Central Hell Goddess 2

„Das brauchst du mir nicht extra zu sagen“, antwortete sie ebenso kalt, wandte ihm nicht einmal einen Blick zu, während sie das Dorf beobachtete. Ein Glück standen sie noch weit genug weg, als dass die Leute sie bemerken würden.
Eines war klar, es wäre sicherer wenn sie nicht sagten, dass sie adliger Herkunft waren. In der Hinsicht war es vielleicht gut, dass sie momentan in Staub gehüllt waren. Nur wie erklärten sie das Blut? Sie musterte Liam im Augenwinkel. Er war zwar stärker als sie erwartet hatte, da sie jedoch keine Waffen bei sich trugen, konnte sie unmöglich behaupten, dass sie Jäger waren – selbst wenn es in ihrem Volk nicht unüblich war, schlichtweg Magie dafür zu benutzen. Hinzu kam allerdings die Tatsache, dass man Liam eindeutig als Bewohner Winderias identifizieren konnte…
„Vielleicht könnten wir behaupten, Wanderer zu sein, die im Wald überfallen wurden“, überlegte sie. „Dann werden sie vielleicht nicht hinterfragen, woher das Blut kommt und warum wir außer unserer Kleidung nichts bei uns hatten.“
Sie hatte kurz überlegt, ob sie vielleicht einen Teil der Wahrheit beibehalten sollten und schlichtweg ihre Herkunft verschweigen sollten. Doch das Risiko das mit einer solchen Aussage einherging war ihr persönlich zu groß. Selbst wenn sie in Staub und Blut getränkt waren, wenn diese Leute nur etwas genauer hinsahen, bestand dennoch die Chance dass sie erkannten, aus welchem guten Stoff ihre Kleider hergestellt waren. Ein Risiko, das Aimee nicht gewillt war einzugehen.

Liam nickte zustimmend.
"Die Details fallen uns bestimmt spontan ein." Antwortete er, mit einem Hauch Sarkasmus in der Stimme.
Die beiden näherten sich schließlich dem Dorf, welches auf den ersten Blick ziemlich leblos wirkte. Wo in Winderia vereinzelte Bauern ihre Felder bestellten und somit die Ortschaften mit Leben füllten, befanden sich in diesem Dorf nur vereinzelte Häuser und Ställe.
Natürlich, das Klima im Wasserreich eignete sich nicht gerade für die Feldarbeit - die wenigsten Pflanzen wurden überleben, weswegen das Reich sehr auf den Import der anderen Länder angewiesen war - Dafür arbeiteten sie mit der Viehzucht und finanzierten sich durch das Fischereigeschäft das Leben.
"Verzeihung," sprach Liam schließlich eine Frau mittleren Alters an, welche gerade eines der Häuser verlassen hatte und sie neugierig beäugte.
"Gibt es in diesem Ort vielleicht ein Gasthaus oder eine Taverne in der ich und meine Verlobte Unterschlupf finden könnten?"
Seine Freundlichkeit, sein Lächeln - beides perfekt einstudiert.
Die Frau lächelte.
"Das gibt es, aber das ist aktuell nicht im Betrieb." Antwortete sie, und ließ ihre violetten Augen auf auf Aimee ruhen.
"Ihr seid verletzt wie ich sehe?"

Ein perfekter Schauspieler, schoss es Aimee durch den Kopf, als er die Frau ansprach. Auch sie setzte ein freundliches, ja fast leicht ängstliches Lächeln auf und hielt sich – wenn auch eher gegen ihren Willen – näher an seiner Seite. Widerwillig, wenngleich man es ihr nicht ansah, klammerte sie sich dabei an seinen Arm, gab sich überrascht auf die Frage der Frau.
„Das Blut ist nicht von mir“, antwortete sie kopfschüttelnd und klammerte sich ein wenig fester an ihn.
„Wir wurden von Banditen angegriffen. Unsere Begleiter…“, sie stockte und senkte dabei den Blick. „Ohne sie wären wir wahrscheinlich nicht entkommen.“

Auch Liam setzte einen betroffenen Gesichtsausdruck auf, sah betrübt zur Seite.
"Sie haben auch unser ganzes Proviant an sich genommen, lediglich das Gold konnten wir noch vor ihnen verstecken." Er seufzte. "Wir hoffen zumindest für heute Nacht eine sichere Unterkunft zu finden..."
Er merkte, wie die Frau sie Musterte, die Hand ans Kinn gelegt. Sie schien nachzudenken. Ob sie ihre Lüge durchschaut hatte? Wobei das eigentlich unwahrscheinlich war - Liam war über die Jahre ein ziemlich guter Heuchler geworden, den bisher keiner so leicht durchschaut hatte, auch seine Familie nicht.
Aimee war diesbezüglich die Ausnahme - und das er gerade mit ihr sein restliches Leben verbringen musste war dabei nur ein ironischer Wink des Schicksals gewesen.
"Leider ist unser hiesiger Wirt seit dem letzten Blutmond nicht in der Lage sein Gasthaus zu führen." Erwiderte die Dorfbewohnerin schließlich ernst, lächelte dann aber. "Aber ich denke für eine Nacht sollte ich euch irgendwie unterbekommen. Ich kann schließlich arme Reisende wie euch nicht unter den Bedingungen weiter ziehen lassen, ohne das ich ein schlechtes Gewissen bekomme." Die Frau lachte.
"Außerdem wirkt ihr als hättet ihr etwas Ruhe nötig."
Liam verbeugte sich ehrfürchtig, wenngleich sich in seinem Kopf ganz andere Gedanken abspielten. Waren alle vom niederen Volk so unfassbar gutgläubig und naiv gewesen? Oder war es doch einfach nur schlichte Dummheit? Er war sich nicht sicher, letzten Endes war es ihn auch egal, solange er diese Nacht unter einem heilen Dach verbringen konnte.
"Wir sind euch zu tiefstem Dank verpflichtet." Antwortete der Kronprinz und lächelte.
"Aber, aber. Wir leiden selbst seit längerem unter diesen Banditenpack - da habe ich einfach Mitleid bekommen. Ich bin übrigens Gisèle."
Liam warf seiner Verlobten einen kurzen, aber vielsagenden Blick zu - die beiden hatten sich nicht darauf geeinigt ob sie ihre echten Namen verwenden sollten oder nicht. Auch wenn Aimee optisch vielleicht nicht erkannt werden würde, ihre beiden Namen in Kombination miteinander könnten Verdacht schöpfen lassen, weswegen er seiner Verlobten gerne den Vortritt ließ.

Auch Aimee verbeugte sich ehrfürchtig vor Gisèle, ebenso dankbar blickend wie Liam, ehe sie seinen Blick bemerkte. Natürlich, darüber hatten sie sich keine Gedanken gemacht… Sie ging im Kopf schnell einige Namen durch, ehe sich vor ihrem geistigen Auge zwei Namen bildeten.
„Ich heiße Céleste“, antwortete sie schließlich und deutete dann auf Liam. „Und das ist mein Verlobter Luc.“
Sie warf ihm einen kurzen Blick zu und lächelte. Im Grunde hatte sie die erstbesten Namen aus ihrer Dienerschaft übernommen, die ihr in den Sinn gekommen waren und wusste dabei nicht, ob er diesen Namen mögen oder verachten würde. Es war ihr auch relativ egal, vorerst war es nur für eine Nacht. Und Für weitere Vorstellungen konnte er sich im Zweifelsfall selbst etwas überlegen.
„Ich möchte mich auch schon einmal für Eure Gastfreundschaft bedanken. Ihr helft uns wirklich sehr.“

Nachdem sie sich einander vorgestellt hatten, hatte Gisèle Liam und Aimee zu ihrem kleinen Haus gebracht, in dem sie mit ihren vier Söhnen lebte. Das Haus befand sich direkt am Fluss und besaß einen kleinen Steg, an dem ein kleines Boot ankerte. Ihre Familie hatte bisher immer vom Fischfang gelebt, daran hatte sich auch seit dem Tod ihres Mannes nichts geändert. Die Tatsache dass einer ihrer Sähne seit diesem Angriff selbst ein Krüppel geworden war, hatte ihnen dabei zusätzliche Schwierigkeiten bereitet.
Das Haus selbst war relativ klein, wie alle anderen Häuser des Dorfes vorwiegend aus Steinen angefertigt. Es bestand im Grunde nur aus einem Raum, bestehend aus einer Feuerstelle und einem abgetrennten Schlafbereich. Liam und Aimee stellte sie hierbei ein paar alte Decken zur Verfügung, mit denen sie sich ein Schlaflager nahe der Feuerstelle vorbereiten konnten – eine andere Möglichkeit hatte sie nicht, so gern sie ihnen auch ein richtiges Bett zur Verfügung gestellt hätte. Aimee hatte sich höflich für ihre Hilfe bedankt und anschließend Gisèle gefragt, ob es eine Möglichkeit gäbe ihr Kleid zu reinigen, woraufhin sich die beiden Frauen zum hiesigen Waschhaus des Dorfes zurückgezogen hatten.

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Es dämmerte bereits, als Seth sie eingeholt hatte. Obwohl er Flügel besaß, die ihm das Reisen auch erleichterten, hatte er zunächst Schwierigkeiten gehabt, die Spur von Liam aufzunehmen und ihr zu folgen. Er landete auf einem der Häuser und ließ seinen Blick über das Dorf schweifen, hielt seinen Blick schließlich auf das Fischerhaus am Dorfrand gerichtet. Eindeutig konnte er Liams starkes Mana in diesem Haus spüren, erleichtert darüber dass der Prinz es geschafft hatte, erfolgreich aus Artill zu fliehen. Dass er nicht so dumm gewesen sein würde, in die Stadt zurückzukehren hatte er nicht erwartet, dennoch hatte er sich nicht sicher sein können, dass er auch wirklich unbeschadet heraus gekommen war.
Und er war sich sicher, dass er wissen wollen würde, was in der Stadt geschehen war. Eine Möglichkeit für Seth, sein Vertrauen zu gewinnen. Vorausgesetzt, sie würden eine Gelegenheit erhalten, sich in Ruhe zu unterhalten. Ohne fremde Ohren. Ob Liam wohl bemerken würde, dass er hier war? Oder sich das Dorf zumindest anschauen würde? Vielleicht wäre es am besten, wenn er sich ihm zeigen würde…
Ohne weiter darüber nachzudenken glitt Seth auf das Haus zu, drang durch die Wand ein und warf einen kurzen Blick in Liams Richtung. Als er den seinigen bemerkte, bedeutete er ihm zu folgen und verließ das Haus auf denselben Weg wieder, wie er es betreten hatte – und wartete.

Es dämmerte mittlerweile, als Liam die ihm allzu bekannte Gestalt war nahm.
Sie hatten gerade zu Abend gegessen - Giséle hatte darauf bestanden, ihn und Aimee einzuladen, und er hatte sich bemüht stets höflich und freundlich zu bleiben, obwohl ihn die Situation mehr als anstrengte.
Klar, er war es gewohnt unter vielen Menschen zu sein, war es ebenso gewohnt seine Maske aufzusetzen, und dennoch; die Situation hatte etwas ansich was ihn mehr und mehr ermüdete. Er war sich nicht sicher ob es an dem viel zu engen Raum lag, den er mit den Bauern teilen musste, oder ob ihn die vorherige Nacht noch immer in den Knochen lag - wahrscheinlich war es eine Mischung aus beidem gewesen.
"Entschuldigt mich." Sagte er schließlich, mit seinem falschen, perfekten, freundlichen Lächeln und erhob sich. "Ich bin gleich wieder da."
In diesen Moment war er dankbar darüber, das die Hütte nicht einmal ein eigenes Bad hatte, denn so konnte er ungestört das Haus verlassen, ohne das jemand nachfragen würde.

Also verließ er das Gebäude, konzentrierte sich auf die Präsenz, die ihn gedeutet hatte zu folgen, und fand den Engel Namens Seth schließlich etwas abgelegen am Flussufer vor.
"Ich hatte nicht damit gerechnet das du mich so schnell wieder sprechen möchtest, ehrlich gesagt."

„Es freut mich, dass du meinem Ruf gefolgt bist“, antwortete er, den Blick noch auf den Fluss gerichtet. Er hatte nicht damit gerechnet, dass der Prinz ihm so schnell folgen würde. Bedeutete das, dass er ihm zumindest ein wenig vertraute? Zumindest war Misstrauen das Letzte, das Seth in ihm auslösen wollte. Er mochte zwar ein Beobachter sein, aber letztlich war es doch sein Ziel, die Welt zu beschützen. Die Menschen, die sie trotz allem irgendwo geliebt hatte.
Schließlich drehte er sich doch zu Liam um, fragte sich für einen Augenblick, wie genau der Prinz ihn wohl erkennen konnte.
„Ich dachte, es würde dich vielleicht interessieren, was in Artill momentan vor sich geht.“ Er lächelte freundlich.

Ein Lächeln umspielte ebenfalls Liams Lippen, wenngleich seines voller Bitterkeit war.
"Das sollte es vermutlich." Erwiderte er, selbst nicht wissend ob es ihn wirklich interessierte. Die Lage war, wie sie war - er konnte eh nichts daran ändern. Selbst wenn seiner Mutter was geschehen war, Liam erwischte sich bei dem Gedanken es besser nicht wissen zu wollen, aus Angst das ihn das genauso kalt lassen würde wie das Schicksal seiner Gastgeber.

Die Antwort ließ Seth ein wenig stutzen, wenngleich man es ihm nicht ansah. Er konnte nicht in das Innere des Jungen sehen, konnte nicht wissen, was in seinem Kopf vor sich ging. Dennoch hatte er erwartet, dass er sich vielleicht mehr… Sorgen machen würde? Vielleicht war es schlichtweg die Erschöpfung, auch wenn er glaubte, dass da mehr dahinter lag. Es war jedoch nicht Seths Absicht, dem jetzt auf den Grund gehen zu wollen. Schließlich wollte er ihm nicht zu nahe treten. Noch nicht. Seth blickte wieder auf den Fluss, überlegte kurz wie viele Informationen er weiter geben sollte.
„Deine Mutter ist weitestgehend unverletzt“, sagte er schließlich. „Kurz vor dem Anschlag kam ein Bote aus Wentra, der sich unter vier Augen mit ihr unterhalten wollte. Dadurch war sie weit genug von der Explosion entfernt.“
Er betrachtete die Spiegelung des Wassers. Dass er sich selbst nicht darin sah war er bereits gewohnt, hoffte allerdings auch irgendwie das Gesicht Liams im Wasser sehen zu können, hoffte in seinen Augen lesen zu können. Doch der Prinz stand zu weit weg und das Licht war zu schwach, als dass das Wasser überhaupt noch etwas reflektierte.
„Glenn jedoch befand sich direkt in der Explosion. Er dürfte aber überleben, bis er sich erholt hat wird es jedoch noch eine Weile dauern.“ Noch einmal hielt er kurz inne. „Ich schätze ich brauche dir nicht extra sagen, dass es ein großer Fehler für dich und deine Verlobte wäre, nach Artill zurückzukehren. Momentan geht es in der Stadt noch immer drunter und drüber.“

Liam lachte leise.
"Keine Sorge, das lag nicht in meiner Absicht."
Aimee wäre bestimmt am Boden zerstört darüber zu wissen, das ihr Vater beim Anschlag anscheinend verletzt wurde; doch selbst wenn er ihr davon berichten würde, glauben würde sie es ihm garantiert nicht. Immerhin hatte er diese Informationen von einem körperlosen Wesen bekommen, einem Wesen dessen wahre Absichten er nicht einmal kannte. Nicht das es ihn irgendwie interessiert hätte.
"Wir planen ins Windreich zurück zu kehren und dort dem König um Hilfe zu bitten." Er machte eine kurze Pause, den Blick auf den mittlerweile dunklen Himmel gerichtet.
"Voraus gesetzt wir finden einen Teleporter natürlich."

Seth lächelte schwach. „Ja, das klingt durchaus vernünftig.“ Er hob den Blick und betrachtete die tanzenden grünen Lichtstreifen, die sich langsam am nördlichen Himmel erhoben. Ein Anblick, den er die ersten Male die er es hatte beobachten können als unheimlich schön empfunden hatte. Jetzt jedoch war es für ihn nichts Besonderes mehr, hatte seinen magischen Zauber verloren, den es einst auf ihn ausgeübt hatte.
„Beim Tempel im Norden dürfte sich ein Teleporter befinden. Aimee dürfte wissen, welchen ich meine.“

Auch Liams Augen beobachteten die Lichter, welche ebenfalls keine Regung in ihn auslösten - er wusste das sie objektiv schön sein mussten, doch was brachte ihn diese Schönheit wenn sie ihn nicht berührte?
Schließlich richtete er seinen Blick auf den Engel.
"Du bist mir doch sicherlich nicht gefolgt nur um mir das zu verraten." Stellte er kalt fest.
"Wieso sagst du mir nicht einfach was du von mir willst? Das würde uns beide gewiss sicherlich etwas an Zeit ersparen."

„Wie ich bereits sagte“, Seth wandte sich von den Polarlichtern ab und wandte sich leicht zu Liam zu. „Eine gewisse Person bat mich darum, dich zu beobachten.“
Er blinzelte kurz, ehe er sich wieder vollkommen Liam zuwandte.
„Ich möchte lediglich sicherstellen, dass du und deine Verlobte in Sicherheit seid.“ Dann lachte er leise. „Und vielleicht finde ich es auch einfach ein wenig angenehm, nach mehreren hundert Jahren wieder mit jemandem reden zu können, der mich nicht nur hören, sondern auch sehen kann.“

Ein leises, bitteres Lachen entwich Liams Kehle.
"Ist das wirklich so ungewöhnlich?" Er fuhr sich durchs Haar. "Vielleicht bist du letzten Endes doch eine Wahnvorstellung von mir."

Seth lachte. Er wusste ganz genau, dass außerhalb des einen Tages im Jahr, an dem er tatsächlich einen festen Körper besaß, niemand außer auserwählte Personen ihn sehen konnten. Und die einzigen beiden – neben Liam – waren wie er, in gewisser Weise unsterblich. Zumindest würde ihnen das Alter nichts anhaben können.
„Um mich sehen zu können, benötigt man schon eine außergewöhnliche Menge an Mana, wie es bei dir der Fall ist, oder eine starke göttliche Resonanz. Also ja, es ist sehr ungewöhnlich. Du bist erst die dritte Person, der ich begegnet bin.“ Er setzte ein schiefes Grinsen auf. „Natürlich bleibt es dir überlassen, ob du mich weiterhin als Wahnvorstellung sehen und meinem Rat folgen möchtest.“
Ihm blieb ohnehin nichts anderes übrig, solange er nicht direkt ins Weltgeschehen eingreifen konnte.

"Macht es denn einen Unterschied?" fragte Liam, eher an sich selbst gerichtet.
Er sollte langsam zurückkehren, wobei er gewiss nicht vermisst werden würde. Nicht hier, nicht von diesen Leuten, die nicht mal wussten wer er war. Und garantiert nich von seiner Verlobten.
"Ich sollte zurückgehen." sagte er schließlich dem Engel, sah ein letztes Mal in seine Richtung. "Ich nehme mal an du wirst so oder so in meiner Nähe bleiben."
Mit den Worten machte er kehrt und ging zurück zur viel zu kleinen Hütte, welche er für heute Nacht seine Unterkunft schimpfen durfte.

Für einige Zeit blieb Seth am Flussufer stehen und sah Liam nach, ging das Gespräch von eben noch einmal in Gedanken durch. Zu Schade, dass er sich weg gedreht hatte, nicht auf Liams Reaktionen geachtet hatte. Es kam ihm irgendwie merkwürdig vor, dass der Prinz weder Sorge noch Erleichterung zum Zustand seiner Mutter gezeigt hatte. Geschweige denn Interesse an dem Boten, den er erwähnt hatte. Vielleicht war es gut, dass er ihm die Nachricht verschwiegen hatte, die der Bote überbracht hatte. Seth würde es ihm zu gegebener Zeit übermitteln – sollte Liam sich überhaupt dafür interessieren.
Schließlich war es eher Seth, den diese Nachricht beunruhigte und wünschte sich, er könnte Ares darum bitten einen Assassinen hinterher zu schicken. Da Amila anders als er dachte nicht mehr im Schloss festsaß, würde sich das Rad des Schicksals unweigerlich zu drehen beginnen… Und Seth konnte nur hoffen, dass sich Nuira geirrt hatte und keiner der Zwillinge die Welt ins Chaos stürzen würde.
Doch gleichzeitig hatte er das unweigerliche Gefühl, dass sie sich nur am Anfang vom Ende befanden.

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Am nächsten Morgen wurden die Dorfbewohner noch während der Dämmerung von lauten Geräuschen geweckt, als die Banditen erneut einfielen um sich ihre „Ration“ an Lebensmitteln zu erhaschen. Liam und Aimee jedoch setzten sich für die Dorfbewohner ein und schafften es, die Banditen letzten Endes zu vertreiben – jedoch gab es einige Dorfbewohner, die daraufhin aufgrund ihrer magischen Kräfte stutzig wurden. Da die Beiden ohnehin nicht geplant hatten unnötig lange im Dorf zu bleiben, bekamen sie von Gisèle noch zwei warme Decken sowie ein paar wenige Vorräte, die sie für eine Zeit am Leben halten sollten – und brachen auf, in Richtung des Tempels im Norden.

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„Das hier ist der einzige Weg“, meinte Aimee nachdem sie eine Weile den Fluss entlang gegangen waren, der die nördliche Insel des Wasserreiches vom Rest des Landes abtrennte. Ihr Heimatland bestand in erster Linie aus mehreren größeren Inseln, die allesamt von breiten Flüssen voneinander getrennt wurden – so auch der nördliche Teil, der sich so weit entfernt von ihnen befand, dass sie nur gerade so die gegenüberliegende Küste erahnen konnten.
Zu ihrem Glück schien der Fluss allerdings bereits gefroren zu sein, obwohl sie offiziell noch Spätsommer hatten. Ein Vorteil des Landes – es war im Grunde das ganze Jahr über unheimlich kalt. Und je nördlicher man kam, desto stärker die Kälte, schneidender. Sie hatte schon mehrere Geschichten über die Reise in den Norden gehört, darüber wie viele Magier dafür sorgen mussten, das Eis zu brechen, damit überhaupt ein Schiff durchfahren konnte. Für sie jedoch war das keine Option, sie mussten einen anderen Weg finden.
Vorsichtig berührte sie mit ihrer Fußspitze das Eis, das direkt nachgab und zerbrach. Es würde sie unter keinen Umständen tragen, würden sie es zu Fuß überqueren.

"Das hätte ich dir gleich sagen können." Meinte Liam gehässig, während er seine Verlobte beobachtete.
Seit sie das Dorf verlassen hatten, hatten die beiden kein Wort miteinander gewechselt - während Aimee die Situation der Dorfbewohner anscheinend zu schaffen machte, hatte es Liam wie erwartet kalt gelassen, wenngleich er sich gewünscht hatte, ebenfalls zur Empathie fähig zu sein. Doch obwohl er sah, wie die Leute litten, wie sie tagtäglich ums Überleben kämpfen mussten und ihm eigentlich bewusst war, dass das in der Tat schreckliche Dinge waren, konnte er sich keine aufrichtige Gefühlsregung abgewinnen; so sehr er es sich auch wünschte.
"Kannst du nicht mit Magie nachhelfen?" Fragte er schließlich gewohnt arrogant, wohlwissend das seine Verlobte gewiss nicht in der Lage dazu wäre einen ganzen Fluss einzufrieren; und wenn ja, zumindest nicht für lange. Immerhin war dafür eine gewaltige Menge Magie nötig, die wahrscheinlich selbst er nicht aufbringen können würde, würde sein Mana zu dieser Art Magie in der Lage sein.

Aimee warf ihm einen kurzen, schweigsamen Blick zu, der jedoch Bände sprach. Konnte er sich seine neunmalklugen Kommentare wenigstens ein Mal sparen? Oder sich wieder in Schweigen hüllen, wie sie es während des ganzen Weges getan hatten?
Dank Gisèle war die Reise nun zwar angenehmer, da sie sich nachts keine große Angst vor dem Erfrieren mehr haben mussten, dennoch zerrte das ständige Laufen auch an ihren Nerven und Kräften. Am liebsten würde sie sich in einer Taverne verkriechen und warten, bis die Unruhen sich beruhigt hatten. Gleichzeitig wusste sie jedoch auch, dass es das Vernünftigste war, wenn sie einen Weg nach Wentra fänden. Dort waren sie definitiv sicher und konnten gleichzeitig auch versuchen ihrer Heimat zu helfen.
Schließlich seufzte sie schwer. „Es tut mir Leid, werter Herr ‘ich-bin-allen-magisch-überlegen‘“, antwortete sie sarkastisch. „Ich könnte versuchen immer kleine Bereiche zu verstärken, gerade groß genug dass wir zusammen darauf stehen können. Aber meine Kräfte werden gewiss nicht reichen, um den kompletten Fluss zu überqueren.“ Letzteres sagte sie schließlich sachlich, blickte sich dabei um in der Hoffnung eine Stelle zu finden, an der der Fluss schmaler war. Der Weg für sie kürzer.

Liam gab kein weiteres Kommentar darauf, wenngleich es ihn auf der Zunge lag.
Er selbst sah sich um, ging den Fluss ein Stück aufwärts, in der Hoffnung irgendein Boot oder dergleichen zu finden, aber erfolglos.
Plötzlich kam ihm eine Idee - ihre Magie würde vielleicht nicht reichen, seine hingegen...
Er kehrte zu seiner Verlobten zurück, welche noch immer am Grübeln war, und nahm, Selbstgefällig grinsend, ihre Hand in seine.
"Ich fürchte ich habe Gefallen an seiner körperlichen Nähe gefunden." Sagte Liam stichelnd, als er Aimees überraschten Gesichtsausdruck sah, ließ dann aber einen kleinen Teil seiner Magie in ihre Hand fließen; das alleine würde gewiss reichen, damit sie verstand, was er vorhatte.
"Oder hast du eine bessere Idee?"

Im ersten Augenblick wollte sie protestieren, bis sie schließlich ein leichtes Kribbeln in ihrer Hand spürte, das durch ihren ganzen Körper ging, als sich sein Mana mit ihrem verband. Sie wandte ihren Blick von ihm ab, spürte, wie das Kribbeln ihr Gesicht rot anlaufen ließ.
„Damit dürfte es gehen“, antwortete sie kleinlaut und richtete ihren Blick dann auf das Eis vor ihnen. Atmete tief durch. Dann streckte sie ihre Hand aus, konzentrierte sich auf das verbundene Mana zwischen ihnen und stellte sich vor, wie sich die Eisschicht verdoppelte, dreifachte… verzehnfachte. Dick genug wurde, dass es sie tragen würde.
Ein schwaches Licht ging von ihrer Hand aus, tanzende Schneeflocken umhüllten es, schwebten auf das Eis zu ihren Füßen zu, welches in einem kleinen Radius ebenfalls zu leuchten begann – ehe es sichtbar dicker wurde.
In tiefer Konzentration nickte sie, bemerkte dabei nicht, dass sie ihren Griff um seine Hand verstärkte. Sie war für den Moment vollkommen eins mit dem Eis, eins mit der Magie. Da war kein Platz für ihre Abneigung ihrem Verlobten gegenüber.

Auch Liam forderte es einiges an Konzentration, ihre Magie mit seinem Mana zu verstärken. Er musste aufpassen, durfte ihr nicht zu viel geben - er wusste nicht wie groß ihr Manapool war, und er hatte nur Gerüchte gehört, was mit Magiern passierte, welchen einen Überschuss an Mana in sich trugen.
Also blieb er vorsichtig, zügelte sich, und achtete gleichzeitig darauf das beide sicher den Fluss überquerten. Zum Glück war weit und breit keine Menschenseele zu sehen - andernfalls würden sie sich gewiss erklären müssen.
Schließlich erreichten sie das andere Ufer, doch noch ließ Liam ihre Hand nicht los. Wenn er sie überschätzt hatte und sie zu viel ihrer Magie verbraucht hatte durfte er die Verbindung nicht zu schnell unterbrechen - ansonsten bestand die Gefahr das ihr Körper nach mehr Mana zerrte als in ihr übrig war, und eine kollabierte Aimee konnte Liam gerade nicht gebrauchen. Also sah er sie an, wartete auf eine Regung ihrerseits.

Aimee war froh, als sie wieder festen Boden unter den Füßen hatte. Sie spürte die Schweißperlen auf der Stirn, ihre innere Erschöpfung. Dank Liam war sie noch weit davon entfernt, dass ihr Manapool wirklich erschöpft war, glaubte sie zumindest. Doch sie wusste nicht, wie lange sie für die Überquerung des Flusses benötigt hatten. Wie lange sie ihre Magie in voller Konzentration gewirkt hatte, darauf bedacht sie nicht loszulassen, in dem Wissen dass sie sonst ins eiskalte Wasser fallen und ertrinken würden.
Sie nahm ein paar Atemzüge, ehe sie bemerkte, dass ihre Manaverbindung zu Liam noch immer bestand. Das Prickeln in ihrem Körper noch immer andauerte.
„Es geht schon“, meinte sie erschöpft und lockerte ihren Griff ein wenig. Erst jetzt bemerkte sie, wie fest sie sich in seine Hand gekrallt hatte, als wäre sie regelrecht gierig nach seinem Mana gewesen. Und dennoch traute sie sich nicht, die Verbindung komplett aufzulösen.

"Ich bin trotzdem nicht scharf darauf das du umfällst." erwiderte er knapp und machte keine Anstalten, ihre Hand loszulassen.
Er selbst hatte bisher nie seine Magie mit irgendjemand anderen geteilt, wieso auch - galt es doch als etwas sehr intimes, gerade bei den eher altmodischen und traditionsbewussten Magievölkern. Dennoch, dies diente nur dem Zweck, wenngleich er irgendwie erleichert darüber war, das ihn das nicht auch komplett kalt ließ, im Gegenteil - er spürte ein warmes Kribbeln, fast schon eine Euphorie, die er bisher nur bei gewissen anderen Dingen empfunden hatte.
Er betrachtete seine Verlobte, und löste die Verbindung, wenn auch nur ein wenig - er wollte definitiv sichergehen das sie nicht plötzlich zusammenbrach.