Mahou Shoujou

"Ich weiß was du meinst", meinte sie und begann dann, den Tisch abzuräumen. "Die Angst, dass im schlimmsten Fall alles auf einmal beendet ist und man gar keinen Kontakt mehr hat ist doch irgendwo da, nicht wahr?" Ihr Lächeln war fast schon ein wenig traurig, ehe sie kurz in die Schüssel mit dem Teig für die Zimtschnecken schaute und ihn kurz durchknetete.

"Genau das. Und ... Ich denke ehrlich gesagt nicht das mich überhaupt jemand auf diese Art sehen kann. Dafür bin ich doch zu sehr ich. Was dich angeht..." Riko stand auf, die Pfannkuchen waren mittlerweile aufgegessen und trat hinter ihre beste Freundin, welcher sie sanft in die Wange kniff.
"Dieser Akitos steht sowas von auf dich. Hast du Mal gesehen wie der dich angeguckt hat? Da kann man fast schon neidisch werden."

"Ri-faaaaan", Megumi schlug nach Rikos Hand und hielt dann ihre schmerzende Wange. "Du sollst mich doch nicht wie ein Kind behandeln." Megumi wusste nicht, ob ihr Gesicht jetzt wegen Rikos Aussage oder wegen ihres Wangenkniffs rot angelaufen war. Dann seufzte sie.
"Bist du dir da auch sicher? Ich meine... Naja", sie stupste ihre Finger aneinander, "ich meine, er besucht mich auch regelmäßig im Café. Und wir haben demnächst eine Verabredung, von der ich mir nicht ganz sicher bin, ob man es nicht als... Date bezeichnen kann?" Allein der Gedanke an Akito und das vermutete Date brachte ihren Herzschlag zum Rasen.

Riko sah ihre Freundin perplex an.
"Mädel, ist das dein Ernst? Der Typ ist so was von verschossen in dich! Wie offensichtlicher willst du es eigentlich noch haben?" Sie klatschte sich die Hand ins Gesicht. "Du bist echt verpeilter als so manch Anime-Protagonist. Ehrlich, ich bin echt ein wenig neidisch."

Für ein paar Sekunden sah Megumi sie ebenso perplex an. Dann kratzte sie sich verlegen lachend am Hinterkopf. "Da hast du wohl Recht." Sie lehnte sich an die Küchenzeile. "Ich weiß nur nicht wirklich, wie ich damit umgehen soll", gestand sie schließlich. "Ich meine... dir geht es mit Takashi-Kun doch bestimmt auch so oder? Ich meine, dass du am liebsten die ganze Zeit mit ihm verbringen willst, gleichzeitig aber auch Angst hast, ihn zu verlieren oder?"

Riko stellte sich neben sie.
"Schon, nur der Unterschied ist das Takashi und ich uns anfangs gehasst haben und daraus irgendwie eine sehr gute Freundschaft entstanden ist. Bei dir und Akito hingegen war irgendwie von Anfang an klar dass das mehr ist als das, zumindest was ich so mitbekommen habe." Sie sah auf den Boden. "Ich hab halt das Pech und weiß nicht Mal ob er mich als Mädchen überhaupt wahr nimmt. Ich glaub wenn du Akitos deine Gefühle gestehst wirst du zumindest nicht abgewiesen werden und ich... Hab diese Vergewisserung halt nicht. Und würde dann definitiv die Freundschaft zerstören."

Ihr Herz machte keinen kurzen Satz und dennoch sah Megumi ihre beste Freundin besorgt an.
"Aber sagtest du nicht, seine Mutter sieht dich schon in gewisser Weise als ihre Schwiegertochter an?", Megumi wandte den Blick ab und schaute zur gegenüberliegenden Wand. "Ich meine... korrigier mich, wenn ich falsch liege. Aber müsste das nicht bedeuten, dass auch von ihm eine gewisse... Zuneigung dir gegenüber besteht? Also mehr als Freundschaft?"

"Müsste es das?" Antwortete Riko bedrückt. "Der Junge hat eh schon kaum Freunde, da würde ich als Mutter auch direkt von einer Beziehung ausgehen wenn mein Sohn jedes Mal das gleiche Mädchen mit nach Hause nimmt."
Sie seufzte. "Ich denke er ist einfach nur froh das er mit mir jemanden hat mit dem er rumnerden kann. Mehr ist das wahrscheinlich wirklich nicht."
Wieso sollte das auch anders sein? Riko war nicht wie Megumi oder Sayoko, hübsch und feminin und liebenswert- sie war für alle Jungs bisher immer nur der Kumpeltyp gewesen. Aber so war sie halt. Und so hatte sie sich bisher auch eigentlich wohl gefühlt, aber die bittere Süße des Verliebtseins ließen sie doch manchmal wünschen das sie ein wenig mehr Megumi und ein bisschen weniger Riko war.

"Aber das sind doch wieder alles nur Vermutungen. Du weißt doch nicht, wie sie wirklich denken." Megumi überlegte, wie sie Riko in der Hinsicht aufbauen konnte. Natürlich waren ihre Situationen vollkommen unterschiedlich, dennoch konnte sie ihre Sorge nachvollziehen. Kurz überlegte sie, ob sie vielleicht selbst mit Takashi reden sollte, hätte aber Angst ihm Rikos Gefühle durchbein Versehen zu verraten.

Riko seufzte ein weiteres Mal, Ehe sie sich vom Tresen entfernte und auf ihre Freundin zuging.
"Lass lieber über glückliche Liebesgeschichten reden, Megu-chan." Sagte sie verschwörerisch grinsend und fiel Megumi um den Hals "Wie war das nochmal mit der Verabredung?"

Megumi versuchte sich aus Rikos Umarmung zu lösen, war ihr jedoch körperlich zu sehr unterlegen. Stattdessen begann sie zu lachen. "Ri-Chan du zerquetscht mich."
Nachdem sich Riko dann doch endlich von ihr löste, atmete sie tief ein und merkte, wie ihr Gesicht wieder rot wurde. "Na ja, Akito-Kun hatte mich gefragt ob wir zusammen in das neue Einkaufszentrum wollen." Sie kratzte sich verlegen am Kopf. "Hatte zugesagt, ohne mie wirklich Gedanken darüber zu machen."

Riko klatschte vor Aufregung in die Hände. "Oh Megumi, das ist sowas von ein Date!" Rief sie aufgeregt und griff ihre Freundin an den Handgelenken. "Wann geht ihr? Was ziehst du an? Akito ist ziemlich stylish, du solltest dir unbedingt Kimiko zu Rat ziehen!"
Anstatt über ihr eigenes Liebesleben nachzudenken, lenkte es sie viel mehr ab, sich über das ihrer Freundin zu freuen, welches aktuell so viel greifbarer und erfolgreicher schien als ihr eigenes.

"Wa-wa-wa", war alles, was Megumi zunächst hervor brachte. Die ganzen Fragen von Riko überforderten sie im ersten Augenblick etwas und sie brauchte etwas Zeit, um ihre Gedanken zu Ordnen, ehe sie mit hochrotem Kopf und gesenktem Blick endlich richtig antwortete: "N-na ja... wir treffen uns Ende Oktober... War davon ausgegangen dass ich jedes Wochenende arbeiten darf und dann ist da noch Kimi-Chans Geburtstag, also..." Sie erinnerte sich wieder an die kurze Enttäuschung in Akitos Stimme, was ihr schlechtes Gewissen doch noch bekräftigte. Zumal sie sich auch spontan mit ihm stattdessen hätte treffen können, anstatt Riko einzuladen. Andererseits hätte sie sonst wohl gegenüber ihrer besten Freundin ein schlechtes Gewissen gehabt.
Warum musste es immer so kompliziert sein, alles unter einen Hut zu bekommen.
"Und... ich habe mir noch keine Gedanken darüber gemacht, was ich anziehen soll", gestand sie schließlich und lachte beschämt.

"Oh Megumi, du musst dir sowas von Sayo und Kimi zur Rate ziehen! Allein Sayo wird dir garantiert sagen können auf was der Kerl so steht!" Kimiko grinste, tat dann so als würde sie sich eine Träne aus dem Auge wischen. "Hach, meine süße Megumi wird endlich erwachsen und ich muss mir doch jemand anderes zum Heiraten suchen~"

Megumi knuffte Riko in die Seite. "Du hast dafür Takashi-Kun", sagte sie zwinkernd und widmete sich wieder ihrem Teig. "Sieht so aus, als wäre der Teig so weit fertig." Sie wandte sich wieder Riko zu und grinste. "Bereit für den spaßigen Teil?"

"Und sowas von!" Riko krempelte den Ärmel hoch und grinste ihre Freundin zuversichtlich an.
So verbrachten sie den restlichen Tag zusammen, und als Riko sich schließlich von ihrer Freundin verabschiedet hatte, merkte sie erst richtig wie gut es tat, mit Megumi über Takashi zu reden. Obwohl sie sich das selbst nur schwierig eingestehen konnte, so war es immer stärker und offensichtlicher geworden, selbst für Riko. Sie dachte so oft an ihn das es sie schon anfing zu nerven und gleichzeitig war das Bedürfnis, ihn zu sehen und zu ärgern, so groß daß es im Herzen wehtat.
Sie lief noch einige Stunden ziellos durch die Stadt - zeitweise rannte sie regelrecht, um irgendwie Herr über ihre Gedanken zu werden - bis sie sich sicher war das ihre Eltern schliefen und sie ohne weiteres bei Ihnen 'einbrechen' konnte.

Nachdem Riko gegangen war und Megumi das Abendessen vorbereitet hatte – in der Hoffnung dass ihr Vater diesmal früher zu Hause sein würde, schnappte sie sich ihr Handy und fragte vorsichtig bei Akito nach, ob er vielleicht die Nummer oder Adresse von Takashi hatte. Seit ihrem Gespräch mit Riko hatte sie sich wirklich in den Kopf gesetzt mit Takashi zu reden. Diese Unsicherheit und Angst in Rikos Augen ließen sie einfach nicht los, da wollte sie nach Möglichkeit versuchen, ihrer Freundin so gut wie möglich zu helfen.
Nachdem sie also von Akito, nach einer kurzen Nachfrage wofür sie die Nummer wollte, erhalten hatte blieb sie erstmal eine Weile auf ihrem Bett sitzen und überlegte, wie sie mit Takashi reden sollte. Es wäre ein Leichtes, ihn jetzt anzurufen und direkt anzusprechen, wobei ein direktes Gespräch vielleicht leichter wäre. Sie atmete tief durch und entschied sich dann doch für einen Anruf. So wie sie Takashi einschätzte, würde er sich ohnehin nicht mit ihr treffen wollen, vor allem nicht alleine. Zumindest nicht ohne einen triftigen Grund.
Es dauerte eine Weile, bis sie von der ihr bekannten, grummeligen Stimme begrüßt wurde. „Hallo?“
„Hey Takashi-Kun, hier ist Megumi“, begrüßte sie ihn.
Ein leises, entnervtes Seufzen drang durch den Hörer zu ihr. „Ich kann mich nicht daran erinnern, dir meine Nummer gegeben zu haben“, meinte er, „ich hoffe du rufst aus einem triftigen Grund an.“
Megumis Herzschlag beschleunigte sich und sie spürte wie eine leichte Angst in ihr aufstieg. Sie hatte noch nie so direkten Kontakt zu ihm gehalten. „Entschuldige“, sagte sie lachend, während sie noch überlegte, wie sie das eigentliche Thema ansprechen sollte. „Ich hatte nur eine Frage, die ich nur dir stellen kann.“
Erneutes Seufzen. „Und die wäre?“
Megumi schluckte und wurde schlagartig ernst. „Was hältst du von Ri-Chan?“
Schweigen war die Antwort. Megumi wurde unwohl. Sie hatte so lange überlegt und war am Ende doch direkt mit der Tür ins Haus gefallen, worüber sie sich irgendwie ärgerte, gleichzeitig war das in ihren Augen auch die beste Möglichkeit gewesen.
„Megumi“, Takashi klang genervt und sie stellte sich vor, wie er sich an den Kopf gefasst hatte. „Du rufst jetzt nicht ernsthaft an, um Verkuppeln zu wollen?“ Sie hörte einen Hauch von Wut in seiner Stimme. „Ehrlich, wegen sowas unwichtigem störst du mich? Das ist ganz unsere Sache, verstanden?“
„Das ist nicht Unwichtig!“, protestierte Megumi und auch ihre Stimme wurde dabei lauter. Sie räusperte sich und wurde schlagartig wieder ernster. „Wie auch immer, Takashi-Kun. Du musst mir nicht sagen, was du von ihr hältst. Aber ich möchte dass du weißt, dass Ri-Chan in Wahrheit ein liebes Mädchen ist und ich nicht möchte, dass du ihr in irgendeiner Form wehtust.“ Sie atmete kurz durch. „Nicht, dass ich das von dir erwarte oder so. Dafür kennen wir uns zu wenig. Aber sei bitte ehrlich zu ihr und spiel nicht mit ihr, okay?“
Erneut schweigen, gefolgt von einem entnervten Seufzen. „Du bist wirklich anstrengend, weißt du das?“
Megumi konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. „Alles für meine beste Freundin.“
„Und wenn ich mich nicht daran halte, machst du mir das Leben zur Hölle, ja?“, er klang fast mehr belustigt als gereizt, was Megumi fast schon überraschte. „Wie auch immer. Nachricht angekommen. Ist sonst noch was oder war das alles?“
„Äh…“, ein wenig überrumpelt wie einfach das am Ende war, fehlten Megumi schließlich doch die Worte. „Das war alles. Danke für’s Zuhören, Takashi-Kun. Ich wünsche dir noch einen schönen Abend.“
„… Gleichfalls“, waren die letzten Worte, ehe er auflegte.
Megumi starrte noch eine Weile auf ihr Handy. Hätte sie es vielleicht doch lassen sollen? Sie konnte Takashi so schlecht einschätzen. Und insgeheim hoffte sie, dass sie Riko damit nicht zu sehr verraten hatte.

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Takashi legte sein Smartphone zur Seite, noch immer irgendwie irritiert von dem Gespräch, das er soeben geführt hatte. Nicht nur hatte er nicht damit gerechnet, dass ausgerechnet Megumi ihn anrufen würde, noch was sie überhaupt von ihm wollte. Gut, das Thema hatte ihn letztlich nicht überrascht und wühlte ihn entsprechend auf. Was sollte das? Musste sich dieses Mädchen unbedingt in Dinge einmischen, die nur ihn und Riko etwas angingen? Reichte es nicht, dass seine Mutter ihn ständig damit nervte?
Ein wenig hatte ihn Megumis Naivität zwar schon amüsiert, dennoch. Wusste sie eigentlich, dass sie ihm damit indirekt Rikos Gefühle verraten hatte? Oder spielte sie nur mit ihm? Nein, so wie er sie kannte würde sie mitsolchen Themen keine Scherze machen.
Nach einem schweren Seufzen beendete er das Spiel, das er gerade gespielt hatte. Was auch immer dieses Mädchen mit ihrem Anruf bezweckt hatte, sie hatte dafür gesorgt, dass er sich nicht mehr konzentrieren konnte. Nicht zuletzt auch, weil seine Gedanken sich nur noch um eine Person drehten – Riko. Und er fluchte Leise, nicht wissend, wie er mit diesen neuen Informationen umgehen konnte. Umgehen durfte. Riko löste ohnehin schon Dinge in ihm aus, die er nie gedacht hatte. Wie sollte er nun also mit ihr umgehen? Was, wenn sie etwas bemerken würde?
Fluchend schaltete er seinen Computer aus und warf sich einen Film ein. Doch seine Gedanken sollten sich für den Rest des Abends nicht mehr beruhigen.

Riko zögerte, als sie vor der Haustür stand, vor der sie eigentlich schon vor einigen Stunden hätte stehen sollen.
Sie musste scheußlich aussehen – der Geschmack aus dem Gemisch von Blut und Tränen lag ihr noch im Mund, und die vorherigen Geschehnisse kamen ihr vor wie ein schlechter Traum, an dem sie gar nicht wirklich teilgenommen hatte.
Sie hatte sich eigentlich mit Takashi verabredet weil heute der Release eines neuen Spiels war auf das beide schon lange gewartet hatten – gerade als sie von Zuhause noch ein paar Sachen holen wollte, waren, anders als kalkuliert, ihre Eltern Zuhause gewesen und suchten das Gespräch. An dessen Inhalt erinnerte sich Riko noch zu gut, viel zu tief sitzt immer noch die Enttäuschung und der Schmerz, doch was jetzt vorallem überwiegte war eine Taubheit wie sie sie lange nicht mehr erlebt hatte.
Sie wusste nur noch, dass sie danach aus dem Haus gestürmt war. Die Wut und Trauer die sie zu dem Zeitpunkt empfand kamen ihr mittlerweile so weit weg vor. Das einzige was sie aktuell spürte war das Brennen ihrer Wunden und das Blut, das ihre Nase hinunter tropfte.
Riko hatte sich lange nicht mehr geprügelt. Hatte bisher immer versucht ihre Gefühle anders zu verarbeiten, rannte viel, machte viel Sport, doch heute? Heute hätte das nicht ausgereicht. Hatte nicht ausgereicht.
Der Typ, den sie blöd angemacht hatte, kannte Riko vom Sehen – er schien im gleichen Alter wie sie zu sein und besuchte die gleiche Schule wie sie. War angeblich ein ziemlicher Rowdy, andere bezeichneten ihn als Punk, so jemand lies sich einfach provozieren. Doch womit sie nicht gerechnet hatte war, das er trotz seines schmächtigen Äußeres ihr körperlich weitaus überlegen war. Er hatte sie noch gewarnt, gemeint, er würde keine Mädchen schlagen. Riko hatte gelacht, ihn als Feigling bezeichnet. Und dann kam der erste Schlag. Und dann der zweite.
Sie wusste, dass er sich ziemlich zurückgehalten hatte – andernfalls hätte sie wahrscheinlich keine Zähne mehr und eine gebrochene Nase. Stattdessen hatte sie nur eine Platzwunde auf der Stirn und lediglich eine blutende Nase. Hätte sie schlimmer erwischen können.
War für diesen Abend trotzdem nicht genug gewesen. Nachdem der Typ abgezogen war und sie mit ihrem Elend alleine war, musste natürlich was aus ihrer Seele gekrochen kommen, was sie nicht gebraucht hatte. Oder vielleicht doch? Es tat gut, ihren Kern, ihren Hass, ihre Wut, vor sich manifestiert zu sehen. Sie hatte überlegt, ob sie einfach aufgeben sollte. Einfach verschwinden. Gab immerhin keinen Ort an dem sie wirklich hingehörte.
Doch dann waren ihr Sayokos Worte eingefallen. Das Nanashi sie miteinander verglichen hatte. Und dann kam der Hass zurück. Und das sie auch an Takashi dachte, der wahrscheinlich auf sie warten würde, hatte ihr auch irgendwie was geben, was sie den Kampf alleine beenden ließ. Schon kitschig. Wie in so 'nem schlechten Shoujo-Anime.
Schließlich bediente sie doch die Klingel, der Blick immernoch leer. Als ihr schließlich geöffnet wurde zwang sie sich zu einem Lächeln.
„Hey, sorry. Hat etwas gedauert.“

Takashi hatte sich mittlerweile ins Wohnzimmer verkrochen. Eigentlich hasste er es, dort auf Riko zu warten - die ständigen Fragen seiner Mutter nervten nicht zuletzt, weil er ihr immer wieder erklären musste, dass sie "nur Freunde" waren. Auch wenn er sich immer wieder bei dem Gedanken erwischte, dass er sich wünschte, da wäre doch mehr. Scheiße, was sollte das? Gefühle wie Liebe waren surrealistisch und sorgten nur dafür, dass er verwirrt war und sich nicht konzentrieren konnte. Er verfluchte sich dafür. Sein Blick wanderte zur Uhr. Es war schon spät, zu spät. Wo Riko wohl blieb? Er vermied es, sich einzugestehen dass er sich Sorgen machte. Kurz meinte er das Gefühl gehabt zu haben, dass das Wunderland irgendwo entstanden war. Hatte es damit zu tun? Vielleicht hätte er doch hin gehen sollen. Aber seiner Mutter alles zu erklären...
Als es an der Tür klingelte sprang er, schneller als gedacht, von der Couch auf und lief zur Tür. War es Vorfreude? Oder doch die Sorge? Er wusste es nicht. Nicht bis zu dem Moment als er die Tür öffnete und Riko vor ihm stand. Blutverschmiert.
Es fühlte sich an wie eine Ewigkeit, die er sie nur anstarrte. Sein eigentlich gutes Gehirn benötigte lange um zu begreifen, was da vor ihm stand. Dann jedoch wandte er sich um. "Ma, den Verbandskasten!", brüllte er, ehe er sich Riko zuwandte und sie ins Haus führte.
"Was zur Hölle ist mit dir passiert? Verdammt noch Mal."
Er bemerkte im Augenwinkel seine Mutter, die sich noch erkundigen wollte was los war, dann aber ganz schnell wieder verschwand um den gewünschten Verbandskasten zu holen, während Takashi Riko ins Wohnzimmer brachte.

Sie war wie in Trance, als sie sich von Takashi ins Wohnzimmer führen ließ, versuchte aber, ihre blutende Nase zu halten – sie wollte schließlich nicht auch noch den Boden dreckig machen, wo sich Takashis Familie immer so lieb um sie kümmerte. Verdammt, was kümmerte sie jetzt der scheiß Boden?
Als sie schließlich von Takashi irgendwo hingesetzt wurde und auch seine Mutter mit dem Verbandskasten ankam, schaffte sie es endlich wieder ihre Stimme zu benutzen. „Sorry…“ murmelte sie nur, und sie war selbst erschrocken wie brüchig sie klang. Ihr mussten die Tränen wieder in die Augen gestiegen sein.
„Ich…“ Sie versuchte Luft zu holen, ruhig zu sein. Sie wollte nicht wieder anfangen zu weinen. Riko weinte selten. Sie hasste es. „Meine Eltern wollen mich ins Heim schicken.“ Brachte sie schließlich nur hervor, leise, mit weiteren, stillen Tränen die ihr die Wange herunter kullerten.
„Sie wollen mich viel lieber loswerden als mich zu akzeptieren wie ich bin. Und.. ich bin wütend geworden und…“ Sie wischte sich die restlichen Tränen weg und zwang sich zu einem bitteren Lächeln. „...den Rest kannst du dir doch denken, oder?“

Takashi hatte schweigsam zugehört. Seine Mutter hatte den Raum zwar verlassen, aber er war sich sicher, dass sie zugehört hatte. Das Klappern aus der Küche hatte sie verraten. Er war jedoch dankbar, dass sie sich momentan nicht blicken ließ. Ihre Kommentare konnten sie gerade nicht gebrauchen.
Dann berührte er sie - über sich selbst überrascht - an der Schulter und blickte ihr direkt in die Augen. "Versuch dich erst zu beruhigen", sagte er und bemühte sich, möglichst selbst beruhigend zu klingen. "Wir überlegen uns später eine Lösung dafür." Seine Gefühle überschlugen sich. Auf der einen Seite immer noch die Sorge - auch wenn seine Mutter ihm versichert hatte, dass nichts schlimmes passiert war. Dann aber auch gleichzeitig eine stille Wut. Gleichermaßen auf Riko, die sich wieder unbedingt prügeln und so hatte verletzen lassen, gleichzeitig aber auch auf ihre Eltern. Zum ersten Mal in seinem Leben fühlte er selbst den Drang, irgendjemandem eine zu verpassen.
"Heute Nacht bleibst du erst Mal hier, verstanden?", sagte er schließlich noch.

Riko nickte stumm, versuchte die Tränen zu unterdrücken. Wieso nur war sie nur wie sie war? Warum war sie nicht mehr wie Megumi oder all die anderen süßen, braven Mädchen die ihre Eltern so viel lieber als sie gehabt hätten? Hätten sie sie dann akzeptiert?
Schließlich konnte sie nicht mehr an sich halten und fiel Takashi in die Arme, egal, was er jetzt von ihr denken würde. Schluchzte davon, wie unfair alles war und wie sehr sie es Leid hatte, teilweise unvollständige und wirre Sätze. Gott, sie würde das alles morgen so bereuen.

Zuerst war er überfordert wegen ihrer plötzlichen Reaktion. Dann jedoch musste er, warum auch immer, an das Telefonat mit Megumi denken - und schlang schließlich seine Arme um Riko. "Es wird alles gut", murmelte er mit hochrotem Kopf, begann sie zu streicheln, wie seine Mutter es früher bei ihm immer getan hatte.
Die komplette Situation überforderte ihn maßlos. Das Mädchen, mit dem er sich angefreundet hatte war hier, in seinen Armen, weinte bitterlich und er wusste beim besten Willen nicht, wie er mit der Situation umgehen sollte. Geschweige denn, wie er ihr helfen konnte. Er schluckte schließlich und sagte dann Worte, von denen er sich nicht sicher war, ob er sie nicht später bereuen sollte: "Deine Eltern haben doch keine Ahnung. Du bist gut wie du bist - lass dir nichts anderes einreden, klar?" Seine Stimme klang dabei ungewohnt sanft, obwohl er sich bemühte, weiterhin so kalt und unnahbar zu sein. Riko schaffte es immer wieder, seine kalte Seite zu verdrängen. Und gerade heute war er nicht unglücklich darüber. Denn das letzte was sie jetzt noch brauchte, war eine Person die ihr ebenso kalt begegnet.
Nicht zuletzt auch, weil jede ihrer Träne einen Stich ins einem Herzen hinterließ.

Es verging eine kleine Weile in der Riko in seinen Armen lag und all die Frustration, die sich die letzten Jahre anstaute, ausgeweint hatte. Als sie sich schließlich endlich irgendwann beruhigt hatte, wurde ihr schlagartig klar, was das eigentlich gerade für eine Situation war und lief knallrot an. Schließlich löste sie sich von ihm, wischte sich die Tränen vom Gesicht und wagte es nicht, ihm ins Gesicht zu sehen.
„I-Ich denke das geht schon wieder.“ stammelte sie schließlich nur und versuchte irgendwie ihr Herzschlag zu beruhigen. Gott, war das peinlich, auch wenn ihr bewusst war, dass das alles irgendwie raus musste. Aber wieso gerade bei Takashi? Sie räusperte sich. „D-das bleibt unter uns, klar?“ murmelte sie nur, auf den Boden starrend, in der Hoffnung das sich dort ein Loch auftun würde in dem sie verschwinden konnte.

Takashi wich ihrem Blick ebenfalls aus, den Kopf ebenso rot wie sie. Nervös richtete er seine Brille, wobei seine Hand dabei zitterte. "Geht klar", sein Gesicht wurde gefühlt noch eine Spur roter, als er leise noch hinzufügte: "Wobei das schon irgendwie niedlich war." Er versuchte selbst seine Ruhe wieder zu finden, was ihm jedoch zunehmend schwer fiel.