und verrate den Dämon nichts von unserem Gespräch. Ich hab mich eigentlich schon ziemlich in die Scheiße geritten das ich's dir überhaupt verraten habe." Er sah sie ernst an. "Und, ich weiß, ich bin wahrscheinlich wirklich nicht der Erste der dir das sagt aber... Vertrau ihm nicht allzu sehr. Wenn er nicht in irgendeiner Form gefährlich sein könnte würden wir nicht auf ihn angesetzt sein. Aber ich bin mir sicher das weißt du schon."
Er grinste wieder. "Also, vielleicht läuft man sich ja nochmal über'n Weg. Oder ziemlich sicher sogar."

„Keine Sorge“, sagte sie ruhig, „Das werde ich schon nicht.“ Sie zwinkerte ihm kurz zu und wandte sich dann ab. „Also dann, Arion wird mittlerweile bestimmt auch gemerkt haben, dass wir uns verloren haben.“ Bevor sie ging, wandte sie sich aber noch Mal zu ihm um. „Ach, Damon… tu mir bitte den Gefallen und lass dich beim nächsten Mal nicht wieder verprügeln, okay? Das war die letzte meiner Kugeln und ich kann meinen Bruder schlecht um Nachschub bitten.“
Sie wandte sich ab und winkte ihm zum Abschied noch einmal zu, während sie versuchte sich wieder zu orientieren um den richtigen Weg zu finden. Insgeheim hoffte sie, dass Damon sie gerade nicht mehr beobachtete, auch wenn sie sich eigentlich ziemlich sicher war, dass er es tat. Dennoch setzte sie sich in Bewegung und schlug die Richtung ein, in der sie ihre Taverne vermutete – und hoffte, dass sie unterwegs vielleicht doch dem angeheuerten Söldner begegnen könnte.

Die letzten 10 Tage waren eher ereignislos gewesen.
Nox hatte in der Zeit Arion fast jeden zweiten Tag zu sich geordert; sie musste wissen, was der Dämon trieb, hatte langsam einen Plan gebraucht. Das der Söldner in der Zeit fast immer das selbe berichtete, deckte sich mit ihren und Damons Beobachtungen, was Nox immer nervöser machte - wie es aussah musste sie in wirklich in die Taverne einbrechen um ihn zu töten, denn der nächste Blutmond stand an und Ares hatte langsam Druck gemacht. Die Sache sollte am Besten noch davor erledigt werden. Nox beunruhigte, wie sehr Ares sich vor diesen Dämon zu fürchten schien und hatte das Gefühl, es gab etwas, was er ihr verschwiegen hatte; es war aber nicht ihre Aufgabe, nachzufragen, sie war nur die ausführende Klinge gewesen, und wenn die Gilde es für wichtig schien war sie nicht in der Position dies in Frage zu stellen.
Trotzdem, die Angst war irgendwo da. Er hatte ihr so viel Druck gemacht, die Wichtigkeit dieser Mission so oft betont, und wie sehr er dahingehend in Nox vertraut hatte... Sie konnte es sich nicht erlauben zu versagen. Durfte es nicht.

Auch die Sache mit Arion hatte ihren Schlaf geraubt. In den Tagen, in denen sie einen kurzen Statusbericht ausgetauscht hatten, haben es beide sogar irgendwie geschafft, die Finger voneinander zu lassen, zumindestens die meiste Zeit - zweimal hatten sie sich doch wieder hinreißen lassen, und bei beiden Malen hatte Nox irgendwie das Gefühl das es noch intimer, noch intensiver war als die Male davor.
Wahrscheinlich war es wirklich für beide besser, das Ganze zu beenden, getrennte Wege zu gehen. Auch wenn der Gedanke ihr immer mehr schmerzte, je näher sie dem Ende kamen. Sie hatte diesen Fehler gemacht, und nun musste sie mit den Konsequenzen leben. Sie wusste immerhin doch selbst das sie es sich nicht erlauben konnte ernsthaft Menschen zu mögen, oder was auch immer das mit Arion war. Vielleicht würde das eine Lehre für sie sein.

Die Assassine seufzte. Sie hatte sich an der Bar des Rabenhofs eingefunden, und entgegen jeder Vernunft angefangen, die Angst und den Frust in Alkohol zu ertränken. Morgen, spätestens übermorgen sollte es soweit sein, dann würde ihr Leben wieder seine gewohnten Bahnen laufen... Und das war das Beste für sie gewesen, das war zumindest das, was sie sich einreden wollte.
Sie hatte Arion wieder eine Nachricht überbringen lassen, sich heute Abend wieder hier zu treffen. Das letzte Mal.
Ein Teil in ihr hoffte, er würde einfach gar nicht kommen - es wäre für sie definitiv einfacher, wenn sie ihn dafür hassen könnte - während der andere Teil sich ein letztes Mal nach seinen Berührungen sehnte. Wieso nur hatte sie es erst soweit kommen lassen? Sie nahm einen Schluck aus ihrem Krug, ehe schließlich die Tür der Taverne aufging.

Gemische Gefühle breiteten sich in Arion aus, als er erneut auf dem Weg zum Rabenhof war. Es war zwar nicht das erste Mal, tatsächlich hatten sich die Bewohner mittlerweile schon regelrecht daran gewöhnt, dass er regelmäßig in der Taverne ein- und ausging. Selbst der Wirt begrüßte ihn mittlerweile, auch weil er nicht mehr nur in den geheimen Räumen gesessen hatte, sondern nach dem einen oder anderen Gespräch mit Nox noch für einen kurzen Umtrunk geblieben war. Meist um seine eigenen Gedanken zu klären und um nicht Gefahr zu laufen, dass einer seiner anderen Begleiter ihn sehen würden. Auch wenn sich sowohl Amila als auch Emir in letzter Zeit in ihren Zimmern eingeschlossen zu haben schienen. Gerade bei ihr war er nicht unglücklich darüber gewesen. Es hatte ihn selbst erschrocken, dass er so neben der Spur gewesen war, dass er sie bei ihren Materialbesorgungen aus den Augen verloren hatte. Auch wenn sie nicht wütend gewesen war, hatte es ihn doch in seiner Ehre verletzt. Vielleicht war es doch Zeit, endlich den Söldner an den Nagel zu hängen.
Wobei er selbst nur zu gut wusste, dass sein Problem anderer Natur war, egal wie sehr er versuchte es zu verdrängen und in irgendeine Schublade zu stecken. Der Gedanke, dass Nox Emir umbringen sollte beunruhigte ihn noch immer. Er sagte sich immer wieder, dass es daran lag dass sie einfach die beste Bettgespielin war, die er in seinem Leben gehabt hatte und sich nur deshalb Sorgen machte. Ja, das würde es sein. Und wenn etwas geschah, würde er sich einfach eine neue Frau suchen und wieder so leben, wie er es pflegte.
Eine Frau, eine Nacht. Nicht mehr und nicht weniger.
Er blieb einen kurzen Augenblick vor der Tavernentür stehen, atmete tief ein und öffnete diese dann. Wie die letzten Tage auch erblickte er Nox direkt an der Bar, einen Krug in der Hand. Kaum dass er den Raum betreten hatte trafen sich ihre Blicke und er ging direkt auf sie zu.

Nox zwang sich zu einem unbeschwerten Lächeln, als sie Arion erblickte.
Sie trank rasch den letzten Rest ihres Getränks und ging mit ihm - wie die letzten Male auch - ins Hinterzimmer.
Sie wartete, bis er auch Platz genommen hatte, seufzte schwer und lag ihn einen großen, gut gefüllten Lederbeutel auf den Tisch.
"Das ist die letzte Zahlung die du von mir bekommen wirst." Sagte sie schließlich, nicht ganz in der Lage, die Traurigkeit in ihrer Stimme zu unterdrücken. "Ich hoffe du nutzt es für was sinnvolles anstatt es zu versaufen." Sie lachte leise.

Er lachte ebenfalls, wenn auch ein wenig freudlos. „Von den bisherigen Zahlungen ist immer noch genug da, keine Sorge“, meinte er und verstaute den Lederbeutel, wurde schlagartig wieder ernst. „Dann nehme ich an, wirst du bald deinen Auftrag erfüllen.“ Es war keine Frage, sondern eine Feststellung mit der er ohnehin schon gerechnet hatte. Selbst wenn sie heute einen Bericht erwartete - er würde ihr über Emir nichts Neues berichten können.

Sie nickte.
"Das ist der Plan." Sie sah auf ihre Hände, nicht in der Lage, ihn direkt anzusehen. Waren Abschiede immer so schwer?
"Es steht demnächst ein Blutmond an, und es sollte am Besten vorher erledigt werden."
Ihr Herz war schwer. Am liebsten würde sie ihm sagen, wie viel Angst sie hatte, wie sehr sie sich fürchtete, zu versagen. Das sie irgendwie traurig war, ihn nicht mehr zu sehen, auch wenn es für beide logisch gesehen das Beste war. Doch sie sagte nichts von alledem - es würde eh nichts ändern.

„Verstehe“, meinte er und lehnte sich zurück, den Blick ins Leere gerichtet. Eigentlich hatte er damit schon gerechnet, dennoch empfand er es irgendwie… Schade? Nein, das war das falsche Wort. Aber er spürte, dass er nicht wollte, dass sie sich nicht mehr wiedersehen. Obwohl es das Beste wäre. Und das musste auch ihr klar geworden sein. Die letzten Tage hatte er eine unsichtbare Verbindung zu ihr gespürt, die über ihre körperlichen Gelüste hinausgingen. Und das beunruhigte ihn.
„Gibt es noch irgendetwas, was ich für dich tun kann?“, wollte er wissen, obwohl er selbst nur zu gut wusste, dass Assassinen bevorzugt alleine arbeiteten. Sie diesen Auftrag auch alleine erledigen wollen würde. Dennoch, wenn sie ihn schon dafür bezahlte würde er ihr auch helfen, wenn er dafür sorgen konnte, dass es für sie einfacher… sicherer wurde.

"Nichts, wo du dich nicht unnötig in Gefahr begeben würdest." Antwortete sie, spielte nervös mit den Händen. "Ich habe dich eh viel zu tief in die Sache gezogen obwohl ich das nicht hätte tun sollen, also... Du hast genug für mich getan."
Sie richtete ihren Blick, zwang sich, ihn anzusehen und lächelte.

Er erwiderte ihren Blick, lächelte ebenfalls. Auch wenn sie versuchte es zu verdrängen, er bemerkte ihre Nervosität. Verständlich, schließlich schien hinter Emir mehr zu stecken, als sie alle vermutet hatten.
„Das heißt, du wirst mich im Gegenzug am Leben lassen, obwohl ich so viel weiß“, erneut eine Feststellung. „Also wirklich, du bezahlst mich viel zu gut für diesen Job.“ Er lachte leise. Nicht, dass er etwas dagegen gehabt hatte. Er mochte einfache, aber lukrative Jobs. Aber gerade dieses Mal hatte er wirklich einen bitteren Beigeschmack.

Sie grinste.
"Lass mich diese Entscheidung bloß nicht bereuen. Außerdem, ich kriege es mit wenn du redest. Dann kann ich dich immer noch finden und töten."
Auch wenn sie definitiv nicht in der Lage dazu wäre, aber das musste er nicht wissen.

Nun lachte er lauter.
„Ich habe nicht vor, mein Glück unnötigerweise noch mehr aufs Spiel zu setzen“, antwortete er ehrlich. „Auch wenn ich zugeben muss, dass das durchaus ein Grund wäre, dich wieder zu sehen.“ Er grinste und bereute es gleich wieder, diese Worte gesagt zu haben. Hatte er nicht eigentlich vor, sie nie wieder zu sehen? Warum sagte er das dann? Manchmal war seine Zunge wirklich schneller als sein Hirn.

"Heh, sag bloß du hast dich doch in mich verliebt." Antwortete sie neckisch lachend, wenngleich es ihr irgendwie ein Stich ins Herz setzte.
"Vielleicht sehen wir uns ja wieder, irgendwann. Spätestens wenn du deine eigene Taverne hast." Sie grinste.

Erneut lachte er. „Es wäre nur schade die wohl beste Bettgespielin zu verlieren. Sowas wie Liebe habe ich schon lange aus meinem Leben verdrängt“, meinte er voller Überzeugung und fühlte sich trotzdem irgendwo wie ein Lügner. Ignorierte es jedoch. Mehr als Spaß hatte er mit ihr nicht gehabt. Außerdem wusste er dafür auch immer noch zu wenig über sie, u m wirklich sagen zu können, dass er sie liebte. Sie harmonierten nur perfekt miteinander. Das war alles.
„Aber das Angebot nehme ich gerne an. Vielleicht kann ich deiner Gilde ja auch eine Unterstützung sein“, fügte er grinsend hinzu. Erneut Worte, die er zu schnell ohne nachzudenken gesagt hatte. Ein kurzer Splitter seiner Erinnerung aus seiner Kindheit trat vor sein geistiges Auge. Er sah die Gruppe um die legendäre Heldin Rhea zur Zeit des großen Kampfes gegen den Papst. Wie sie Informationen und Hilfe durch seinen Vater erhalten hatten.
Was für seine gesamte Familie schließlich, kaum dass der Krieg beendet war, zu einem Todesurteil werden sollte.

"Garantiert." antwortete sie, sah dann wieder auf ihre Hände.
"Da das wahrscheinlich wirklich das letzte Mal sein wird das wir uns sehen..." Sie richtete ihren Blick auf ihn, ein verschmitztes Grinsen auf den Lippen. "Was dagegen wenn wir das entsprechend zelebrieren?"
Es war ein Fehler, das überhaupt vorzuschlagen, doch es wäre ein noch größerer Fehler, es nicht zu tun. Wenn sie ihn wirklich aus ihrem Leben streichen musste, danach wieder ihrem blutigen Alltag nachgehen sollte, dann wollte sie ihn ein allerletztes Mal. Als Abschied, sozusagen. An eine gute Zeit und einer süßen Erinnerung an etwas, was sie nicht benennen konnte.

Er grinste kurz in sich hinein. „Abschieds-Sex also? Das ist ja eigentlich nicht ganz meine Art“, antwortete er mit einem nicht weniger verschmitzten Blick, ehe er sich zu ihr vorbeugte, ihr Kinn berührte.
„Aber wenn du mich schon so darum bittest, kann ich da ja wohl schlecht nein sagen?“ Mit diesen Worten begann er sie leidenschaftlich zu küssen.

Nox’ Herz klopfte bis zum Hals, als sie vor der Tür des Dämonenjungen stand.
In die Taverne selbst zu kommen war nicht schwer – dadurch, das noch viele am Feiern waren, konnte sie sich unbemerkt, in Schatten gehüllt, an der Meute vorbei und die Treppe hoch schleichen.
Sie war perfekt vorbereitet – sie hatte keinen Geruch, machte kein Geräusch und ihre Klingen waren mit einem Gift beträufelt, die selbst einen Dämonen sofort ins Jenseits befördern konnten, sollte es an den richtigen Stellen treffen. Sie hatte sich vorgenommen, auf die Halsschlagader zu zielen; die Stelle hinterließ zwar einen gewaltigen Schwall Blut, ließ sich aber am einfachsten treffen und war demnach effektiv.
Am liebsten würde sie tief einatmen, um ihren Puls zu regulieren, um sich zu beruhigen. Doch das waren unnötige Geräusche gewesen – Geräusche, die sie um keinen Preis von sich geben durfte, wollte sie doch unentdeckt bleiben.
Sie lauschte an der Tür. Den einzigen Ton den sie vernahm war das Blättern eines Buches. Großartig, der Dämon schien wach zu sein. Ares hatte ihr zwar gesagt das Dämonen keinen Schlaf brauchten, das aber nicht unbedingt bedeutete, das sie vollends drauf verzichteten… Trotzdem, jetzt aufzuhören und umkehren konnte sie nicht mehr. Dafür war einfach nicht die Zeit.
Sie nahm ein Dietrich in die Hand und öffnete mit einigen, schnellen Handgriffen das Schloss. Zum Glück waren die Tavernen nicht gerade penibel was ihre Sicherheitsvorkehrungen betraf, demnach war es einfaches, in die Zimmer einzubrechen.
Nox musste nun schnell sein. Rasch schlich sie in das Zimmer des Dämons, welcher an einem kleinen Tisch saß, den Rücken zu ihr. Er schien sie nicht bemerkt zu haben; er wirkte tief versunken in die Lektüre, die vor ihm auf dem Tisch lag. Neben ihn auf dem Boden waren weitere, unzählige Bücher und Schriften verteilt – forschte er an etwas? Was auch immer es war, es sollte jetzt ein Ende haben.
Lautlos näherte sie sich dem Dämon in Jungengestalt. Ein Schnitt, nur ein Schnitt an der richtigen Stelle und es wäre vorbei. Und sie würde endlich wieder weiter machen wie bisher, und hätte vielleicht sogar wirklich mal was Gutes für die Menschheit getan, so wie sie es sich als junges Mädchen immer erträumt hatte.
Nox trat neben dem Stuhl, versuchte, ihren Atem anzuhalten, ihren Puls zu regulieren, kein Geräusch zu machen – gerade, als sie ihren Dolch gezückt hatte, und auf den Hals des Dämons zielte, drehte er sich plötzlich zu ihr um, griff nach ihrem Handgelenk und lächelte sie an. Wieso…? Er dürfte sie doch eigentlich nicht sehen, wieso…?
„Ich freue mich normalerweise sehr über Besuch, aber ich bin kein Fan davon, wenn man mich feige von hinten attackiert.“ sagte er, und seine kindliche Stimme hatte so etwas Bedrohliches an sich, was Nox noch nie in ihrem Leben vernommen hatte. Seine roten Augen leuchteten manisch.
Sie musste aus Schreck ihre Magie fallen gelassen haben, denn nun ruhten seine Augen genaustens auf ihre. Er ließ sie los und stand auf, während sie perplex einige Zentimeter nach hinten taumelte.
Der Dämon lächelte nach wie vor und atmete tief ein. „Ihr könnt zwar euren Geruch so gut verdecken wie ihr wollt, aber es gibt etwas, was ihr vor mir nie verstecken könnt.“ Er kam einige Schritte auf sie zu. Hatte Nox wirklich versagt? Würde sie so ihr Ende finden?
„Und das ist der Duft der Angst.“
Sein Mund weitete sich zu einem Grinsen. „Ich habe eh langsam Hunger bekommen.“ Er beugte sich zu ihr runter. „Vielen Dank das du von selbst deinen Weg zu mir gefunden hast – ich weiß das wirklich zu schätzen.“ Er hob ihr Kinn, und alles in Nox schrie, das sie fliehen sollte, das sie ihre versteckten Klingen nutzen sollte und diesen Dämon einfach ausschalten sollte – doch war sie wie gelähmt vor Angst.
„Also dann…“ Der Dämon öffnete sein Maul, und dort, wo sich vorher noch das Gesicht eines Kindes befand war nur noch die Fratze eines Monsters zu erkennen, mit Reißzähnen welche ihr mit nur einem Biss den Kopf abreißen könnten.
Nox Überlebensinstinkt musste endlich eingesetzt haben, denn noch bevor der Dämon ihr was tun konnte, hatte sie schon ihre Klinge ausgefahren und ihn diese in die Schulter gerammt. Blut tropfte, und der Dämon sah erst auf seine Schulter, dann wieder zu ihr. Wut stieg in ihm auf.
„Weißt du, wir zwei hätten das einfach und schmerzlos haben können.“
Nox versuchte, sich zu bewegen, zur Tür zu kommen, doch der Dämon war schneller als sie. „Ich fürchte, jetzt muss ich dir leider ziemlich wehtun.“
Noch bevor sie – noch immer auf allen Vieren – die Tür erreichen konnte, merkte sie einen brennenden Schmerz und eine warme Flüssigkeit lief über ihre Schulter – war das Blut gewesen?
Sie drehte sich um und sah den Dämonen wie er genüsslich das Blut von seinen Fingern, welche eher Klauen ähnelten, leckte.
Erneut holte er aus, und erneut nutzte Nox ihre versteckten Klingen, um sich abzuwehren – es musste funktioniert haben, denn er hatte sie diesmal nur am Arm erwischt, während er selbst einige Schritte zurücktaumelte.
Das war ihre Chance. Obwohl es brannte und schmerzte und die Wunden ziemlich tief zu sein schienen, schaffte es Nox mit letzter Kraft die Tür zu öffnen – sie musste weg, so schnell wie möglich – sie wollte nicht sterben, nicht so.
Obwohl ihr Kreislauf langsam den Geist aufgab, bündelte sie das letzte bisschen an Kraft, was sie aufbringen konnte, und hüllte sich in Schatten, vorbei an der feiernden Meute, welche nicht mal die Blutspur zu bemerken schienen welche sie hinterlassen hatte, raus aus der Taverne, irgendwo hin, wo niemand sie sehen würde.
Schließlich endete ihr Weg in einer dunklen Gasse, ehe sie kollabierte.

Es war spät. Viel zu spät dafür, dass er seine Zeit nicht im Schankraum verbrachte, wie es normalerweise der Fall gewesen wäre. Seit seinem letzten Besuch bei Nox war ihm nicht danach gewesen. Lag das an ihren Worten? Hielt er sich tatsächlich irgendwie daran, sein Geld nicht mehr in Alkohol und Frauen zu stecken? Eigentlich war es ihm auch egal, Hauptsache er hatte einen großen Schritt zu seiner eigenen Taverne gemacht.
Zum gefühlt hundertsten Mal wälzte er sich im kleinen Bett seiner Kammer, versuchte irgendwie schlaf zu finden und doch kam er nicht zur Ruhe. Bis er schließlich Schritte auf dem Gang hörte. Schnelle, schleifende Schritte. Abrupt setzte er sich auf, fragte sich ob es sich dabei um Alkoholleichen handelte, wäre zumindest nicht das erste Mal gewesen. Und trotzdem, irgendetwas in ihm schrie danach, nachschauen zu wollen. Zu überprüfen, was für eine Person sich durch die Taverne schlich. Also stand er auf, zog sich seine Stiefel an und schnappte seinen Mantel, ehe er seine Zimmertür einen Spalt öffnete…
… und eine Blutspur bemerkte.
„Nox…?“, sagte er leise, flüsternd. Er sah die Blutspur entlang, die scheinbar zu Emirs Zimmer führte. Hatte sie ihn erwischt?
Für einen kurzen Augenblick überlegte er in seinem Raum nachzuschauen, entschied sich aber doch der Blutspur zu folgen. Sollte sie ihm unterlegen sein, Emir noch leben… Dann wäre er der letzte, den Arion jetzt sehen wollte. Nicht, solange ihm sein eigenes Leben lieb war.
Er folgte der Spur, durch den Schankraum in dem niemand auch nur annähernd etwas davon bemerkt zu haben schien. Hinaus in die Stadt, bis sie sich schließlich in eine Gasse verlief. Und da war sie. Blutüberströmt lag sie in der Gasse, nur geschützt durch die Dunkelheit der Nacht, selbst die Straßenlaternen reichten kaum in diese Gasse.
Ohne lange nachzudenken stürmte Arion zu ihr, kniete sich neben sie und fluchte leise. „Halte durch“, zischte er und riss einen Teil seines Mantels ab um ihre stark blutende Wunde zumindest notdürftig zu verarzten. Mit einem Gürtel versuchte er den Blutstrom zu stoppen, ehe er sie vorsichtig auf den Rücken drehte.
Erleichtert stellte sie fest dass sie noch zu atmen schien. Schwach. Unregelmäßig. Sie benötigte unbedingt einen Arzt. Vorsichtig nahm er sie hoch, achtete dabei darauf, dass sie nicht unnötig mehr Blut verlor.
„Stirb mir hier bloß nicht weg“, murmelte er, als er mit ihr auf den Arm in Richtung des ersten Ortes lief, der ihm in den Sinn kam – der Rabenhof.

Es war viel zu spät gewesen, selbst für Nox Verhältnisse – sie sagte zwar, das sie was zu erledigen hatte und Damon nicht auf sie warten sollte, doch sie hatte sich die letzten Tage so komisch verhalten, das er ein ganz ungutes Gefühl bei der Sache hatte.
Hatte sie doch den Auftrag erhalten, den Dämonen umzubringen? Es würde erklären wieso sie so angespannt wirkte, und wieso sie sich so oft mit Ares ausgetauscht hatte die letzten Tage.
Doch, selbst wenn – es war immerhin Nox, sie würde das schon hinbekommen, oder?
Ungeduldig trommelte er mit den Fingern auf den Tresen. Wenn wenigstens Ares irgendwas sagen würde…
Plötzlich wurde die Tür aufgerissen, und ein Mann trat ein, mit einer Frau in den Armen; blutüberströmt. Es dauerte nur eine Sekunde, eher er sofort realisierte, um wenn es sich handelte – rasch sprang er auf und lief zu ihm hin, das Geraune der wenig verbleibenden Gäste ignorierend.
„Ach du scheiße.“ Das war das Einzige, was er in diesen Moment rausbekommen hatte. „Nick, ruf schnell einen Heiler und sag Ares Bescheid!“ Rief er noch dem Tavernenwirt zu, ehe er dem Mann, welcher Nox in seinen Armen hielt, deutete, ihn zu folgen.
Es war Damon in diesen Moment scheißegal das er Unbefugte in den Teil führte, der eigentlich nur für Mitglieder gedacht war – Nox musste versorgt werden, und zwar schnell.
Es dauerte nicht lange, und die beiden erreichten schließlich das Zimmer, welches Nox für die Zeit in Asteria zur Verfügung stand.
„Leg sie aufs Bett.“ orderte er, während er verzweifelt nach Alkohol oder Verbandszeug oder irgendetwas suchte – gerade, als er fündig geworden war, hörte er auch schon die Tür aufgehen und Ares, mitsamt einer Heilerin trat ein.
„Wir kümmern uns schon darum.“ hörte er nur die Stimme des Dämons. „Wartet solange im Hauptraum.“
Damon wollte erst irgendetwas erwidern, protestieren, das er Nox nicht allein lassen wollte, doch als er Ares strengen Blick sah wusste er, das er hier nichts zu suchen hatte. Einen flüchtigen Blick auf ihre Verletzungen ließ er sich trotzdem nicht nehmen – er erkannte tiefe, blutende Wunden welche dem Anschein nach von einer Dämonenklaue zu stammen schienen.
„Komm.“ sagte er schließlich zu den Mann, der Nox her gebracht hatte. „Wir können erst mal nichts mehr für sie tun.“
Zusammen gingen sie zurück zum Barbereich der Taverne und fanden sich am Tresen wieder, wo der Wirt ihnen direkt jeweils einen Krug Bier vor die Nase stellte.
„Für die Nerven.“ meinte er nur, und Damon nahm es dankend entgegen.
„Danke das du sie her gebracht hast.“ meinte er schließlich zu Nox Retter, ehe er sich das Bier die Kehle runter stürzte.
„Das war der Dämon, nicht wahr?“