Central Hell Goddess 2

Die Sorge, dass Arion ihrer Nachricht nicht nachkommen würde, missfiel ihr. Sie hatte ihn die zustecken lassen, unauffällig - konnte somit nicht Mal sichergehen ob sie ihn wirklich erreichte. Das es sie so beschäftigt hatte, nervte sie ungemein. Und das sie nach ihrem Auftrag keinen Nutzen mehr für ihn hatte, und ihn somit nicht mehr sehen würde, umso mehr.
Eigentlich war es besser, für beide, wenn sie diese Zusammenarbeit beenden würden. Dennoch, ein Teil, ein ganz kleiner Teil in ihr wollte nicht, das es so schnell vorbei war.
Es war, als hätte man von einer verbotenen Frucht gekostet, welche einen nach mehr dürsten ließ, wegen ihr nie mehr was anderes essen konnte. Sie hasste diese Gedanken - sie hatte sich geschworen, niemals jemanden an sich ranzulassen, ganz besonders dahingehend nicht. Und nun saß sie trotzdem hier wie ein Teenager welche verzweifelt auf ihr Date wartete.
Der Sex war aber auch zu gut gewesen. Sie hatte lange nicht mehr das Gefühl, so gut mit jemanden zu harmonieren. Und genau deshalb war sie so missmutig, nicht mehr, nicht weniger.
Als schließlich zum wiederholten Male die Tür aufging - Nox hatte schon aufgehört zu zählen - und sie eine ihr allzu bekannte Gestalt vernahm, verspürte sie eine Mischung aus Erleichterung und Schwermut. Dennoch, davon würde er niemals etwas mitbekommen.
Nachdem sie auf sich aufmerksam gemacht hatte, deutete sie ihn, ihr zu folgen - das was sie zu bereden hatte war kein Ort für die normale Taverne.
Als die beiden sich in einem abgeschieden Raum eingefunden hatten, welche für die Gildenmitglieder und geheime Gespräche jeglicher Art gedacht waren, sperrte sie die Tür hinter sich zu, und setzte sich auf einen der Sessel. Der Raum war um einiges größer als der in Kanre - ausgestattet mit mehreren Sesseln, einer Couch und sogar einem kleinen Kamin war er mehr als ausreichend für Geschäftsgespräche. Und genau das hier sollte eines werden. Nicht mehr und nicht weniger.
"Ich hatte schon befürchtet dass die Nachricht dich nicht erreichen würde." Gab Nox schließlich zu und schenkte Arion ein schwaches Lächeln.

Ein Teil von ihm, ein ganz kleiner, ganz tief in ihm verborgen, war früh darüber, sie wiederzusehen. Obwohl er kaum etwas von ihr wusste, so hatte sie doch eine Anziehungskraft auf ihn entwickelt… Nein. Er verdrängte die Gedanken, setzte sein bestes Pokerface auf. Nie wieder würde er eine Frau so nah an sich heran lassen. Auch sie nicht.
„Und ich hatte mich schon gefragt, wann du wieder reden möchtest“, antwortete er mit einem charmanten Lächeln, den Zettel zwischen zwei Fingern hochhaltend, ehe er sich auf einen der Sessel setzte. Sein Lächeln erstarb jedoch relativ schnell wieder. „Leider habe ich dir dieses Mal nicht viel zu sagen. Seit wir hier sind, verschließt sich Amila und meidet es, auch nur ein Wort über diese Reise zu verlieren.“ Es war ihm lieber, ihr direkt die Tatsachen zu vermitteln, bevor sie allzu große Hoffnungen in ihn setzte. Zwar hatte er immer wieder versucht, Dinge zwischen den Zeilen zu erkennen. Allerdings hatte er zunehmend mehr das Gefühl, dass sie lediglich einen Ausflug in diese Stadt gemacht hatten und sich die Sehenswürdigkeiten anschauten. Auch wenn seine Begleiter erstaunlich viel Zeit in der Bibliothek zu verbringen schienen.

Sie lächelte ebenfalls, unterdrückte die aufkommende Traurigkeit.
"Es wird sowieso wahrscheinlich das letzte Mal sein das ich dich um etwas bitten werde." Antwortete sie, und legte ihn einen gut gefüllten Lederbeutel auf den Tisch.
"Ich..." Sie überlegte. "Ich muss wissen, was der Knirps macht, ob es irgendeine Möglichkeit gibt, ihn alleine abzufangen."
Erneut lag ihr ein schwaches, aber freches Lächeln auf den Lippen.
"Ich bin mir sicher du kannst dir denken wieso."

Er sah ihr für einige Sekunden in die Augen, sein Gesicht ausdruckslos.
„Verstehe“, sagte er nur und nahm den Beutel entgegen, diesmal jedoch ohne den Inhalt vorher zu prüfen. „Ist vielleicht das Beste so.“
Ihm war klar, dass er ihr nicht sagen musste, dass sie vorsichtig sein sollte. Sie schien schon lange genug in diesem Beruf zu sein, dass sie die Gefahr selbst gut einschätzte. Dennoch, auf der einen Seite empfand er es als Erleichterung, dass Emir aus dem Weg geräumt werden sollte. Trotzdem hatte er kein gutes Gefühl dabei.
So lehnte er sich auf dem Sessel zurück. „Momentan verbringen beide sehr viel Zeit in der Bibliothek“, berichtete er. „Keine Ahnung, was genau sie vor haben oder wonach genau sie suchen. Aber anscheinend verfolgen sie getrennte Ziele.“
Dann schüttelte er den Kopf. „Mehr kann ich dir auch nicht sagen. Abgesehen von der Bibliothek fühlt sich der Aufenthalt mehr wie ein Familienausflug an, wie eine ernste Reise. Und ich habe den Eindruck, dass der Knirps Amila nicht von der Seite weicht.“

"Verstehe... Das erleichtert die Sache nicht gerade."
Nox überlegte. Wie es aussah, musste sie warten, bis die Gruppe die Stadt verließ oder aber nachts in die Taverne einbrechen, in der sie genächtigt hatten; wobei das keine Vorhergehensweise war, die sie bevorzugt hätte - zu groß war die Gefahr, dass jemand etwas mitbekommen würde.
Sie seufzte.
"Aber das soll meine Sorge sein. Was dich angeht... ich denke das Geld sollte für's erste reichen. Alles weitere sehen wir dann."
Schließlich stand sie auf; die geschäftlichen Angelegenheiten waren eigentlich geklärt gewesen, und es hatte nichts weiter gegeben, was Nox für redenswert hielt. Eigentlich. Trotzdem, irgendwas in ihr wollte das Gespräch noch nicht so schnell beenden; wollte nicht, das beide nun einfach wieder ihrer Wege gehen. Tatsächlich gab es sogar etwas in ihr, das danach schrie, diesen Mann wieder nah sein zu wollen, ein allerletztes Mal.
Dann kam ihr ein Gedanke, eine flüchtige Idee - etwas, was sie später garantiert und unter jeden Umständen bereuen würde, und dennoch.

Noch bevor Arion irgendwas erwidern konnte, ging die Assassine auf ihn zu, ein verschmitzes Lächeln auf den Lippen. "Eins noch, bevor wir uns für heute trennen." Sie setzte sich auf seinen Schoß und hatte mit einer schnellen Handbewegung nach dem Dolch gegriffen, welcher an ihrem Oberschenkel befestigt war. "Ich hoffe, du hast nicht vergessen, was für ein Risiko das für mich ist dich am Leben zu lassen?" Flüsterte sie, fast schon verführerisch, während sie ihn die Klinge an die Kehle gedrückt hielt und mit ihrer freien Hand sein Handgelenk griff.
"Falls doch, möchte ich dir das hiermit nochmal ins Gedächtis rufen."

Arion blieb erstaunlich ruhig, obwohl er sonst jedes Mal kurz davor war, Panik zu verspüren wenn sein Leben auf dem Spiel stand. Doch dieses Mal erfüllte ihn eine solche Ruhe, dass er es fast schon als gruselig empfand. Dennoch grinste er sie an, charmant.
„Als wenn ich eine hübsche Dame wie dich einfach so verraten könnte“, meinte er, das Messer ignorierend, obwohl er den kalten Stahl spürte.
Gleichzeitig verspürte er aber auch irgendwie eine Leere bei dem Gedanken, dass sich ihre Wege trennen würden. Vielleicht wäre das aber das Beste. Er konnte sich nicht erlauben, sich wieder zu verlieben. Durfte es sich nicht erlauben. Sie hatte ihm zwar mehr gegeben als nur Geld, doch irgendwann musste auch Schluss damit sein.
Auch wenn sie es ihm irgendwie scher machte mit ihrer Art. Wäre da nicht dieses Messer, würde er wohl über sie herfallen wollen.

Sie lächelte schwach.
"Gut, ich will dich nämlich wirklich nicht umbringen müssen, weißt du?" Sagte sie, ihre Lippen nach wie vor an sein Ohr.
Es war seltsam. Sie, die sonst keine Probleme damit hatte, sich nie an irgendwen oder irgendwas gebunden hatte - wieso hatte sie gerade bei ihm diesen Missmut verspürt? Wieso würde sie ihn nicht umbringen können, egal wie viel für sie auf den Spiel steht? Ihr hallten Damons Worte im Kopf. War er ihr wirklich ans Herz gewachsen? Selbst wenn, was würde es ändern? Nox hatte sich für dieses Leben entschieden, ein Leben, welches sie alleine verbringen wollte. Musste. Ein Leben welches mit Blut und Tod besudelt war.
Schließlich ließ sie die Klinge fallen.
"Ach, verdammt." Flüsterte sie ein letztes Mal, Ehe sie ihre Lippen auf seine presste und ihn entgegen jeder Logik leidenschaftlich küsste.

Noch bevor er antworten konnte, trafen sich ihre Lippen bereits und er konnte nicht anders, als diesen leidenschaftlichen Kuss zu erwidern. Seinen eigenen Schwur in dem Moment ignorierend ließ er es geschehen. Ließ sich auf das Spiel ein, die Lust die sie in ihm auslöste. Ohne daran zu denken, dass er es danach mit Sicherheit wieder bereuen würde, sich wieder auf sie eingelassen zu haben. Doch da war etwas in ihm, ein kleiner Teil den er so gut wie möglich versuchte zu verbergen, der nach dieser Frau schrie. Der sich über ihre Anwesenheit freute, über ihre Berührungen, ihre Küsse, ihre Stimme… Und gerade in diesem Moment wurde sie so unsagbar laut, dass er sie nicht mehr verbergen wollte – zumindest solange sein Gehirn an nichts anderes denken konnte, als das, was gerade geschah.

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Connor hatte gerade Ares die Nachricht überbracht und wollte vor seiner Abreise noch einmal in der Taverne vorbei schauen, als er Nox gesehen hatte. Wie sie sich mit diesem hochgewachsenen Mann in eines der verborgenen Hinterzimmer verzogen hatte. Schnell hatte er sich hinter einer Wand versteckt und beobachtet, hatte sich nicht getraut weiter zu gehen aus Angst, dass sie seine Schritte hören würden. Nun stand er hier, ungewöhnlich lange für ein geschäftliches Gespräch… Und spürte, wie sich etwas in seinem Herzen zusammen zog. Sie unterhielten sich nur über das Geschäft oder? Da war nichts anderes? Der Auftrag war bestimmt nur so aufwendig, dass sie viel darüber zu reden hatten. Und dennoch traute sich der junge Mann nicht, an der Tür vorbei zu gehen. Hatte Angst vor den Geräuschen, die er trotz all des Schallschutzes hören konnte sollte es kein geschäftliches Gespräch sein.

Nox verfluchte sich ein wieder einmal dafür, diesen Fehler begangen zu haben – sie war die letzten Tage viel zu angespannt, vor allem seit sie den Auftrag bekommen hatte, den Knirps loszuwerden. Klar, sie hatte sich zur Entspannung auch noch mit einen anderen Typen vergnügt, aber das war nur bedingt befriedigend gewesen; ihre Gedanken waren unwillentlich an Arion hängen geblieben.
Immerhin würden sie ihre Zusammenarbeit eh bald beenden und getrennte Wege gehen, wieso also nicht die restliche Zeit ein bisschen ausnutzen? Obwohl der Unmut darüber nur größer zu werden schien; selbst wenn er ihr irgendwo ans Herz gewachsen war, änderte es nichts daran, was sie war. Und für welchen Weg sie sich entschieden hatte.
‚Eris.‘ Ares Stimme, welche Warnung und Erinnerung zugleich gewesen waren, hallten in ihrem Kopf nieder. Eris war tot, es gab nur noch Nox – und Nox konnte es sich nicht erlauben, andere an sich ranzulassen. Selbst Damon war schon zu viel.
Deshalb, sie ermahnte sich – das diente nur der Vergnügung. Und sobald sie mit dem Dämonen fertig war, würde alles wie früher werden. Sie würde so tun als hätte sie Arion nicht getroffen, und weitermachen, wie bisher. Auch wenn der Gedanke ihr einen Stich im Herzen versetzte, sie irgendwo traurig machte.
„Du kannst damit rechnen das ich dich die nächsten Tage öfter hier her bringen lassen werde.“ sagte sie schließlich, den Rücken zu ihm gewandt, während sie ihre Klamotten zusammen suchte. Er sollte ihr Gesicht nicht sehen, sollte nicht sehen, wie betroffen sie der Gedanke machte, ihn aus ihrem Leben streichen zu müssen.
„Ich brauche genaue Statusberichte, was der Dämon macht, ob und wann er alleine loszieht. Natürlich nur, solange du dich nicht in Gefahr begibst. Und keine Sorge, selbst wenn du nichts zu berichten hast, ich bezahle dich auch weiterhin.“
Zur Not würde sie wirklich warten, bis die Gruppe Asteria verlassen hatte – trotz Ares Bitte, diese Gelegenheit so schnell wie möglich zu erledigen.

Obwohl er es nicht wahr haben wollte, so musste er sich doch gestehen, dass niemand ihn so erfüllen konnte wie Nox. Er fluchte innerlich darüber, während er seine Kleidung selbst wieder richtete und dafür sorgte, dass man ihm nicht allzu sehr ansah, was in diesem Raum geschehen war.
„Ich werde schauen, was ich machen kann“, erwiderte er mit neutralem Ton.
Sie verkehrten nur geschäftlich miteinander und hatten einfach nur Spaß. Mehr war da nicht. Außerdem wusste er sowieso zu wenig über sie, also brauchte er gar nicht erst so weit zu denken. Ihm war doch ohnehin klar, wie Frauen tickten. Sie würde da bestimmt keine Ausnahme sein. Lediglich beim Sex war sie außergewöhnlich, den anderen Frauen in seinem Leben bei weitem überlegen. Und das war bestimmt alles, was ihn an sie band. Keine Gefühle, die er eigentlich verbannt haben sollte.
Schließlich versteckt er den Lederbeutel in seinem Mantel. „Ich nehme an, ihr wisst Bescheid in welcher Taverne wir uns eingenistet haben. Alles Weitere sage ich dir bei unserem nächsten Treffen.“ Nun setzte er doch wieder sein charmantes Lächeln auf, das er in so Situationen immer zeigte.

Sie drehte sich zu ihm und erwiderte sein Lächeln - frech, wissend, und irgendwie auch etwas traurig, fast schon einsam.
"Natürlich weiß ich das." erwiderte sie, während sie sich ihre Stiefel anzog.
"Vielleicht solltest du ohne mich gehen, ich will nicht das die falschen Leute uns zusammen sehen." Sie zögerte kurz. "Pass auf dich auf, okay?"

Nachdem er schließlich den Raum verlassen hatte, bleib Nox noch eine Weile stumm sitzen, den Blick auf den Boden gerichtet, den Kopf mit den Handgelenken gestützt.
"Fuck..." murmelte sie zu sich selbst. Sie hätte es nie soweit kommen lassen dürfen. Hätte ihn da gar nicht erst mit reinziehen sollen, und vorallem - und das war noch viel schlimmer - sich niemals körperlich auf ihn einlassen, ihn niemals näher kennenlernen dürfen. Obwohl sie sich verzweifelt versuche einzureden, das es dem reinen, körperlichen Gelüste diente: ein Teil von ihr wollte mehr Zeit mit ihm verbringen, wollte mehr mit ihm reden, ihn besser kennenlernen; wollte vorallem auch mal über sich reden.
Selbst wenn sie sich jetzt schwören würde, das war wirklich das Allerletzte Mal, sie würde beim nächsten Mal definitiv die Finger von ihm lassen; sie wusste das das nur eine Lüge wäre. Sie würden beim nächsten Treffen wahrscheinlich genauso enden, und wahrscheinlich würde sie hier wieder genauso sitzen, verwirrt über sich selbst und über die Gefühle, die sie hatte. Es war wirklich besser, für sie und für ihn, wenn sie diesen Dämon eher früher als später umbringen würde. So würden sie einander nie wieder sehen, und Nox würde ihrem gleichen, einsamen, von Blut getränkten Alltag nachgehen.
Immerhin war es das Einzige was sie konnte, das Einzige, wie sie von Nutzen sein konnte.

„Sei du auch vorsichtig“, sagte er noch zum Abschied, ehe er den Raum verließ, darum bemüht sich nichts anmerken zu lassen. Er hatte gemischte Gefühle, nicht nur wegen Nox selbst, sondern auch wegen ihrem Auftrag. Es fiel ihm schwer abzuschätzen, wer von ihnen die besseren Chancen hatte. Klar, Nox war bestimmt eine gute Mörderin und sehr geschickt, er erkannte jedoch direkt, dass sie keine Kämpferin war. Und Emir würde bestimmt sehr gut auf seine Umgebung achten. Andererseits schien der Junge selbst für einen Dämon relativ schwach zu sein, außerhalb des Blutmondes natürlich. Trotzdem hatte er ein ungutes Gefühl, als er den Rabenhof verließ. Vielleicht würde er sich an einem anderen Ort noch ein paar Getränke gönnen, auch wenn ihm im Moment nicht unbedingt nach Alkohol war.

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Bis zum Ende hatte Connor sich nicht vom Fleck weg bewegen können, hatte auf der Lauer gestanden – froh darüber dass sonst niemand den Gang entlang gekommen wäre. Das Gespräch hatte lange gedauert. Viel zu lange. Er selbst hatte noch nie mit einem Kunden gesprochen, hatte seine Aufträge bisher immer direkt von seiner Mutter bekommen, aber bereits bei anderen Assassinen mitbekommen wie lange diese Gespräche gedauert hatten. Und das waren meist nur wenige Minuten.
Als sich die Tür des Raumes schließlich wieder öffnete, linste er wieder um die Ecke. Dass nur der Mann, der Kunde den Raum verlassen hatte machte ihn stutzig. Was war in dem Zimmer geschehen? Wie auffällig wäre es, wenn er noch etwas mehr Zeit in Asteria verbrachte? Als Spion sollte es ihm ein leichtes sein unerkannt zu bleiben. Er musste herausfinden, wie er zu Nox stand. Sollte da mehr sein… dann würde Connor dafür sorgen, dass er ihr nicht im Wege stand und sie unnötig in Gefahr brachte.

Die Sonne stand bereits in ihrem Zenit, als Amila – wie so oft in letzter Zeit – an ihrem Schreibtisch aufwachte, den Kopf noch auf ihrem Notizbuch und den Plänen ruhend. Sie hatte die halbe Nacht damit verbracht, ihre bisherigen Pläne für den Magiesammler auszureifen, zu perfektionieren. Mit den Informationen über die Runentechnologie aus alter Zeit, die sie herausgefunden hatte, fühlte sie sich endlich sicher. Sie würde es schaffen einen kleinen Magiesammler zu bauen, der nur eine geringe Menge Magie absorbierte und somit die Ursprungspunkte nicht vollständig ausschöpfen würde. Auf die Art würde man vielleicht gar nicht merken, dass sich jemand an der Magie vergriff – und durch die Runen hatte sie auch einen Weg gefunden, wie sie die Magie an einen Katalysator binden konnte … fehlte nur noch dieser.
Sie streckte sich, richtete ihre Frisur und machte sich ein wenig frisch. Kurz überlegte sie, ob sie bei Emir vorbei schauen sollte. Seit sie die Bibliothek verlassen hatten, war er erstaunlich schweigsam gewesen, hatte sich direkt in sein Zimmer zurückgezogen. Ob er wohl auch fündig geworden war und er deshalb nun ein wenig Zeit für sich brauchte? Vielleicht wäre es besser, wenn sie zunächst den Magiesammler baute und ihn dann nach einem möglichen Katalysator fragte. Oder sie hielt direkt selbst Ausschau nach einem.
Schnell überprüfte sie ihre Notizen, schrieb sich eine Einkaufsliste und begab sich dann in den Schankraum. Ihr Magen knurrte, schließlich hatte sie das Frühstück wieder einmal verschlafen.
Zu ihrer Überraschung sah sie, dass Arion ebenfalls im Schankraum saß und erstaunlich ernst in seinen Krug starrte. Lächelnd ging sie zu ihm. „Ist hier noch frei?“, fragte sie.
Als hätte sie ihn aus seinen Gedanken aufgeschreckt blickte er hoch, nur um im nächsten Moment sein typisches Lächeln aufzusetzen. „Wer könnte jemanden wie dich abweisen?“, er klang nicht so überzeugend, wie sie es von ihm gewöhnt war. War etwas vorgefallen.
„Redest du so mit jeder Frau?“, fragte sie und setzte sich auf einen der freien Stühle.
Arion lachte. „Kommt eigentlich immer darauf an“, sagte er.
„Verstehe“, antwortete sie knapp und bestellte sich schnell ein wenig Brot und eine leichte Suppe. „Ist irgendetwas vorgefallen? Du wirkst so abwesend.“
Er schüttelte den Kopf. „Alles gut“, sagte er fast schon zu schnell, ehe er wieder grinste. „Ich bin es nur nicht gewöhnt, so lange an einem Ort zu sein. Wie lange glaubst du, braucht ihr noch?“
Amila runzelte die Stirn und sah ihn schief an. Sie wünschte sich, sie könnte in den Gesichtern anderer genauso gut lesen wie ihr Bruder oder ihr Vater. Vor ihnen Geheimnisse zu verstecken war schon immer schwer gewesen. Als ihre bestellte Mahlzeit kam, rührte sie zunächst lustlos, obwohl ihr das Wasser im Mund zusammen lief. „Das kann ich dir noch nicht sagen“, meinte sie ernst um das Gespräch aufrecht zu erhalten.
„Ach so“, meinte er nur knapp und Amila war sich nicht sicher, ob in seiner Stimme nun Erleichterung oder Enttäuschung mit schwang.
Für eine Weile aß sie schweigend ihre Mahlzeit, während er wieder in sein Getränk starrte. Normalerweise war er der reinste Schluckspecht und hatte selbst sie schon versucht, zum Trinken zu überreden. Das passte irgendwie nicht zu ihm.
Sie ließ ihren Löffel sinken. „Weißt du Arion“, begann sie und brach etwas Brot, das sie ihm entgegenstreckte. „Ich wollte heute eigentlich in die Stadt um ein paar Dinge zu besorgen. Es wäre mir eine Freude, wenn du mich begleiten könntest.“ Etwas überrascht nahm er das Stück Brot entgegen, woraufhin sie grinste. „Du scheinst dich hier schließlich auszukennen und ich könnte einen Führer gebrauchen.“
Ein schwaches Lächeln huschte über seine Lippen, das sehr schnell breiter wurde. „Wie Ihr beliebt, meine Dame2, sagte er schließlich. „Dann werde ich wohl meinem Job als Leibwächter wieder nachkommen.“
„Ich bitte darum!“
Sein Lachen daraufhin klang ehrlich und erfüllte auch sie mit Freude. Also beeilte sie sich schnell, ihr einfaches Mahl zu beenden.

Obwohl Amila selbst aus einer Großstadt stammte, war sie noch immer überfordert, wenn sie sich durch die Straßen Asterias bewegte. Gerade der Marktplatz, der immer mit Menschen überfüllt war, verwirrte sie jedes Mal aufs Neue. Er befand sich zum Fuße des Berges, fast direkt im Zentrum des äußeren Stadtrings. Im Zentrum hatte man auch hier einen großen Brunnen aufgestellt, der von einer Statue des Stadtgründers geziert wurde. Amila hatte Gerüchte gehört, dass diese kurzzeitig durch eine Statue des Papstes ersetzt worden war, als dieser Asteria eingenommen hatte. Erst nach der Befreiung der Stadt, hatte man die Statue wieder gewechselt.
Abgesehen vom Brunnen sah jedoch alles gefühlt gleich aus. Mehrere Straßen führten im gleichen Abstand vom Marktplatz fort und die Häuser waren so hoch, dass es ihr in den Menschenmassen oft schwer fiel, den Berg als Orientierung zu sehen – und das, obwohl sie für eine Frau doch Recht groß gewachsen war. Deshalb war sie sehr froh, Arion an ihrer Seite zu wissen, der ihr netterweise auch dabei half, ihre Materialien zu tragen. Zu ihrer Erleichterung hatte er mittlerweile auch aufgehört sie zu fragen wofür sie das alles benötigte und was ihr eigentlicher Plan war. Stattdessen tat er einfach nur seinen Job. Immer wieder bemerkte sie dabei, dass er anderen Frauen hinterher sah, allerdings nicht mehr ganz so lange, wie es sonst der Fall war. Entschied sich aber das zu ignorieren. Schließlich hatte sie ihm ja selbst gesagt, er solle sich seine Zeit frei einteilen, während sie hier waren.
Sie hatten fast alles besorgt, als Amila im Augenwinkel eine schmale Gasse bemerkte, die von mehreren Schildern eingerahmt wurde. Obwohl sie schon ein paar Mal auf dem Marktplatz war, hatte sie diese noch nie bemerkt. Neugierig drückte sie sich durch einige Menschen und sah sich die Schilder genauer an, als Arion sie an der Schulter berührte.
„An deiner Stelle würde ich da nicht lang gehen“, sagte er ernst. „Man weiß nie, was in solchen Gassen lauert.“
Amila sah ihn an und bemerkte die Vorsicht in seinen Augen. In Wentra hatte sie sich oft in die Seitengassen verzogen und war dort auch hin und hatte entsprechend auch schon selbst miterlebt, was in diesen Gassen geschah. Dennoch entschied sie fürs Erste auf ihn zu hören. „Du hast wohl Recht“, gab sie nach und folgte ihm, drehte sich aber dennoch wieder zu den Schildern um. Außer dem Wort „Raben…“ konnte sie dort nichts weiter entziffern.
Es war bereits später Nachmittag, als sie endlich die restlichen Einkäufe erledigt hatten und den Rückweg zur Taverne antreten wollten. Wie schon die ganze Zeit ging Arion voraus, den Blick aufmerksam in alle Richtungen gerichtet, während Amila es eher genoss unter Menschen zu sein. In Wentra war es ihr nie gestattet, an Markttagen in die Stadt zu gehen oder generell zu den Stoßzeiten. Immer wieder hatte man ihr gesagt, sie solle ihre Diener schicken. Aber wie hätte sie diese auf den Schwarzmarkt schicken sollen um ihr verbotene Dinge zu besorgen?
Mit einem Mal kam eine Windböe auf, die so heftig war, dass sie beinahe Amila ihre Kapuze vom Kopf blies. Abrupt blieb das Mädchen stehen, den Stoff fest in der Hand und wartete darauf, dass der Wind nachließ.
„Das war noch einmal knapp“, murmelte sie und blickte nach vorne – nur um festzustellen, dass Arion aus ihrem Blickfeld verschwunden war.
„Arion?“, fragte sie und sah sich um. Erst jetzt bemerkte sie, dass die Straßen auf einmal um einiges leerer wirkten und die Gebäude kamen ihr unbekannt vor. „Arion?“, rief sie noch einmal lauter, doch erhielt keine Antwort. Stattdessen jedoch vernahm sie Geräusche aus einer der nahen Seitengassen und schlug schließlich den Weg in diese Richtung ein.

„Vielleicht wird dir das eine Lehre sein, du Held.“ Er spürte, wie seine Eingeweide sich zusammen zogen, als der erste Schlag seine Magengegend traf. Im wurde übel, Schmerz durchfuhr seinen Körper – dann folgte direkt der nächste. Verdammt. Damon war wirklich ein Meister darin, sich in Sachen einzumischen, die eigentlich viel zu groß für ihn waren. Wer hätte aber auch denken können das 'ne ganze Meute hier versteckt war? Anfangs war nur der Typ gewesen, der ihn nun den Mageninhalt rausprügeln wollte – der Kerl, der ihn unsanft festhielt und der andere, der der ganzen Sache belustigt zuschaute, waren kurz darauf aus irgendwelchen Ecken gekrochen gekommen.
Dabei hätte er es besser wissen müssen, schließlich gehörten dunkle Gassen eigentlich zu seinem Spezialgebiet.
„Du bist wohl wirklich heiß darauf zu sehen was ich heute gegessen habe.“ hustete Damon als Antwort, und bereute das sofort wieder. Der nächste Schlag.
„Ich will nur, das lernst, das man seine Nase aus gewissen Sachen einfach raus halten sollte. Oder bist du so scharf darauf dein nächstes Auge auch loszuwerden? Vielleicht lernst du’s dann.“
Erneut musste Damon husten.
„Selbst wenn du mich ganz blind machst, deine hässliche Visage bleibt mir trotzdem im Gedächtnis, fürchte ich.“
Er war ein Idiot, und er lernte nicht. Diesmal war der nächste Schlag mitten in seinem Gesicht gelandet.

„Hilfe!“, hörte sie schließlich eine Stimme, kaum dass sie nah genug war. Amila beschleunigte ihre Schritte und rannte dabei beinah einen kleinen Jungen um, der Hilfeschreiend durch die Gassen lief. Mit vor Angst geweiteten Augen starrte er sie an, während sie schnell in die Hocke ging und ihm behutsam die Hände auf die Schulter legte.
„Was ist los?“, fragte sie sanft.
Schnell deutete der Junge in die Richtung aus der er gekommen war, Tränen schimmerten in seinen Augen. „Sie… sie werden ihn todprügeln“, brachte er unter Schluchzen stockend hervor. „Irgendwer…“
Amila erhob sich direkt und wühlte in ihrer Tasche. Sie wusste, dass sie noch eine Kugel übrig hatte, dann sah sie den Jungen lächelnd an. „Keine Sorge, ich kümmere mich darum“, meinte sie und lief los, ignorierte dabei ob ihr das Kind folgte oder nicht.
Es dauerte nicht lange, bis sie einen kleinen Platz inmitten der Gassen erreichte, schnappte dabei vereinzelte Worte auf. Sie lief weiter, erreichte eine kleine Mauer, die an der Seite von zwei schmalen Treppen die nach unten führten begleitet waren. Schnell analysierte sie die Situation – eine Gruppe Männer, die auf einen schwarzhaarigen Jungen Mann, etwa in ihrem Alter, einprügelten. Sie lachten dabei und machten Scherze darüber, ihm sein verbleibendes Auge zu nehmen.
„Hey du!“, rief sie und spürte danach sofort sämtliche Blicke auf sich. „Halte für einen Augenblick die Luft an!“
Sie hatte keine Zeit, um sich lange Gedanken darüber zu machen wie sie dem jungen Mann rettete. Die Gasse war zu schmal für ihr Schwert und sie war sich sicher, dass ihre Fähigkeiten nicht für diese Masse an Gegnern reichen würde – gerade wenn es sich hierbei um ausgewachsene Männer handelte. Also nahm sie die verbliebene Glaskugel und warf sie so fest sie konnte, direkt zwischen die Männer.
Diese begannen zu lachen. „Hey Kleine, wenn du schon helfen willst, dann solltest du auch treffen!“, spottete einer, wohingegen Amila nur ihren Umhang über Nase und Mund zog und dabei beobachtete, wie die in der Kugel eingeschlossene Flüssigkeit mit der Luft reagierte und zu einem schwachen, violetten Nebel anschwoll. Langsam verbreitete sich dieser Nebel, Drang in Mund und Nase der Männer, die zunächst verwirrt wirkten, ehe sie mit nach oben verdrehten Augen in sich zusammen sackten und laut schnarchend auf den Boden sanken.
Amila beeilte sich die Treppe nach unten, während der restliche Rauch immer weiter in die Luft stieg. Schnell ging sie zu dem Verprügelten. „Alles in Ordnung bei dir?“, wollte sie wissen, während sie sicher stellte, dass die restlichen Männer auch wirklich im Land der Träume waren.

Er merkte, wie ihn Blut von der Nase tropfte, und seine ganze Magengegend brannte regelrecht vor Schmerzen. Doch als er seine Retterin bemerkte, grinste er. Die Welt war verdammt klein gewesen.
„Bis auf das ich das Gefühl habe, mich jeden Moment zu übergeben… denke schon.“ antwortete er, sah dann, wie die Männer, die eben noch auf ihn eingeprügelt hatten, um ihn herum auf den Boden lagen und… schliefen?
„Ganz schön cooler Trick. Machst du das öfters?“ fragte er, ehe er erneut husten musste. Die Bastarde waren viel zu brutal gewesen. Wenigstens hatte er dies den Jungen ersparen können, vorerst zumindest.

Sie zögerte mit einer Antwort und trat stattdessen vorsichtig nach einem der Männer. Wie sollte sie ihm auch erklären, dass sie das Zeug zum Selbstschutz mit sich führte und vielleicht zwei, drei Mal in ihrer Heimatstadt genutzt hatte um flüchten zu können? Als er erneut hustete sah sie ihn besorgt an und hievte seinen Arm über ihre Schulter.
„Lass uns erst Mal von hier verschwinden. Ich weiß nicht, wie lange das Mittel hält“, meinte sie. Und suchte einen möglichst schnellen Weg heraus, gleichzeitig hoffte sie, dass das Kind sich in Sicherheit gebracht hatte.

Sie war seiner Frage ausgewichen, was ihn amüsierte. Dank Nox wusste er mehr über die Prinzessin, als was wahrscheinlich angemessen war - und alles, was er dann über sie selbst kennen lernen durfte, durch das Beobachten über sie gelernt hatte, hatte ihn noch mehr fasziniert. Das gerade sie es war, die ihn zur Hilfe eilte, sah er als ironischen Wink des Schicksals.
Schließlich hatten sie es zum Marktplatz geschafft, welcher sich langsam leerte und auf einer Bank Platz genommen, welche etwas abseits vom übrig gebliebenen Trubel gelegen hatte.
Die Nase blutete zum Glück nicht mehr; die Kerle schienen ihn also nicht allzu sehr zugerichtet zu haben. Wobei das bei Damons unzähligen Narben im Gesicht eh nicht mehr auffallen würde.
"Danke für deine Hilfe." sagte er schließlich. "Ich glaube es wäre dann nicht so gimpflich für mich ausgegangen." Er lachte leise.

Amila war froh, dass wenigstens noch ein paar Leute auf dem Platz waren. Sie kannte diese Art Mensch, sie würden sie vermutlich verfolgen und ihre Überzahl ausnutzen wollen. Am liebsten hätte sie ihn direkt zu einer Taverne gebracht um ihn irgendwie in Ruhe zu verarzten, aber sie merkte, dass er das nicht schaffen würde. So wandte sie sich von ihm ab, verstaute ihre Haare so gut wie möglich unter ihrer Kapuze und zog diese noch weiter herab, bevor sie sich ihm wieder zuwandte.
„Alles gut“, sagte sie lächelnd, obwohl sie sich nicht sicher war, ob er ihr Gesicht überhaupt sehen konnte. „Ich kann einfach in solchen Momenten nicht zusehen.“ Sie lachte leise. „Entschuldige, dass ich dich noch so weit mitgeschleift habe, ich kenne mich in der Stadt hier nicht gut aus.“
Unbewusst sah sie sich den jungen Mann neben sich weiter an, die wilden schwarzen Haare, die Narben im Gesicht… Und die Tatsache dass er eines seiner blauen Augen geschlossen hatte, anscheinend war er wirklich blind. Er schien viel durch gemacht zu haben, was ihr Herz wieder schwermütig machte. War er letztlich auch ein Opfer des Blutmondes? Oder hatte es andere Gründe?

"Da bist du aber anders als die meisten Menschen." antwortete er, ignorierte für's erste, wie verzweifelt sie versucht hatte ihr Gesicht zu verbergen. "Nur was würdest du machen wenn die Kerle mich berechtigterweise zusammen geschlagen haben? Vielleicht bin ich ja in Wirklichkeit ein totaler Mistkerl der es verdient hat."
Er grinste sie an, und vielleicht so ganz ungelogen war es ja nicht. Allein die Tatsache das er zu einer Gemeinschaft aus Mördern, Dieben und Spitzeln gehörte machte ihn schon zu einem schlechteren Menschen.

Sie beobachtete ihn kurz aus dem Augenwinkel. „Ich glaube kaum, dass dann ein Kind nach Hilfe gesucht hätte.“ Allerdings musste sie gestehen, dass an seinen Worten etwas dran war. Sie hatte nicht eine Sekunde darüber nachgedacht, dass er möglicherweise zu Recht zusammen geschlagen wurde…
„Außerdem machst du auf mich nicht unbedingt den Eindruck, dass du irgendetwas getan hast, was diesen Prügel ernsthaft rechtfertigt.“

Wahrscheinlich war sie sich die Ironie ihrer Worte nicht bewusst gewesen, doch Damon wusste, das man auf die Menschenkenntnis dieser Frau besser nicht zählen sollte. Wieso sonst hatte sie sich mit diesen Dämonen eingelassen? Doch er beschloss, diesen Gedanken erstmal für sich zu behalten.
"Immerhin scheint der Junge dann in Sicherheit zu sein." erwiderte er erleichtert. Er hatte dem Kleinen etwas Geld zugesteckt - es war garantiert nicht genug, um sein Leben komplett zu wenden, aber wenn er es ihm auch nur für einige Zeit erleichtern konnte, dafür sorgte, das er erstmal weg von dieser komischen Bande war, war das genug gewesen. Damon würde definitiv nochmal nach ihn suchen bevor er die Stadt verließ.
"Jedenfalls, danke, echt. Ich kann mich normalerweise eigentlich ziemlich gut selbst verteidigen, aber drei gegen ein ist selbst mir ne Spur zu viel." Er lachte. "Ich bin übrigens Damon."

Im ersten Augenblick war sie ein wenig perplex, dann begriff sie wieder, dass sie sich ja versteckt hielt und er nicht wissen konnte, wer sie war. Die letzten Male war sie ja immer auf Leute getroffen, die sie kannten. Sie lächelte. „Nenn mich ruhig Milla“, antwortete sie ruhig und benutzte dabei den Decknamen, den sie sich vor einiger Zeit überlegt hatte. Klar, es erinnerte immer noch an ihren wirklichen Namen, aber damit fühlte sie sich doch etwas sicherer.
„Geht es dir mittlerweile wenigstens besser? Sie haben dich ja doch ziemlich übel zugerichtet.“ Sie tastete in ihrem Beutel nach einem Taschentuch, als sie noch ein paar letzte Blutstreifen in seinem Gesicht bemerkte und bot es ihm an.

"Keine Sorge, ich weiß, wer du bist." erwiderte Damon grinsend und nahm das Taschentuch dankend entgegen. Zwar war das gegen alle Regeln, die in der Gilde vorherrschten, doch war ihm das egal gewesen. Sollten sie ihn doch rausschmeißen - er würde sich irgendwie anders durchschlagen, und vielleicht würde er es sogar begrüßen. Nox hatte ihn eh immer wieder vorgeworfen, wie schlecht er für diesen Beruf geeignet war. Und wenn selbst sie sich gegen Regeln auflehnte, was sollte ihn davon abhalten?
"Ich beobachte dich und den Dämonenjungen schon eine Weile. Und ja, ich weiß wie gruselig das klingt, aber was soll ich sagen? Ist halt mein Job."
Selbst wenn er sie jetzt damit komplett verschreckt haben sollte, er sah es nur als fair an, mit offenen Karten zu spielen. Die Gilde sah eh nur dabei, wie die Prinzessin des Windreiches mit einem scheinbar gefährlichen Dämon unterwegs war, ohne es nötig zu sehen, sie zu warnen - und irgendwie glaubte er nicht das sie ein schlechter Mensch war, das sie irgendwas Schlimmes vor hatte. Er hatte auch erst nicht geglaubt, das dieser Dämon wirklich bösartig sein musste, immerhin war Damon ja selbst irgendwo einer, wenn Nox nicht von ihren Beobachtungen erzählt hatte. Wobei selbst das nichts heißen musste; Damon wusste selbst am besten wie anstrengend der Blutmond war, wenn man mit diesem gottverdammten Fluch in Berührung gekommen ist. Auch wenn das natürlich nicht rechtfertigen sollte, das dabei unschuldige Menschen ums Leben kommen.

Amila seufzte schwer. Natürlich. Wie sollte es auch anders sein. „Wozu gebe ich mir überhaupt die Mühe, mich überhaupt zu verstecken“, murmelte sie und lachte trocken. „Wer hat dich beauftragt. Meine Eltern? Oder irgendeine sonstige Organisation?“
Gemischte Gefühle breiteten sich in ihr aus. Sie hatte nicht den Eindruck, dass Damon ihr wirklich etwas Böses wollte, doch der Gedanke, dass sie wohl die ganze Zeit über beobachtet wurde erschrak sie dann doch ziemlich. Bisher hatte jeder Mensch dem sie begegnet war genau gewusst, wer sie ist. Dass sie dennoch nichts getan hatten, sie nicht verraten hatten, beunruhigte sie zusätzlich.
Doch gleichzeitig fand sie diese Ehrlichkeit in seiner Stimme, seinen Worten, auch wieder unheimlich erfrischend. Wenn sie an ihr Gespräch mit Xenon dachte, der ihr die ganze Zeit über ein ungutes Gefühl hinterlassen hatte – sie wusste immer noch nicht was für eine Gegenleistung er von ihr verlangte.